Abschaffung der Wertpapier-KESt: Ideologie und Fakten
Heftige Debatte über Abschaffung, AK kontert ÖVP-Finanzminister Brunner und fordert Verbesserungen bei bestehenden Finanzprodukten
04.01.23, 05:00
Die Diskussion um die Abschaffung der Kapitalertragsteuer auf Kursgewinne aus Wertpapieren (27,5 Prozent) wird nicht nur faktenbasiert geführt, sondern auch ideologisch. ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner beruft sich auf das Regierungsabkommen mit den Grünen, die sich allerdings zieren.
Brunner argumentiert angesichts der hohen Teuerung nicht allein mit privater Altersvorsorge, sondern auch, dass sich junge Menschen „etwas ansparen können, damit sie sich dann etwas leisten können“.
Die SPÖ hat sich erwartungsgemäß klar dagegen ausgesprochen. Die Arbeiterkammer gab ein professorales Gutachten in Auftrag, mit dem Ergebnis, die Wertpapier-KESt sei ohnehin durch eine Verfassungsbestimmung geschützt.
Brunner ließ daraufhin das Modell eines „Vorsorgedepots“ entwerfen, das noch in dieser Legislaturperiode mit einfacher gesetzlicher Mehrheit beschlossen werden könnte. „Bevor die Politik neue KESt-Begünstigungen erfindet, sollte sie besser eine schonungslose Bestandsaufnahme machen, warum vor allem die bestehenden Begünstigungen nicht funktionieren“, fordert Dominik Bernhofer, Steuer-Abteilungsleiter der AK, bessere Rahmenbedingungen.
Gemeint sind die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge (entworfen unter Schüssel/Grasser) und die Pensionsinvestmentfonds. Tatsächlich sind beide Altersvorsorge-Produkte ob ihrer Unattraktivität für Anleger Ladenhüter. Ausgenommen von der Wertpapier-KESt sind noch Lebensversicherungen, Wohnbauanleihen und Pensions- und Abfertigungskassen.
Einer der Streitpunkte ist die Dauer der Kapitalbindung. Brunner spricht von drei Jahren oder kürzer. „Nur für zwei, drei Jahre, das geht gar nicht“, kontert Bernhofer.
Bis 2012 unterlagen realisierte Kursgewinne dem progressiven Einkommensteuertarif. Wurden sie länger als ein Jahr gehalten, waren diese Gewinne steuerfrei. Seit damals gilt KESt-Pflicht, ausgenommen Altbestände.
Anleger-Verhalten
Das Verhalten der Anleger änderte sich dadurch allerdings nicht, beruft sich der Steuer-Experte auf die Geldvermögensrechnungen.
"Durch die Reform 2012 zeigen sich keine Auffälligkeiten." Der durchschnittliche Aktien- und Fondsanteil am Geldvermögen der heimischen Haushalte liege mit 13,5 Prozent „ziemlich genau auf dem EU-Schnitt“. Tschechien, die Slowakei und Slowenien, wo noch die alte Spekulationsbesteuerung gilt, hätten eine deutlich niedrigere Aktienquote.
Nicht nur für die SPÖ, auch für die AK wäre die Abschaffung der KESt ein Vorteil nur für Vermögende. Die großen Gewinner seien die „reichsten zehn Prozent der Haushalte, die sich über ein erhebliches Steuergeschenk freuen dürfen“. Sie besitzen laut OeNB 58 Prozent des gesamten Aktienvermögens. Verlierer sei die breite Masse der Steuerzahler.
Die Steuereinnahmen sind wie der Kapitalmarkt stark volatil, 2021 flossen 760 Millionen Euro ins Budget. Den Zeitpunkt hält Bernhofer in der jetzigen Krise für taktisch ungeschickt. Die Österreicher hätten die Erfahrungen in der Finanzkrise noch in schlechter Erinnerung.
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