Werbung für Urlaub in Österreich: Alles, nur nicht einstimmig
Die Österreich Werbung sucht also wieder einen neuen Chef bzw. eine neue Chefin. Noch-Geschäftsführerin Lisa Weddig geht Ende März 2023. Ihr 5-Jahres-Vertrag wäre bis 2026 gelaufen.
Ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin übernimmt "eine Großbaustelle", sagen Branchenkenner. Womit sich die Frage stellt, was der oder die Neue und generell die Österreich Werbung (ÖW) leisten soll. Und wozu es die ÖW überhaupt braucht.
Sepp Schellhorn, Hotelier, Gastronom und Ex-NEOS-Nationalratsabgeordneter, zuckt mit den Schultern: "Es gibt in der Tourismuswerbung fünf Ebenen und damit aus meiner Sicht mindestens eine zu viel." Geworben wird nämlich auf Ebene der Hotels, Tourismusverbände, Destinationen, Bundesländer und ÖW. Doppelgleisigkeiten und verbrannte Budgets inklusive. Tiroler und Salzburger treten bei Tourismusmessen in Deutschland als Konkurrenten auf, statt gemeinsam Synergien zu heben, kritisiert Schellhorn.
Gruß vom Landesfürsten
Ein systemimmanentes Problem – der Föderalismus lässt grüßen. Am Ende des Tages gibt es im kleinen Österreich neun Landesfürsten und unzählige Lokalkaiser. Jeder mit eigener Agenda. Darüber hinaus noch die ÖW. In Fachkreisen nennt man dieses Zusammenspiel die Allianz der 10 (9 Landestourismusorganisationen plus ÖW). Ganz friktionsfrei war diese nie, ist sich doch letztlich jeder selbst am nächsten.
Die Beratungsfirma Prodinger hat analysiert, was das Denken in Destinationsgrenzen kostet. Demnach fließen jährlich mehr als 500 Millionen Euro in die Tourismuswerbung. "Ohne tiefgreifende Koordinierung. Bundesländer und Destinationen stehen im Wettbewerb untereinander, obwohl die Gäste die Grenzen nicht erkennen", so das Fazit.
Andere Tourismusländer würden viel effizienter auftreten, ist Schellhorn überzeugt: "In der Schweiz oder in Kroatien gibt es eine starke Marke für das ganze Land."
Ein Plädoyer für die ÖW und für die Streichung der Landestourismusorganisationen? Der Polit-Insider winkt ab. "Es wird leichter sein, die ÖW abzuschaffen, als die Landestourismusorganisationen zurückzustutzen." Als gelernter Österreicher wisse man, dass solch gewachsene Strukturen kaum aufzulösen sind. Jeder hält an seine Pfründen fest. Es geht schließlich um Macht und Postenbesetzungen. War immer so, bleibt immer so, sagen selbst jene, die Teil des Systems sind. Freilich nur hinter vorgehaltener Hand.
Offen, was die neue ÖW-Spitze nun umsetzen soll. Im Grunde den „Plan T“, der noch unter Ministerin Elisabeth Köstinger ausgearbeitet wurde. Das "T" steht – je nachdem, wen man fragt – für "Tourismus" oder "Tonne". Letzteres, weil es bei den Überschriften geblieben ist, monieren Kritiker.
Pickerl fürs Gewissen
Jedenfalls steht dort unter anderem geschrieben, dass am Qualitätstourismus und an einem besseren Zusammenspiel zwischen Gästen, Unternehmern und Einheimischen gearbeitet werden muss. Konkrete Ziele und ein Plan, wie man sie erreicht, werden jetzt einmal mehr diskutiert.
Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler will zudem das Thema Nachhaltigkeit messbar und vermarktbar machen. Etwa mit einem eigenen Label, das Touristen dann als Orientierungshilfe dient. Ganz neu ist die Idee nicht. Die Buchungsplattform booking zeichnet neuerdings Betriebe mit einem Nachhaltigkeitslogo aus, die einen entsprechenden Maßnahmenkatalog erfüllen.
Aus Sicht von Berater Andreas Reiter ist das Grundproblem der ÖW, dass sie „ein Politikum“ ist. Reiter: "Als Chef wird jemand bestellt, der macht, was man von ihm will. Jemand, von dem kein Widerstand zu erwarten ist."
Die Ausschreibung des Postens soll jedenfalls noch im November über eine Agentur erfolgen. Hinter den Kulissen ist zu hören, dass der oder die Neue vor allem Führungs- und Managementqualitäten mitbringen soll. Die Anforderung "Change Management" werde jedenfalls aus dem Job Profil gestrichen. Umgerührt wurde zuletzt offensichtlich schon genug.
Österreich Werbung
Hinter dem 1955 gegründeten Verein steht zu 75 Prozent das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und zu 25 Prozent die Wirtschaftskammer Österreich. Laut eigenen Angaben beschäftigt die Österreich Werbung in 21 Büros auf 28 Märkten 200 Mitarbeiter. Traditionell hat die ÖW vor allem die Fernmärkte bearbeitet, während die Länder und Regionen den Fokus auf den Nahmärkten hatten
150 Millionen
Gästenächtigungen zählte Österreich vor Ausbruch der Pandemie, also im Jahr 2019
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