Geringfügige Beschäftigung: Kocher erhöht Druck auf Arbeitslose

Geringfügige Beschäftigung: Kocher erhöht Druck auf Arbeitslose
"Mangelnde Eigeninitiative" soll vom AMS sanktioniert werden. Verstärkte Kontrollen auch in Betrieben, die Arbeitslose geringfügig beschäftigen.

Mit verstärkten Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten soll das Arbeitsmarktservice (AMS) Arbeitslose mit geringfügigem Zuverdienst rascher in Jobs über der Geringfügigkeitsgrenze vermitteln. Das sieht ein entsprechender Erlass von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) vor. Gleichzeitig sollen Unternehmen, die auffällig viele arbeitslose Geringfügige beschäftigen, strenger kontrolliert werden, hieß es am Montag in einer Aussendung des Arbeitsministeriums.

AMS soll Vermittlung intensivieren

"Aufgrund des weiterhin bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangels und des hohen Niveaus an offenen Stellen soll die Vermittlung Arbeitsloser auf vollversicherungspflichtige Stellen durch das AMS intensiviert und zukünftig noch verbindlicher gestaltet werden", so Arbeitsminister Kocher. Geringfügig Beschäftigte, die Arbeitslosengeld beziehen, sollen sich zunächst im eigenen Betrieb um eine reguläre Arbeit bemühen. Wer dabei "mangelnde Eigeninitiative" oder "unplausible Reaktionen" zeigt, dem droht künftig die Streichung des Arbeitslosengeldes.

Arbeitslosengeld schneller sperren

Darüber hinaus sieht der Erlass vor, dass grobe Pflichtverletzungen - wie das Unterlassen von Bewerbungen, die Vereitelung der Arbeitsaufnahme oder die Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit oder Bildungsmaßnahme - künftig schneller zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes führen. Arbeitslose müssen künftig auch während der Sperrzeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Bisher hatte das AMS während der Sperrzeit die Vermittlung eingestellt.

Laut Ministerium waren 2022 rund 9 Prozent aller im Jahresschnitt 336.700 geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse mit einem Bezug aus der Arbeitslosenversicherung verbunden. Gleichzeitig gingen im Jahresdurchschnitt rund 10,5 Prozent bis 12 Prozent aller AMS-Leistungsbezieher, also Arbeitslose und Notstandshilfebezieher, einer geringfügigen Beschäftigung nach. Das sind rund 30.000 Personen. Die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ist seit 2009 um 18 Prozent gestiegen.

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Kontrolle auch bei Betrieben

Auch die Betriebe werden angehalten, Arbeitsplätze über der Geringfügigkeitsschwelle anzubieten. Dazu sollen einerseits Förderungen angeboten werden, andererseits könnte bei fehlender Kooperation auch ein Förderverbot ausgesprochen werden. Betriebe, die gleichzeitig offene Stellen haben und dennoch stark auf geringfügige Beschäftigung setzen, müssten mit schärferen Kontrollen rechnen. Weitere Auffälligkeiten würden der Finanzpolizei oder der Taskforce "Sozialbetrugsbekämpfung" gemeldet.

AK: Schikane lösen keine Probleme

Bei der Arbeiterkammer (AK) sorgt der Vorstoß von Kocher für Unverständnis. "Schikanen für Arbeitslose lösen keine Arbeitsmarkt-Probleme", sagt AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Stellungnahme.  Das  Arbeitslosenversicherungsgesetz sei bereits sehr streng und bedarf aus Sicht der AK keiner weiteren Verschärfungen.

„Eine geringfügige Beschäftigung ist für viele Arbeitssuchende die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Statt stärkeren Kontrollen und härteren Sanktionen, für diejenigen, die es ohnehin schon schwer haben, braucht es gezielte Vermittlung und treffsichere Qualifikationsmaßnahmen“, so Anderl.

Zankapfel Geringfügigkeit

Zur Erinnerung: Die Geringfügigkeit war erst im Dezember einer der Hauptgründe für das Scheitern der von ÖVP und Grünen fast ausverhandelten Arbeitsmarktreform. Die ÖVP wollte damals die Zuverdienstgrenze für Arbeitslose abschaffen, was die Grünen wiederum ablehnten.

Sie sehen darin ein wichtiges Instrument zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und zur Verhinderung des Abstiegs in die Armut. "Nachdem es zu keiner Einigung über eine umfangreiche Reform mit dem Koalitionspartner kam, agiert das Arbeits- und Wirtschaftsministerium nun im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten", hieß es nun aus dem ÖVP-geführten Ministerium zum Erlass.

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Grenze bei 500 Euro

Die Geringfügigkeitsgrenze liegt derzeit bei rund 500 Euro - wer weniger verdient, zahlt keine Sozialabgaben und Steuern. Die Geringfügigkeitsgrenze halte daher viele davon ab, ihre Arbeitsstunden aufzustocken, so eine wiederholte Kritik von Arbeitsminister Kocher. Zudem zeigten Analysen, dass Personen, die während ihrer Arbeitslosigkeit eine geringfügige Beschäftigung aufnehmen, länger arbeitslos bleiben und später im neuen Job weniger verdienen.

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