Margarete Schramböck: „Dieser freie Markt funktioniert nicht mehr“

Margarete Schramböck: „Dieser freie Markt funktioniert nicht mehr“
Die Wirtschaftsministerin zur Bevorratung von Gas und dem Hoffnungsmarkt Saudi-Arabien

KURIER: VW-Chef Herbert Diess geht davon aus, dass der Krieg in der Ukraine Europas Wirtschaft stärker treffen wird als die Pandemie. Stimmen Sie ihm zu?

Margarete Schramböck: Laut Wirtschaftswissenschaftlern sind etwa 0,5 bis 0,8 Prozent der österreichischen Wertschöpfung direkt von den Sanktionen betroffen. Aber er hat schon recht, weil es viele indirekte Effekte geben wird.

Zum Beispiel?

Etwa in der Autoindustrie, wo Kabelbäume aus der Ukraine fehlen. Da werden jetzt Produktionen in andere Ländern, etwa Marokko, hochgefahren. Die Auswirkungen auf die Industrie werden durch solche indirekten Effekte viel gravierender sein als in der Corona-Pandemie.

Video: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck zu Gast im Checkpoint bei Simone Hoepke

Wegen der hohen Gaspreise hat die erste Fabrik in der Steiermark geschlossen. Erst der Anfang?

Die Energiepreise sind eine massive Herausforderung, da muss etwas getan werden. Ich habe schon vor der Ukraine-Krise eine Bevorratung von Gas gefordert.

Österreich kann einen Jahresbedarf an Gas speichern …

... im Gegensatz zu Deutschland, das nur ein Drittel seines Jahresbedarfs bevorraten kann. Bisher hat die Einlagerung in Österreich funktioniert, im Sommer ist zu günstigen Preisen eingelagert worden. Aber wenn die Preise so stark und kontinuierlich steigen wie jetzt, funktioniert dieser freie Markt nicht mehr.

Wie soll die Bevorratung konkret ausschauen?

Aus meiner Sicht müssen die Speicher zu 80 Prozent voll sein.

Einziges Problem: Zu den aktuellen Preisen will niemand die Speicher füllen. Wer soll die Zeche zahlen – der Steuerzahler? Natürlich muss der Staat einspringen. Das kostet etwas. Aber es ist viel teurer, wenn wir irgendwann in eine Situation kommen, in der die Betriebe überhaupt kein Gas mehr bekommen. Das möchte ich mir gar nicht vorstellen. Viele Arbeitsplätze würden verloren gehen.

Brauchen Firmen nach Corona-Hilfen nun Hilfen zur Abfederung der Folgen des Ukraine-Kriegs?

Aus meiner Sicht ja. Was wir brauchen, sind Überbrückungsgarantien. Das Instrument der Kurzarbeit steht bis Ende Juni zur Verfügung. Aus meiner Sicht müssen wir die Kurzarbeit dann verlängern. Ich kann nur jedem Unternehmen raten, sie zu nutzen.

Wo sehen Sie kurz- und mittelfristig neue Hoffnungsmärkte für Österreich?

Unter anderem im arabischen Raum, deswegen sind wir nächste Woche mit einer Wirtschaftsdelegation in Saudi Arabien. Es geht um Partnerschaften im Bereich Energie – um grünen Wasserstoff, Solar – sowie um Umweltschutz-Technologien.

Welche Bedeutung hat Saudi-Arabien als Wirtschaftspartner?

Noch eine geringe. Die Geschäftsbeziehungen Saudi-Arabiens gehen stark Richtung USA, China und Asien. Aber der Markt wächst und hat einen enormen Bedarf, die Transformation von Gas und Öl hin zu neuen Zukunftstechnologien, zu machen. Unsere Unternehmen sehen da eine große Chance.

Wir haben einen hohen Anteil an Erneuerbaren, dank Wasserkraft. Doch Genehmigungsverfahren dauern gefühlt ewig ...

Sie sind nach 100 oder 150 Monaten noch immer nicht abgeschlossen. Im Gesetz steht, dass diese Verfahren sechs beziehungsweise neun Monate dauern dürften. Nur hält sich der Staat selbst nicht an seine Vorgaben. Die Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden.

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