Wegen Corona in Südchina: Ein Mega-Stau lähmt den Welthandel
Bilder des festgefahrenen Mega-Frachters „Ever Given“ im Suezkanal gingen im Frühjahr um die ganze Welt. Der Schiffsverkehr auf dem gesamten Globus stagnierte, als das Nadelöhr verstopft war.
Nun stehen wieder Schiffe im Stau. Und zwar im Container-Hafen Yantian.
Yantian ist kein Ort, den man als Tourist aufsuchen würde. Yantian ist einer der zehn Stadtbezirke der Megapolis Shenzhen (nördlich von Hongkong) in der chinesischen Provinz Guangdong.
Was aber ist dort los? Nun: Aufgrund eines aktuellen Ausbruchs des Corona-Virus’ in Guangdong haben die dortigen Behörden strenge Kontroll- und Lockdown-Maßnahmen verhängt.
Nummer vier weltweit
Yantian ist der viertgrößte Containerhafen der Welt nach Schanghai, Singapur und dem ostchinesischen Ningbo.
Unterschiedlichen Quellen zufolge liegen in Yantian derzeit 80 bis 90 Frachter auf Reede. Normalerweise werden in Yantian etwa 40 Containerschiffe pro Woche abgefertigt. Jetzt aber läuft der Betrieb nur zur Hälfte.
Die Anzahl der festsitzenden Container in Yantian ist inzwischen höher als während der sechstägigen Sperre des Suezkanals Ende April.
"Ein großes Problem"
„Es gibt in Yantian ein großes Problem“, warnte Rolf Habben, Chef des Transportriesen Hapag-Lloyd am Montag in Hamburg bei einer Pressekonferenz.
Laut Habben werde sich in der kommenden Woche entscheiden, ob sich Yantian zu einer internationalen Krise in der globalen Schifffahrtslogistik auswachse.
Aufgrund der Dauer und der Bedeutung von Yantian sei die dort gedrosselte Abfertigung eine viel größere Unterbrechung und Gefahr für den Welthandel als jene durch die Ever Given im Suezkanal, so Experten.
Alexander Klacska, Chef der WKÖ-Bundessparte Transport und Verkehr, zum KURIER. „Das Problem mit der Ever Given war letztendlich überschau- und kontrollierbar.“ Der aktuelle Engpass aber sei noch nicht abzuschätzen
Worst-Case-Szenario
Die Ökonomen des Münchner Ifo-Instituts rechnen schon an den Folgen eines möglichen Yantian-GAUs.
Im Fall des Falles würden sie statt der im März angenommenen 3,7 Prozent Wachstum für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nur noch 3,3 Prozent prognostizieren.
Befeuert werden die Lieferkettenengpässe durch das enorme weltweite Post-Covid-Wachstum. Und speziell durch die nachgefragten Materialien, die für das Wachstum in Europa und den USA eben so nötig sind und die aus China kommen.
Die Folgen sind auch hierzulande inzwischen mehr als bekannt. Immer öfter berichten Unternehmen von Lieferengpässen vor allem für Bauteile, Möbel, Textilien oder Computerchips.
15-fach überbucht
Und die Preise steigen. Denn seit vergangenem Herbst explodieren die Frachtraten auf dem Spotmarkt. Container werden immer teurer. „Wir haben einfach nicht genug Schiffe, um all die Waren zu transportieren“, so Rolf Habben von Hapag-Lloyd. Derzeit sei man 15-fach überbucht.
Kostete der Transport eines 40-Fuß-Containers zwischen Asien und Europa Anfang vergangenen Jahres noch rund 1.250 Euro, liegt der Preis nun schon bei 8.300 Euro. Das wird am Ende auch die Inflation treiben.
Die beiden weltgrößten Hersteller von Containern, aus China übrigens, kommen schon seit Monaten nicht mehr mit der Lieferung nach.
„All das zeigt, wie sehr wir von China abhängig sind“, so Klacska. China steuere eigentlich die Weltlogistik und expandiere in Sachen Infrastruktur auch stark nach Europa.
Klacska verweist als Beispiel auf den griechischen Hafen von Piräus. 2008 übernahm die China Ocean Shipping Company erste Anteile am Hafen von Piräus, seit 2016 gehört den Chinesen die Mehrheit. Trotz Corona-Krise landen hier immer mehr Containerschiffe.
Auch Klacska selbst ist als Unternehmer von den Lieferengpässen betroffen. Er hat neue Lkw bestellt, die aber nicht geliefert bzw. produziert werden können. Es fehlen Getriebeteile. Aus China.
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