Warum es heuer zu einem Rekord an Pleiten kommen wird

Österreich steuert heuer auf eine neue Pleitewelle zu. Die Unternehmensinsolvenzen sind im ersten Halbjahr 2024 um 27,53 Prozent gestiegen, die eröffneten Insolvenzverfahren sogar um 35,35 Prozent. Oder anders gesagt: Jede Woche werden 81 Firmeninsolvenzen eröffnet.
"Die österreichische Wirtschaft ist derzeit geprägt von einer weiterhin bestehenden Konsum- und Investitionszurückhaltung, einer anhaltenden Industrierezession, einem leichten Rückgang des BIP im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr und einer steigenden Arbeitslosigkeit. Trotz einer nun endlich sinkenden Inflation und einer von der EZB beschlossenen Zinssenkung ist weiterhin ein „Inflationsschock“ feststellbar, welcher gepaart mit einer zunehmenden Angst vor einem Arbeitsplatzverlust dazu führt, dass sich heimische Konsumenten in Kaufzurückhaltung bei Konsumgütern üben", so der AKV. "Die hohen Zinsen haben zudem die Bauwirtschaft in eine Krise geführt. Die KIM-Verordnung und eine fehlende Kreditnachfrage aufgrund der verschärften Kreditvergaberichtlinien haben die Bewilligungen von Neubauten auf einen jahrzehntelangen Tiefststand fallen lassen."
„Wir sind heuer auf dem besten Weg, einen neuen Pleitenrekord seit 15 Jahren mit 7.000 Insolvenzen aufzustellen. Die vergangenen zwei Monate waren etwas schwächer als die ersten vier Monate“, sagt Franz Blantz vom AKV zum KURIER. „Die Milliardenpleiten nehmen mittlerweile zu, die Passiva von fünf Großinsolvenzen sind jeweils höher als eine Milliarde Euro.“ Dazu muss man wissen, dass vier Milliardenpleiten auf René Benko und das zusammengebrochene Signa-Imperium entfallen und ein weitere Großpleite auf den E-Autobauer Fisker mit Sitz in Graz. Allein der Einzelunternehmer René Benko ist mit Gläubigerforderungen in Höhe von 2,425 Milliarden Euro konfrontiert. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2024 rund 11,5 Milliarden Euro Passiva angemeldet. Nur ein Bruchteil der Gläubigerforderungen wurden bisher anerkannt.
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Fisker-Sanierung?
„Im Fall Benko wird es allein aufgrund der anhängigen Schiedsverfahren Jahre dauern, bis die Höhe der Verbindlichkeiten feststeht“, sagt Blantz. „Bei der Firma Fisker mit 1,5 Milliarden Euro Forderungen steht man unter Zeitdruck, da sind beträchtliche Forderungen nachträglich angemeldet worden. Man will in die Abstimmung über den Sanierungsplan gehen.“ Am 8. August sollen die Gläubiger über das Schicksal von Fisker entscheiden. Ihnen werden 30 Prozent Quote geboten.
Da im Fall Signa Prime die Hoffnung auf Erfüllung der Sanierungsplanquote (30 Prozent) vom Oberlandesgericht Wien abschlägig beurteilt wurde, wird es auch im Fall Fisker spannend, ob ein Hoffnungssanierungsplan vom Grazer Gericht abgesegnet wird.
Indes gibt es bei den eröffneten Firmeninsolvenzen in allen Bundesländern ein Plus, in Vorarlberg sind es 110 Prozent, in Oberösterreich und dem Burgenland plus 60 Prozent und in Wien plus 43 Prozent.
„Außer in Oberösterreich sehe ich keinen wirtschaftlichen Hintergrund dafür“, sagt Blantz. Es würden vermehrt nämlich die öffentlichen Stellen wie die Finanz und Gesundheitskassen die Anträge stellen. 55,67 Prozent aller Firmeninsolvenzen wurden heuer über Gläubigerantrag eröffnet. „Oberösterreich ist das einzige Bundesland, in dem es im industriellen Bereich mehrere Großinsolvenzen gab“, sagt Blantz. „Man merkt die Rezession in der Industrie, das ist markant.“
Zahlungsunfähigkeit
Im Branchenranking führt der Handel mit 529 Pleiten das Feld an, gefolgt vom Bau (493 Fälle) und der Gastronomie (356 Fälle). „In den vergangenen Wochen merkten wir wieder mehr Pleiten in der Baubranche, über das Jahr gesehen wird die Baubranche den Handel überholen“, sagt Blantz. Der Handel leidet unter der Konsumflaute und der starken Konkurrenz durch den Onlinehandel. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 1.577 Firmeninsolvenzverfahren abgeschlossen, davon wurden 28,8 Prozent mit einem Sanierungsplan abgeschlossen. Im Schnitt beträgt die Quote 42,10 Prozent. „Das ist ein Wert, der international unerreicht ist“, sagt Blantz.
Indes erweist sich die 2021 eingeführte Einstufung „Offenkundige Zahlungsunfähigkeit (OZ)“ eher als Rohrkrepierer. Sie stoppt bei zahlungsunfähigen Schuldnern aussichtslose Exekutionsverfahren. In weiterer Folge sollten diese Schuldner Insolvenzverfahren beantragen. Doch in 70 Prozent der Fälle wird diese Einstufung nach zwei Jahren wieder gelöscht, ohne dass ein Insolvenzantrag gestellt wurde.
Laut Blantz macht die OZ nur dann Sinn, wenn es zu amtswegigen Insolvenzeröffnungen kommt.
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