Warum sich viele Österreicher ihr Eigenheim bald aufzeichnen können
130 Milliarden Euro haben Österreicherinnen und Österreicher aktuell an Wohnbaukrediten aufgenommen. Und das Gesamtvolumen legt laufend zu (siehe Grafik), auch, weil die Konditionen sehr günstig sind. Noch. Das könnte sich aber ändern, zudem steigen die Immobilienpreise sukzessive an – Marktbeobachter sehen eine Preisblase. Die Finanzmarktaufsicht will daher ab Juli mittels Verordnung die Neuvergabe einschränken. Was das für Kreditnehmer, den Immobilienmarkt und Banken bedeutet, beantwortet der KURIER.
Wie sehen die Verschärfungen für Kreditnehmer konkret aus?
Für alle, die schon einen Kredit haben, ändert sich nichts. All jene, die ab Juli ein Darlehen beantragen, müssen mindestens 20 Prozent des Kaufpreises (inklusive Nebenkosten) in Form von Eigenkapital nachweisen können. Die Kreditrate darf höchstens 40 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens ausmachen und die Laufzeit der Finanzierung 35 Jahre nicht übersteigen. Es wird dabei je nach Lebenssituation der Kreditnehmer auch einen kleinen Spielraum für Ausnahmen geben. Die geplanten Richtlinien bei der Kreditvergabe sind im Grunde nicht neu – die bisher lediglich empfohlenen Mindeststandards bei der Neuvergabe von Krediten wurden von vielen Banken zuletzt nur lax gehandhabt.
Warum werden die Vergaberichtlinien für Immobilienkredite verschärft?
Schon seit geraumer Zeit warnt die Oesterreichische Nationalbank vor einer Überhitzung am heimischen Immobilienmarkt. Er ist laut OeNB österreichweit um 23 Prozent überbewertet, mit der Spitze in Wien um 31 Prozent. Die Löhne steigen jedoch bei weitem nicht im selben Ausmaß. Für den Kauf einer durchschnittlichen Wohnung braucht man schon 10,6 Jahresbruttogehälter. Noch mehr sind europaweit nur in Tschechien und der Slowakei nötig. Daher ist der Anteil des nötigen Kredits an der Kaufsumme sukzessive gestiegen. Mehr als die Hälfte der Kreditnehmer hat weniger als 20 Prozent Eigenfinanzierungsanteil und fast ein Fünftel wendet für die Tilgung der Rate mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens auf. Die Laufzeiten betragen jedoch nur in wenigen Fällen mehr als 35 Jahre. Das bedeutet, die monatlichen Raten sind ziemlich hoch.
Was können die Folgen daraus sein?
Bei Krankheit oder Jobverlust kann möglicherweise der Kredit nicht mehr zurückgezahlt werden, es droht der Verlust der Immobilie. Selbiges kann passieren, wenn die Zinsraten steigen. Fast 40 Prozent der Immokredite sind komplett variabel verzinst (Eurozone 14 Prozent). Variable Verzinsungen sind zwar günstiger (siehe Grafik), jedoch an die Marktzinsen in der Eurozone gebunden. Diese sind seit Jahren im Nullbereich, doch das dürfte nicht mehr lange der Fall sein. Zu Jahresende soll es auch in der Eurozone so weit sein. Variable Verzinsungen werden dann entsprechend höher verzinst. Dazu ein Beispiel: bei einem variabel verzinsten Kredit von 200.000 Euro sind im Monat zwar um 31 Euro weniger zu zahlen als bei einem fix verzinsten Kredit. Allerdings gilt dies unter der Annahme, dass die Zinsen für 20 Jahre gleich bleiben. Sollten die Zinsen jedoch nach drei Jahren von 1 auf 5 Prozent anziehen, muss bei variabler Verzinsung monatlich um 358 Euro mehr bezahlt werden. Das entspricht einer Steigerung der monatlichen Belastung um 39 Prozent. Auf die gesamte Laufzeit berechnet wären das Mehrkosten von 77.324 Euro.
Was heißt das alles für die Banken?
Laut OeNB ist das Kreditwachstum im Vergleich zum BIP-Wachstum „weiterhin zu hoch“. Das Volumen der neu vergebenen Wohnbaukredite erhöhte sich binnen eines Jahres um 37 Prozent auf 16,9 Milliarden Euro, in Summe sind 130 Milliarden Euro ausstehend. Ein zusätzlicher Kapitalpuffer muss aber vorerst – im Gegensatz zu Deutschland – nicht gebildet werden. Die Aufsicht hofft, mit den getroffenen Maßnahmen der rasanten Entwicklung Einhalt zu gebieten.
Seit fünf Quartalen steigen die Immobilienpreise in Österreich im Ausmaß von rund zehn Prozent. Werden die strengeren Richtlinien den Höhenflug einbremsen?
Der Höhenflug hat viele Gründe – unter anderem sind Investoren mangels Alternativen am Kapitalmarkt in Betongold geflüchtet. „Die weitere Preisentwicklung ist von einem Zusammenspiel vieler Faktoren abhängig. Neben der Höhe der Zinsen etwa die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nach Corona, der Jobmarkt nach Auslaufen der Kurzarbeit und die Wirtschaft nach Auslaufen der Stützungsmaßnahmen sowie der weitere Pandemieverlauf generell, sagt Karin Wagner, Immobilienexpertin der Oesterreichischen Nationalbank. Die neuen Richtlinien seien hier nur ein Puzzle-Stein.
Pessimisten könnten argumentieren, dass die Wirtschaft nicht so schnell anspringt und viele Kunden ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Ist das ein realistisches Szenario und könnten damit zusätzliche Wohnungen auf den Markt kommen, die das Preisniveau senken?
Unwahrscheinlich. Österreich hat im Vergleich zu anderen Ländern eine niedrige Verschuldensquote, laut OeNB liegt diese bei 53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (im Euro-Raum bei 69 Prozent). Wagner: „Dazu kommt, dass vor allem Haushalte mit hohem Einkommen hohe Schulden haben. Diese haben in der Regel einen gewissen Polster und sind nicht so schnell gezwungen zu verkaufen.“
Österreich hat die höchste Neubauquote Europas. Gibt es bereits ein Überangebot an Wohnungen?
2021 gab es österreichweit ein Überangebot von knapp 40.000 Wohnungen, heuer dürfte dieses auf 66.000 steigen. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. In Wien übersteigt die Nachfrage nach wie vor das Angebot.
Ist Österreich eigentlich ein Miet- oder Kaufmarkt?
Kommt ganz drauf an, wo man wohnt. Im Burgenland liegt die Eigentumsquote bei 86, in Wien bei nur 20 Prozent. „Österreichweit liegt die Eigentumsquote bei 49 Prozent, wobei zwei Drittel der Wohnungen gefördert sind“, erläutert Wagner.
180.000 Euro
Der durchschnittliche Neukredit für Wohnraumbeschaffung und -erhalt betrug im ersten Halbjahr 2021 laut OeNB 180.000 Euro. Die durchschnittliche Laufzeit eines Kredits mit Fixzins bis zu einem Jahr betrug 13 Jahre, bei Bindung von mehr als zehn 10 Jahren sind es 22 Jahre.
Bestand
Von den 130 Mrd. Euro an vergebenen Wohnkrediten sind 8 Mrd. völlig fix verzinst, 55 Mrd. fix und variabel und 67 Mrd. völlig variabel verzinst (52%).
Neuvergabe
Im Vorjahr wurden 27,7 Mrd. Euro an neuen Wohnkrediten vergeben, davon 9,5 Mrd. völlig variabel verzinst (37%).
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