Wie man mit einem stündlich wechselnden Strompreis lebt

Privathaushalte zahlen derzeit im Schnitt zwischen 20 und 40 Cent pro Kilowattstunde Strom. Es gibt aber auch Menschen, die wesentlich weniger zahlen, weil sie so genannte Floater-Tarife mit stündlicher Anpassung ausnutzen. Dabei gilt für jede Stunde des Tages ein anderer Preis. Der steht in direktem Zusammenhang mit Großhandelspreisen, die auf der Strombörse EPEX Spot täglich neu für den nächsten Tag ermittelt werden. Wenn man es richtig angeht und daheim zu günstigen Zeiten Strom verbraucht, kann man richtig viel sparen. Das berichten Kunden, die der KURIER zu ihren Erfahrungen befragt hat.
Alltag mit dynamischen Preisen
Auf das Jahr gerechnet hat Familie Z. aus Gänserndorf im vergangenen Jahr etwa sechs Cent pro Kilowattstunde gezahlt. Sie hat ein Elektroauto, das für rund die Hälfte des heimischen Stromverbrauchs verantwortlich ist. Das Ladegerät dafür besitzt eine Schnittstelle zum Stromanbieter und lädt die E-Autobatterie automatisch zu günstigen Zeiten. Im Einfamilienhaus laufen Verbraucher wie Waschmaschine oder Trockner meistens am Wochenende, wo am Strommarkt wenig Nachfrage herrscht und Preise entsprechend niedrig sind.
Die fünfköpfige Familie G. aus Wien lebt in einer Mietwohnung. Geschirrspütler und Waschmaschine laufen fast täglich - letztere meist am frühen Nachmittag oder in der Nacht. Aufgehängt wird die Wäsche dann nach Dienstschluss oder in der Früh. Auch der E-Bike-Akku wird zu diesen günstigen Zeiten aufgeladen. "Beim Kochen ist die Flexibilität eher gering", erzählt Herr G. "Und bevor sich das Geschirr meterhoch stapelt, läuft der Geschirrspüler halt auch mal in der teuren Zeit." Im Durchschnitt zahlt die Familie sieben bis zehn Cent pro Kilowattstunde.
Wenig Veränderung mit Speicher
Familie Seidel lebt in einem eigenen Haus in Niederösterreich. Sie besitzt eine Photovoltaikanlage, hat einen Pool und ein E-Auto und richtet ihren Verbrauch "grob nach günstigen Zeiten aus". Die Umstellung von einem fixen Tarif auf den dynamischen sei der Familie nicht schwer gefallen und nun "sind alle happy, weil wir uns im letzten Jahr bei Strom über 500 Euro gespart haben". Im Schnitt habe man in den vergangenen Monaten 7,5 Cent/kWh bezahlt.
Familie Gutscher aus Tulln hat ein Haus mit PV-Anlage, Wärmepumpe und E-Auto. Sie setzt voll auf ein Smart-Home-System. Durch Kombination mit einem Batteriespeicher ist man beim Betrieb von Haushaltsgeräten zeitlich relativ unabhängig. Das E-Auto wird vollautomatisch zu den günstigsten Zeiten geladen. "Ohne Smart-Home-System wäre die Nutzung von dynamischen Tarifen zwar auch möglich und sinnvoll, aber mit mehr Arbeitsaufwand verbunden", sagt Herr Gutscher. "Unser Energieverbrauchs-Alltag hat sich wenig geändert."

Familie Gutscher beim Start in den Montag morgen – das E-Auto wurde noch am Sonntag dank dynamischer Stromtarife so gut wie kostenlos vollgeladen
Kontrolle per App
Auf welche Preise im Verlauf des nächsten Tages man sich beim Verbrauch einstellen muss, das kontrollieren die meisten Floater-Tarif-Nutzer im Internet oder per App. Ihr Stromanbieter bietet eine App an, aber zu Spotpreisen gebe es in den App-Stores ein größeres Angebot, sagt Herr Z. "Man entwickelt mit der Zeit auch ein Gefühl dafür, wenn grundsätzlich günstige Zeiten sind. Sonntage und Feiertage sind besonders günstig."
Extremwerte gibt es gelegentlich
Zu manchen Stunden komme man als Floater-Nutzer in den Genuss von Negativpreisen. Das bedeutet, man erhält sogar Geld dafür, dass man reichlich vorhandenen Strom verbraucht. Einmal sei der Strompreis bei minus 40 Cent gelegen, berichtet Familie G. Ausreißer gibt es aber auch noch oben. "Bei einer besonderen Marktsituation hatten wir mal für zwei Stunden 70 Cent/kWh, aber da bekamen wir im Voraus sogar eine Informations-E-Mail", sagt Herr Seidel.

In der Verlaufskurve der Strompreise eines Tages sind klare Preisspitzen in der Früh und am Abend erkennbar
Ökologie, Erfahrung, Berechnung
Familie G. hat sich für den dynamischen Stromtarif entschieden, weil sie etwas zur Energiewende beitragen wollte: "Also mehr aus einer Öko-Perspektive und weniger, um Geld zu sparen. Wobei die negativen Strompreise natürlich schon ein Faszinosum sind." Familie Seidel entschied sich aufgrund der Empfehlung eines Freundes dafür: "Der hat seine Wärmepumpe so programmiert, dass sie sich hauptsächlich zu günstigen Zeiten einschaltet. Er verwendet den Tarif schon seit drei Jahren."
Bei den Familien Gutscher und Z. standen wirtschaftliche Überlegungen im Fokus und Berechnungen wurden angestellt. "Für mich hat sich herausgestellt, dass die Fixpreistarife beim Strom allesamt eher auf der sicheren Seite für die Anbieter kalkuliert sind", sagt Herr Z.
Wem ein Floater empfohlen wird
Herr Seidel kommt zum selben Schluss: "Ich empfehle den Tarif eigentlich allen, weil man langfristig immer billiger kommt - zumal man sich die Absicherungskosten der Energieversorgungsunternehmen spart." Herr Z. vermutet, "dass wahrscheinlich 95 Prozent der Privathaushalte über ein ganzes Jahr gerechnet mit einem Floater immer besser aussteigen." Wenn man absolute Preissicherheit brauche, dann eigne sich ein Floater nicht.
Für Familie Gutscher ist ein Floater-Tarif empfehlenswert, wenn Großverbraucher wie Wärmepumpe oder E-Auto und ein Stromspeicher vorhanden sind, "idealerweise integriert in ein Smart-Home-System, das diese Prozesse vollautomatisch steuert". Interessierten müsse das Risiko von schwankenden Strompreisen bewusst sein, das nicht der Energieversorger wie bei fixen Tarifen glätte.
Familie G. würde dynamische Strompreise auch empfehlen, "aber es wäre schön, wenn die Anbieter auch eine Light-Variante anbieten würden, mit zwei Preisen pro Tag. Einen für die Stoßzeit, einen für die schwächeren Zeiten. Das würde auch Leute abholen, die nicht täglich am Handy die Preise nachschauen wollen."
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