„Die Jagd nach Rendite treibt immer mehr institutionelle und private Anleger in Vermögenswerte, deren Risiko sie im Niedrigzinsumfeld oft nicht ordnungsgemäß einschätzen“, sagt Helmut Ettl, Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA). Drei Problemfelder hat er lokalisiert: den Boom bei Wohnimmobilien, bei Krypto-Assets und nachhaltigen Finanzprodukten. Die extrem volatilen Krypto-Assets will die FMA künftig regulieren ähnlich wie analoge Finanzprodukte. „Wir müssen die Spreu vom Weizen trennen in der Kryptowelt“, sagt Ettl.
Mit Sorge beobachtet die FMA die Entwicklung auf dem heimischen Immobilienmarkt, eine „vollaufgeblasene Blase“ gebe es aber noch nicht. „Wir sehen nicht zu unterschätzende Gefahren im Immobilienboom, der angesichts explodierender Preise höhere Renditen verspricht“, sagt Ettl. Seit 2007 haben sich die Preise von Wohnimmobilien in Österreich fast verdoppelt, in Wien sind sie um fast 140 Prozent gestiegen. „Alleine im ersten Quartal 2021 betrug der Preisanstieg 12,3 Prozent zum Vergleichszeitraum 2020“, sagt der FMA-Vorstand.
Diese Entwicklung sei großteils nachfragegetrieben. Die Flucht in Betongold wird durch extrem niedrige Kredite befeuert.
Vergabestandards der Wohnbaukredite
Innerhalb eines Jahres sind die Immobilienkredite explodiert. Die seit Mitte 2020 neu vergebenen Wohnbaukredite sind um 18 Prozent auf 94.000 Fälle gestiegen. Das Kreditvolumen kletterte um 37 Prozent auf 16,9 Milliarden Euro. Die Zinsen für Hypothekarkredite waren noch nie so niedrig wie heute. Eine variable Verzinsung liegt im Schnitt bei einem Prozent, ein Fixzins (auf zehn Jahre) bei 1,35 Prozent.
Vor der Finanzkrise lagen die Zinsen für Hypothekarkredite bei fünf bis sechs Prozent. „Wenn man die Vergabestandards der Wohnbaukredite anschaut, dann geben diese Anlass zur ernster Sorge. Jeder zehnte Kredit hat eine Laufzeit länger als 35 Jahre“, sagt Ettl.
40 Prozent sind variabel verzins
Bei jedem fünften Kredit muss die Familie mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Rückzahlung aufbringen. Bei sechs von zehn Krediten beträgt der Eigenmittelanteil weniger als 20 Prozent. 40 Prozent sind variabel verzinst, und weniger als die Hälfte hat eine Fixzinsbindung von zehn Jahren.
„Wir werden voraussichtlich 2022 Mindeststandards für eine nachhaltige Vergabe von Wohnkrediten regulatorisch verbindlich machen“, sagt Ettl. „Dass man den Eigenmittelanteil von mindestens 20 Prozent des Kreditvolumens einhalten muss, dass es einen maximalen Schuldendienst von 30 bis 40 Prozent des monatlich verfügbaren Nettoeinkommens gibt, und dass die Kreditlaufzeiten weniger als 35 Jahre betragen.“
Fixzins
Bei einem Immobilienkredit von 200.000 Euro, Laufzeit 20 Jahre zahlen Sie bei einem Fixzins (1,35 %) monatlich 951 Euro, bei variablem Zinssatz (1 %) nur 920 Euro im Monat
Variabler Zins
Sollten sich die Zinsen in den nächsten Jahren auf fünf bis sechs Prozent normalisieren, zahlen Sie bei einem variablen Zinssatz statt 920 dann 1.278 Euro im Monat. Das sind 358 Euro mehr als bei einem fixen Zinssatz. Die Fixzins-Rate beträgt aber weiterhin 951 Euro
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