100. Weltspartag: Spar-Leidenschaft trotz sinkender Zinsen
Der von Banken initiierte Weltspartag feiert heute sein 100-jähriges Jubiläum. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind neue Anlageprodukte wie Aktien, Fonds, börsengehandelte Indexfonds (ETF) und Kryptowährungen hinzugekommen. Sparprodukte sind in Österreich aber immer noch die Nummer eins unter den Geldanlagen und werden von den meisten Menschen gern genützt. Auch die Niedrigzinsphase von 2008 bis 2022 hat der Beliebtheit des Sparens hierzulande keinen Abbruch getan.
Ins Leben gerufen wurde der Weltspartag auf dem ersten internationalen Sparkassenkongress in Mailand im Oktober 1924, bei dem gleichzeitig das World Savings and Retail Banking Institute (WSBI) gegründet wurde. An der Gründungsinitiative waren 29 Länder aus der ganzen Welt beteiligt, darunter auch Österreich.
Ziel war es, der Bevölkerung den Umgang mit Finanzen näherzubringen und sie zum Sparen zu motivieren - vor allem Arbeitern und der Mittelklasse sollte die Geldanlage und die Möglichkeit eines kleinen Vermögensaufbaus schmackhaft gemacht werden. Begangen wurde das jährliche Event zum ersten Mal dann ein Jahr später, am 30. Oktober 1925.
Werbefiguren
Richtig Fahrt nahm die Initiative erst in den 1950er-Jahren auf, nachdem sich die Bevölkerung und Wirtschaft von dem Schock des Zweiten Weltkriegs einigermaßen erholt hatten. Rückenwind erhielt die österreichische Sparkultur damals vor allem von der Einführung des Schul- und Jugendsparens 1949 sowie durch zahlreiche neu gegründete Sparvereine, heißt es in einem Blogbeitrag zum Weltspartag der Nationalbibliothek (ONB).
Zur Mitte der 1950er-Jahre sorgte das Maskottchen "Sparefroh" für eine weitere Belebung des Weltspartags. Er sollte nicht nur, aber vor allem Kindern den Wert des Sparens näherbringen. Die Werbefigur stammt ursprünglich vom Deutschen Sparkassenverlag, erlangte aber in Österreich größere Berühmtheit als in Deutschland. Heute wird der "Sparefroh" von der Erste Group verwendet. Andere Bankverbände zogen in den kommenden Jahren mit Werbefiguren fürs Sparen nach. Beispielsweise riefen die Raiffeisen-Banken in Deutschland, Österreich, Schweiz und anderen Ländern in den 1960er-Jahren die Biene "Sumsi" ins Leben.
Mit den Werbefiguren kamen auch die traditionellen Weltspargeschenke. In den vergangenen Jahrzehnten war von klassischen Kindergeschenken wie Stofftieren, Stiften, Blöcken und Spielen bis hin zu Schlüsselanhängern und Korkenziehern für Erwachsene so gut wie alles dabei.
Von Finanz- und Coronakrise beeinflusst
Seine Hochphase erreichte der Weltspartag in Österreich in den 1970er-Jahren, bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war seine Beliebtheit bei den heimischen Sparern groß. In vielen anderen Ländern, die an der Gründung beteiligt waren, ist der Weltspartag nahezu komplett verschwunden, in Österreich wird der Tag dagegen nach wie vor von den Banken hochgehalten und beworben.
Seine große Bedeutung nahm jedoch in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Hintergrund von Finanz- und später der Coronakrise sowie der zunehmenden Digitalisierung des Bankwesens auch in Österreich ab. Die meisten Banken begehen den Tag mittlerweile mit deutlich weniger Aufwand - dafür erstreckt sich die Phase der Weltspartagsaktionen über mehrere Tage. Zuletzt machte vor allem die Coronakrise die "Weltsparwoche" populär, um für weniger Andrang in den Filialen an einem einzigen Tag zu sorgen. Für Kinder gibt es jedoch ungebrochen jedes Jahr kleine Geschenke.
Alte Weltspargeschenke sowie die Entwicklung des Sparefroh kann man in Wien auch im Museum bestaunen - und zwar im Sparefroh-Haus im Bezirksmuseum Alsergrund. Ausgestellt sind dort Weltspargeschenke seit dem Jahr 1957.
Leidenschaft fürs Sparen
Die Sparfreude der Österreicherinnen und Österreicher hat die Zinswende im Jahr 2024 jedoch nicht gebremst, wie mehrere Geldinstitute auf APA-Anfrage mitteilten. Nach der Phase der Nullzinspolitik seit 2008 hatte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre geldpolitischen Zügel zur Bekämpfung der Teuerung ab 2022 wieder angezogen. Seit Juni 2024 hat die EZB ihre Leitzinsen dreimal gesenkt.
Die BAWAG etwa berichtete von einer "robusten", die Raiffeisen Stadtbank Wien sowie die Volksbank Wien von einer "hohen" bzw. "großen" Nachfrage nach Sparprodukten, wobei viele Konsumenten danach streben würden, sich aktuell noch Angebote mit höheren Zinssätzen zu sichern. Bei der Oberbank beobachtet man eine ähnliche Entwicklung, viele Kunden greifen dort aktuell zu Festzinsprodukten, also Anlagen mit fixem Zinssatz, wie aus dem Unternehmen verlautet.
Dass Sparen hierzulande nach wie vor einen Boom erlebt, untermauert eine neue Studie der Bank Austria. Demnach ist das Interesse an klassischen Produkten wie Sparkarte, Online-Sparen und Bausparen weiter groß, wobei heuer der Betrag, den die Österreicher monatlich auf die Seite legen können, gestiegen sei.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Erste Group auf Basis einer Umfrage: Auch sie ortet einen sehr hohen Stellenwert des Sparens in der Bevölkerung, allerdings würden auch immer mehr Personen den Wert alternativer Anlageformen erkennen. Laut einer Umfrage des Tarifvergleichsportals durchblicker.at lässt jede dritte Person in Österreich ihren "Notgroschen" unverzinst am Girokonto liegen.
Angesichts der schrumpfenden Wirtschaft in Österreich im Jahr 2023 und 2024 diagnostizieren Branchenexperten ein "Angstsparen" bei Verbrauchern. Der Anteil des Einkommens, der nicht für den Konsum aufgewendet, sondern gespart wird, schnellte von 8,7 Prozent im dritten Quartal 2023 auf 10,6 Prozent im zweiten Quartal 2024 nach oben. Heuer erwarten die Wirtschaftsforscher des Wifo noch einen Anstieg der Sparquote auf 11,4 Prozent. In den vergangenen 20 Jahren ist die Quote zwischen 6,9 Prozent im zweiten Quartal 2014 und 15,3 Prozent im ersten Quartal 2021 gependelt. In der Coronapandemie schnellte die Sparquote nach oben, weil aufgrund der Lockdowns unter anderem in der Gastronomie und Hotellerie sowie im Handel die Konsummöglichkeiten fehlten.
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