Wer rettet die Wiener Börse?

Wer rettet die Wiener Börse?
Nachfolger von Birgit Kuras muss Politik und Aufsicht vom Kapitalmarkt überzeugen.

Am 7. April wird sich die Wiener Börse vor Investoren in Paris präsentieren. Da wird Birgit Kuras noch als Vorständin auftreten. Bei der nächsten Road Show im Juni wird sie nicht mehr dabei sein. Sie verlässt mit Ende Mai die Börse.

Um ihre Nachfolge ist nicht gerade ein wildes Gerangel im Gange. Viele Kandidaten wurden genannt, fast alle winken ab: Ex-Erste Group-Vorstand Franz Hochstrasser etwa sagt: "Sicher nicht." Heike Arbter, in der Raiffeisen Centrobank für Zertifikate zuständig, hat sich nicht beworben und Wolfgang Matejka von der gleichnamigen Investmentgesellschaft erklärt: "Nein, das mache ich nicht."

Sogar der heißer Favorit der Gerüchteküche Roman Eisenschenk von der Fondsgesellschaft Kepler Cheuvreux Austria lehnt ab. Neu genannt wird Johann Linhart, Aufsichtsrat der Volksbank Wien. Schon am kommenden Donnerstag soll der Aufsichtsrat entscheiden. Möglich ist aber, dass es eine zweite Runde gibt. Denn die Bewerbungsfrist war kurz und es scheint Uneinigkeit im Aufsichtsrat zu geben. Anders können sich Insider nicht erklären, dass der zweite Vorstand, Michael Buhl, sich ebenfalls neu bewerben muss.

Veränderungen stehen auch im Börse-Aufsichtsrat bevor: Vorsitzender und Bank-Austria-Ex-Chef Willi Cernko wird von Bank Austria-Vorstand Dieter Hengl abgelöst.

Für die neuen Chefs wird es jedenfalls nicht einfach:

- Kleine Börse Dass es an der Wiener Börse nur wenig Aktivität gibt, führen Experten auf den kleinen heimischen Markt zurück. Große Fonds investieren kaum in Wien. Zwar steigen die Börsenumsätze, neue Unternehmen kommen aber nicht hinzu. Erst gestern, Montag, kündigte Stefan Pierer den Rückzug von KTM und der WP AG an. Aus der Idee, eine Osteuropa-Drehscheibe zu machen, wurde nichts. Fritz Mostböck, Chefanalyst der Erste Group, betont aber, dass eine lokale Börse für heimische Unternehmen wichtig sei. In Frankfurt würden sie kaum wahrgenommen.

- Zu teuer Die im Vergleich zum direkten Handel hohen Börsengebühren "machen den Markt kaputt", sagt Investor Klaus Umek. Die Banken würden Aktien-Kaufaufträge von Kunden mit Verkaufsorders selber ausführen und die Börse meiden.

- Zu wenig große Spieler Klein- und Mittelbetriebe wagen sich nicht an die Börse. Um ihnen den Weg zu erleichtern, schlägt Kleinanleger-Vertreter Wilhelm Rasinger die Schaffung eines "zweiten oder dritten Marktsegments" vor, für das es weniger Vorschriften gibt. Auch würde es reichen, dass der Aktienkurs in diesen Fällen etwa nur einmal pro Woche ermittelt wird. Auch Kuras hat dies immer wieder gefordert – ohne Erfolg.

- Zu wenig Käufer Österreichs Anleger sind traditionelle Sparbuch-Fans. Seit der Finanzkrise scheuen sie die Börse noch mehr. Aber auch die heimischen Pensionskassen sind keine großen Aktien-Investoren. Rasinger bedauert, dass ein australischer Pensionsfonds Anteile am Wiener Flughafen erworben hat. "Die haben erkannt, dass da golden nuggets liegen."

- Strenge Aufsicht Kuras betont, dass viele der Unternehmen, die die Börse verlassen, regulatorische Erschwernisse beklagen – etwa die jüngsten Verschärfungen der Marktmissbrauchsbestimmungen für kleine Firmen. Umek hält das auch für abschreckend. "Alle guten Börse-Unternehmen bekommen regelmäßig Briefe von der Aufsicht, in denen ihnen Mini-Regel-Verstöße vorgeworfen werden."

- Desinteresse der Politik "Alle Parteien halten die Börse für böse und ein Casino", kritisiert RBI-Chefökonom Peter Brezinschek. Börsenchefs müssten als Bittsteller bei der Regierung antreten. Ändern könnte man die Einstellung nur, wenn man Politiker "lange in ein Umerziehungslager setzt".

An der Frankfurter Börse hatten die Verantwortlichen zu Silvester allen Grund zum Feiern: Mit 24 Neunotierungen gab es im Vorjahr so viele wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Die Zahl der Neunotierungen in Wien: null. Es kam zwar im April die WP AG neu auf den Kurszettel, dabei handelte es sich aber um ein reines Listing ohne Kapitalaufnahme (und daher ohne Streubesitz). Die WP AG, ein oberösterreichischer Entwickler und Produzent von Motoren- und Fahrwerkskomponenten, gehört nahezu zur Gänze zum Unternehmen Cross von Stefan Pierer. Und soll demnächst auch schon wieder vom Kurszettel verschwinden (siehe Bericht links).

Aktienpremieren konnte die Wiener Börse in den vergangenen Jahren nur wenige vorweisen. 2014 gab es mit der FACC nur einen Börsengang (Initial Public Offering, kurz IPO). Die Buwog war zwar auch neu, war allerdings eine Abspaltung von der Immofinanz. So wie im Jahr davor Gurktaler von der Schlumberger AG abgespalten wurde.

Im Gegensatz dazu ziehen sich Unternehmen reihenweise von der Börse zurück. Im Vorjahr trat gleich ein Quartett den Rückzug an: Head, ATB und im Dezember dann noch Miba und bene. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch BWT vom Kurszettel verschwinden wird.

In der jüngsten Vergangenheit haben vor allem kleinere Unternehmen die Börse verlassen. Ein wirklicher Aderlass wäre es, wenn etwa die Telekom Austria oder der Flughafen Wien dem heimischen Aktienmarkt den Rücken kehren würden. - Christine Klafl

Wer sich unter Börsianern, aber auch den wenigen Aktionären im Land umhört, der bekommt nichts Gutes über die heimische Kapitalmarktpolitik zu hören. Zu Recht! Die jüngste Erhöhung der Kapitalertragssteuer auf Aktien war der nächste Angriff auf die ohnehin darbende Börse. Dabei ist es vor allem jetzt wichtig für Unternehmen, Eigenkapital zu bilden, um für die nächste Krise gewappnet zu sein.

Viel Hoffnung bestand 2014, als der neue Finanzminister Schelling versprach, sich für die Wiener Börse einzusetzen. Es sei wichtig, dass es Börsegänge gebe, denn diese würden neue Jobs und Investitionen schaffen, sagte er damals. Doch eine wirklich Initiative gab es nicht – das Gegenteil ist der Fall. Von einem schwarzen Finanzminister, der jahrelang große Konzerne geführt hat, ist eigentlich mehr Einsatz zu erwarten, als sich den Wünschen der SPÖ zu unterwerfen. - Robert Kleedorfer

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