"Abgehängt oder nur am Abhängen?": In Deutschland ist, auch vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels, eine Debatte über Jugendliche entbrannt, die weder erwerbstätig sind, noch eine Ausbildung machen. Im Fachjargon werden diese jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren Neets genannt (steht für "not in education, employment or training, deutsch: nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung). In einigen Medien ist gar von der "Generation Neet" die Rede, von "jugendlichen Nichtstuern", denen auch unterstellt wird, "mit Bürgergeld zu chillen".
Die deutsche Bertelsmann-Stiftung, die die Behauptungen einem Faktencheck unterzogen hat, widerspricht. Bei den Neets handle es sich zum größten Teil um unterstützungsbedürftige Jugendliche, deren Zahl vor allem coronabedingt zugenommen habe.
Auch Dennis Tamesberger von der Arbeiterkammer Oberösterreich, der zu dem Thema forscht, kann dem Gerede über jugendliche Nichtstuer nichts abgewinnen. Die Hälfte seien klassische Arbeitslose mit Arbeitswunsch und aktiver Suche. Sie seien Teil der klassischen Jugendarbeitslosigkeit, sagt der Experte, der zu dem Thema forscht. Ein fast ebenso großer Teil habe Betreuungspflichten oder gesundheitliche Probleme, die eine Integration am Arbeitsmarkt erschweren, sagt Tamesberger. Dazu kommen Absolventinnen und Absolventen in Warteposition.
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Wie groß ist die Gruppe der Neets in Österreich?
Laut Eurostat umfasste sie im vergangenen Jahr 9,1 Prozent der 15- bis 29-Jährigen. Auf die Bevölkerungsstatistik umgerechnet sind das knapp 140.000 Leute. In Deutschland ist die Quote mit 8,6 Prozent geringfügig niedriger. Besonders hoch ist sie in Rumänien mit 19,8 Prozent.
Das Risiko in die Gruppe der Neets zu fallen, steige vor allem durch einen frühen Schulabgang, sagt Tamesberger: "Wenn man maximal die Pflichtschule absolviert hat und keine weitere Ausbildung hat. Sobald man Lehre oder Matura hat, sinkt das Risiko deutlich." Dabei spiele auch der Bildungshintergrund der Eltern eine Rolle. Weitere Risikofaktoren seien Krankheiten oder Betreuungspflichten.
Die Neet-Rate entwickle sich zeitverzögert mit der Konjunktur, sagt der Experte: "Ist die Konjunktur gut, sinkt sie. Ist sie schlecht, steigt sie." Mit dem Konjunkturabschwung dürfte sie also nach oben gehen. Für Jugendliche, die aus dem System rausfallen und etwa ein halbes Jahr arbeitslos seien, sei es sehr schwer wieder reinzufinden, ergänzt Tamesberger.
Wie kann dem entgegengewirkt werden?
Der Experte empfiehlt präventive Maßnahmen, um einen frühen Schulabbruch zu vermeiden, etwa die Ganztagsschule. Alarmierend sei, dass die Zahl der frühen Schulabgänge zuletzt zugenommen hat.
Auch die in Österreich 2016 eingeführte Ausbildungspflicht sei ein richtiger Schritt gewesen. Allerdings gelte sie nur bis zum Alter von 18 Jahren. Danach würden die Maßnahmen nicht mehr greifen. "Sie sollte bis zum 24. Lebensjahr ausgeweitet werden."
Daneben brauche es Maßnahmen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik und mehr Mittel, etwa für die überbetriebliche Lehrlingsausbildung.
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