Warum sich Notenbanker im Kampf gegen die Inflation jetzt so schwer tun
In Europa steigt das Risiko einer Stagflation, also einer wirtschaftspolitisch schwierig zu bekämpfenden Phase mit anhaltend hohen Preisen bei gleichzeitig stagnierender oder sogar schrumpfender Wirtschaft. So wird etwa in Deutschland schon länger befürchtet, dass die Wirtschaft wegen des Krieges in der Ukraine, den hohen Energie- und Rohstoffpreisen oder den anhaltenden Lieferkettenproblemen in eine Rezession abgleiten könnte. Gleichzeitig bleiben Haushalten und Unternehmen aber die hohe Teuerung auf mittlere Sicht erhalten.
Diesen giftigen Cocktail bezeichnet man als Stagflation, ein Kunstwort aus Stagnation und Inflation. „So eine Situation macht es für die Notenbanken besonders schwierig, hier den richtigen Kurs zu finden“, sagt WIFO-Ökonom Josef Baumgartner im KURIER-Gespräch. Einerseits gilt es, mit den angekündigten weiteren Zinssteigerungen die Inflation zu bekämpfen, ohne auf der anderen Seite das Wirtschaftswachstum vollständig abzuwürgen.
Rund um das US-Notenbank-Treffen in Jackson Hole, Wyoming, wird dieses Schreckgespenst erneut diskutiert. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) bekämpft die hohe Inflation mit steigenden Zinsen. Sie hat zuletzt zwei ungewöhnlich große Zinsschritte in Folge unternommen und will am 21. September nachlegen. Das bekräftigte Fed-Chef Jerome Powell in seiner Rede am Freitag. „Die Wiederherstellung der Preisstabilität wird für einige Zeit eine restriktive Geldpolitik nötig machen.“ Dazu müssten die Werkzeuge „kraftvoll“ genutzt werden.
An den Finanzmärkten geht aber bereits die Furcht um, dass weitere Erhöhungen die weltweite Wirtschaft schwächen und möglicherweise eine Rezession auslösen könnten. Daher gibt es auch Experten, die erwarten, dass Fed-Chef Jerome Powell 2023 wieder mit Zinssenkungen beginnen könnte. Das Argument lautet: „Die US-Inflation hat eigentlich schon den Plafond erreicht und ist auch schon in den Löhnen angekommen, insbesondere im Niedriglohnsektor“, sagt Baumgartner.
Powell dazu: „Irgendwann wird es auf dem Weg der Zinserhöhungen angebracht sein, das Tempo zu verlangsamen.“ Eine völlige Trendumkehr ist das aber nicht.
Andere Situation
In Europa ist laut Baumgartner die Situation eine völlig andere. Hier hat die Inflation noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht. Denn die drastisch gestiegenen Großhandelspreise bei Strom und Gas wurden noch nicht vollständig auf Haushalte und Betriebe überwälzt. Dazu kommen zu erwartende kräftige Lohnsteigerungen.
Insofern erwartet Baumgartner bis ins Jahr 2026 Teuerungsraten, die klar über dem EZB-Inflationsziel von zwei Prozent liegen werden – bei gleichzeitig immer schwächer werdender Konjunktur. Werden heuer noch vier Prozent BIP-Wachstum erwartet, so dürften es 2023 maximal 1,5 Prozent werden. Baumgartner: „Es ist nicht auszuschließen, dass wir einige Quartale mit stagnierender oder sogar schrumpfender Wirtschaft sehen werden.“
Die Zinsanhebung durch die EZB im Juli war die erste Erhöhung der Leitzinsen seit elf Jahren. Seither haben sich die Inflationserwartungen nicht verbessert, im Gegenteil. Damit dürfte bei der kommenden EZB-Sitzung am 8. September erneut eine kräftige Zinsanhebung notwendig sein. Laut Reuters wollen einige Währungshüter sogar eine Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte ins Spiel bringen. Selbst wenn es so deutlich nicht werden dürfte, scheinen 0,5 Prozentpunkte so gut wie fix zu sein. Werde jetzt zu wenig getan, so meinen Insider zu der Agentur, müsse später noch kräftiger gegengesteuert werden bei einem noch größeren volkswirtschaftlichen Schaden.
USA
Die US-Notenbank Fed erhöhte seit der Zinswende im März das geldpolitische Niveau stetig. Es liegt inzwischen in der Spanne von 2,25 bis 2,50 Prozent. Am 21. September steht die nächste Erhöhung an. Sie soll 0,5 oder 0,75 Prozentpunkte ausmachen. Die Inflation lag im Juli bei 8,5 Prozent nach 9,1 Prozent im Juni
Eurozone
Die Europäische Zentralbank geht es langsamer an. Sie leitete die Zinswende erst im Juli ein, der Leitzins beträgt derzeit 0,5 Prozent. Die nächste Erhöhung ist am 8. September. Die Inflation betrug im Juli 8,9 Prozent
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