Reform der Arbeitslosenversicherung ist gescheitert

Reform der Arbeitslosenversicherung ist gescheitert
Kochers lange angekündigte Reform bleibt aus. Keine Einigung mit Grünen bei Beschränkung des geringfügigen Zuverdiensts.

Sie hätte eines der Herzstücke seiner Amtszeit werden sollen: Vor über einem Jahr kündigte Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) eine große Reform der Arbeitslosenversicherung an. Diese verzögerte sich immer wieder, hätte spätestens bis zum Sommer präsentiert werden sollen. Am Freitag gab Kocher vor Journalisten bekannt: "Die große Reform ist abgesagt."

Heißt: In den entscheidenden Punkten konnte man sich nicht mit dem grünen Koalitionspartner einigen. Der zentrale Streitpunkt sei der geringfügige Zuverdienst gewesen: Bezieher von Arbeitslosengeld dürfen in Österreich unbeschränkt einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen und rund 485,85 Euro pro Monat dazuverdienen. Etwa zehn Prozent der Arbeitssuchenden nehmen diese Möglichkeit wahr.

Das Wifo hat im Auftrag des Ministeriums die Auswirkungen verschiedener Modelle auf die Arbeitslosenversicherung berechnet. Laut Wifo würde bei einer Einschränkung des Zuverdienstes rund die Hälfte der Arbeitslosen wieder eine Arbeit annehmen. Kocher hätte den Zuverdienst gerne eingeschränkt, die Grünen waren strikt dagegen.

Alle Personen, die einen Zuverdienst vor der Arbeitslosigkeit hatten, hätten diesen unbegrenzt weiterführen dürfen. Für alle anderen Arbeitssuchenden "hätten wir den Zuverdienst auf zeitliche Begrenzungen beschränkt", so Kocher. "Der Knackpunkt war, dass beim Zuverdienst nur recht wenige Zugeständnisse möglich waren." Kocher habe ein differenziertes Modell mit sehr starken Einschränkungen vorgeschlagen, etwa eine zeitliche Begrenzung - als Anreiz, dass Arbeitslose wieder schneller einen Job annehmen.

Auch kein degressives Modell

Wer in Österreich arbeitslos wird, erhält Arbeitslosengeld in Höhe von 55 Prozent des letzten Monatsbezugs. Nach spätestens 52 Wochen fällt man in die Notstandshilfe von 92 Prozent des Arbeitslosengeldes. Kocher hätte ein degressives Modell vorgeschlagen: Wer arbeitslos wird, erhält in den ersten drei Monaten 70 Prozent des letzten Monatsgehalts. Einschränkung: Zu Beginn der Arbeitslosigkeit gilt eine Karenzzeit - etwa von sieben bis zehn Tagen.

Neue Arbeitslose hätten damit einige Tage keinen Arbeitslosengeldbezug gehabt und damit im ersten Monat ein Drittel weniger bezogen. Das hätte verhindern sollen, dass es durch das neue Modell attraktiver wird, Arbeitslose in der Arbeitslosenversicherung zwischenzuparken. Man wäre erst nach sechs Wochen Arbeitslosengeldbezug gegenüber dem alten Modell bessergestellt worden.

Nach drei Monaten wären Arbeitslose wieder auf 55 Prozent gefallen. Die Dauer bis zur Notstandshilfe hätte sich nicht geändert. Woran ist es beim degressiven Modell gescheitert? Die Grünen hätten der Karenzzeit in dieser Form nicht zugestimmt. Dem Vernehmen nach hat die Energiekrise bei den Grünen auch dazu geführt, ihre Position wieder zu verhärten und andere Reformen im Gegenzug einzufordern.

"Verspüre keine große Leere"

"Ich glaube, es wäre ein gutes Zeitfenster gewesen", sagte Kocher, dessen Prestigeprojekt damit gescheitert ist. Die Reform hätte für die nächsten zehn bis 20 Jahre gewirkt. Es sei klar gewesen, "dass es nicht ganz einfach wird", so Kocher. "Es ist nicht so, dass ich jetzt eine große Leere verspüre."

Es habe keinen Sinn gemacht, "endlos lange über etwas zu verhandeln, wo es keine Einigung gibt", so Kocher. Das Modell wäre weitestgehend kostenneutral gewesen, meinte Kocher: "Es wäre insgesamt nicht viel teurer geworden."

Ein paar kleinere Schritte wolle Kocher nun selbst setzen. Er wolle etwa einen Fokus auf Personen mit Zuverdienst bei der Vermittlung legen. Es gebe zudem die Möglichkeit, die Gültigkeitsdauer von Einstellungszusagen einzuschränken. Und: Mit der ÖGK und der Finanzpolizei soll eine Taskforce gegen Leistungsmissbrauch gebildet werden.

Loacker: "So hat unser Land keine Zukunft"

Nach der geplatzten Reform hagelte es aus der Opposition heftige Kritik an der Regierung gehagelt. Die SPÖ sprach von "Versagen" und "leeren Ankündigungen". Für die FPÖ hat das "Beste aus den beiden Welten wieder einmal versagt".

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker sprach von einer dringend notwendigen Reform, damit Österreich wettbewerbsfähig und das Sozialsystem finanzierbar bleibe. "Doch mit dieser Bundesregierung gibt es keine Reformen und keinen Fortschritt, nur Stillstand. So hat unser Land keine Zukunft."

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