Warum Österreichs Firmen in Saudi-Arabien nach Geldquellen bohren
Nach den Schlagzeilen über 81 Hinrichtungen binnen eines Tages habe sie kurz überlegt, die Wirtschaftsdelegation nach Saudi-Arabien abzusagen, sagt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im KURIER-Gespräch. Doch die Reise sei langfristig geplant gewesen, das Interesse mit rund 30 teilnehmenden Firmen aus Österreich so groß wie nie zuvor.
Aktuell sind laut dem Wirtschaftsdelegierten in Riad 400 Firmen aus Österreich in Saudi-Arabien tätig, vor Ausbruch der Pandemie waren es bis zu 600. Eine Zahl, die in absehbarer Zeit wieder erreicht werden soll. Schließlich erwartet der Golfstaat für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5,7 Prozent, nach 3,3 Prozent im Vorjahr.
Bis zum Jahr 2030 will Saudi-Arabien die Hälfte seines Energiebedarfs mit Erneuerbaren Energien decken – ein Grund, warum, Michael Kraus hier für die Umsetzung eines grünen Wasserstoffprojekts Potenzial sieht. Die Details werden gerade ausverhandelt, Saudi-Arabien habe bereits eine Finanzierungszusage gegeben, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Donau-Finanz. Er hat seit jeher gute Geschäftsbeziehungen nach Saudi-Arabien. Schon seit Vater kannte den Urgroßvater des heutigen Kronprinzen Mohammed bin Salman al-Saud. Dieser hatte in der Hinterbrühel ein Anwesen, plaudert Kraus aus dem Nähkästchen.
Frage der Transparenz
In den früheren alten Machtstrukturen – im Wesentlichen teilten sich die rund 4.000 Blutsverwandten des Königs die Macht und die Geschäfte unter sich auf - seien Geschäfte in der Region für Außenstehende undurchsichtig und damit unberechenbar gewesen, sagt Kraus. Das habe sich mit dem neuen Kronprinzen zum Besseren gewandelt. Er wisse, dass es mehr Transparenz braucht, um sein ambitioniertes Ziel zu erreichen. Und am Weg dorthin internationale Partner zu gewinnen.
Aktuell ist Saudi-Arbien in der Liste der größten Volkswirtschaften der Welt auf Platz 19, bis zum Jahr 2030 will der Kronprinz sein Königreich auf Platz 15 vorrücken. Das Land, das sich erst kürzlich für den Tourismus geöffnet hat, will in acht Jahren 10 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts im Tourismussektor erwirtschaften und bis dahin Milliarden in den Sektor pumpen. Nur ein Bereich, in dem Geld aus dem staatlichen Investitionsfonds fließen soll. "Wir sind das größte Autoland der Welt, das keine eigene Autoproduktion im Land hat. Das wird sich ändern", sagt ein Vertreter des Investitionsministeriums bei einem Businss-Forum in Riad.
Die Wirtschaft soll im Eiltempo neu aufgestellt werden. Von mehr als 500 anstehenden Reformen, die das Geschäft und die wirtschaftliche Zusammenarbeit erleichtern sollen, sind bereits 77 Prozent umgesetzt, tönt es aus dem saudischen Investitionsministerium. Die Umwälzung der Wirtschaft geht mit einer kulturellen und gesellschaftlichen Umwälzung einher, sagen Unternehmer vor Ort. Die Zeiten, in denen Frauen nicht allein unterwegs sein durften, seien definitiv vorbei.
„Die Entwicklung, für die Europa 300 Jahre gebraucht hat, macht Saudi-Arabien gerade im Stakkato-Stil durch“, findet etwa Kraus. So dürfen Frauen erst seit ein paar Jahren Autofahren und sind mittlerweile in den Arbeitsmarkt integriert. Aktuell sind 31 Prozent der arbeitenden Bevölkerung Frauen, das Ziel von 30 Prozent bis zum Jahr 2030 wurde bereits erfüllt. Und in den nächsten acht Jahren sollen 170 Milliarden Dollar in grüne Energien investiert werden.
Auf die Frage, wie er zu den jüngsten Hinrichtungen steht, sagt Kraus: „Ich bin ein Mann der Wirtschaft, kein Politiker.“ Und als solches wolle er gemeinsam mit seinen Projektpartnern - Siemens Österreich, die Wiener Wasserstoff GmbH und die Tiroler Firma ILF - in Saudi Arabien grünen Wasserstoff aus Sonnenenergie gewinnen. Läuft alles nach Plan, könnte 2024 das erste LNG aus Saudi-Arabien per Schiff Richtung Europa und Österreich transportiert werden, ist Kraus zuversichtlich.
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