Warum Dieselautos sauberer sein könnten als ihr Ruf es ist
Der Straßenverkehr ist im März in Deutschland und Österreich wegen der Corona-Beschränkungen um teils mehr als die Hälfte zurückgegangen. Naheliegend also, dass auch der Schadstoffausstoß entsprechend weniger wurde. Doch eine deutsche Untersuchung zeigt, dass dies nur bedingt gilt. Mehr noch: Es traten Auffälligkeiten zutage, die das gesamte Messverfahren infrage stellen. Der ÖAMTC will nun auch in Österreich Klarheit.
Der Forscher Martin Schraag zog die Werte an einer Stuttgarter Messstelle heran und machte dabei die Entdeckung, dass trotz eines Verkehrsrückgangs von 40 Prozent die Messstelle sehr hohe Werte bei Stickstoffdioxid (NO2) verzeichnete. Für diesen sind vor allem ältere Diesel-Modelle verantwortlich.
Schraag verglich infolge die März-Werte mit den Wetterdaten und machte eine erstaunliche Entdeckung. Nicht die vorbeifahrenden Fahrzeuge, sondern das Wetter seien an den Spitzenwerten, zum Teil mitten in der Nacht, schuld, wie er gegenüber dem Magazin Focus sagt.
Denn es bilde sich bei schwachen Winden ein NO2-Bach, der in einem NO2-See direkt bei der Messstelle mündet. Dieser bleibe auch bei geringstem Verkehr bestehen und sorge so für stark verzerrte Messungen.
Schraag weist zudem darauf hin, dass in der Region nur noch 25 Prozent aller zugelassenen Diesel älter als fünf Jahre seien. Auch aus diesem Grund sind für ihn „Fahrverbote schon heute Makulatur“.
Österreich
ÖAMTC-Experte Bernhard Wiesinger berichtet ebenfalls über nicht nachvollziehbare Auffälligkeiten an heimischen Messstellen. „Am Hietzinger Kai gibt es oft um 6 Uhr morgens eine Stickstoff-Spitze, aber keine Verkehrsspitze.“
Weiteres Beispiel ist an der Inntalautobahn in Vomp, wo sich das Messgerät direkt neben der Beschleunigungsspur von einem Lkw-Parkplatz findet. „200 Meter entfernt befindet sich ein anderes Gerät, da gibt es nie Überschreitungen“, sagt Wiesinger.
Oder der Linzer Römerbergtunnel, wo das Messgerät beim Tunnelportal platziert ist. Der ÖAMTC hat nun laut Wiesinger die TU Wien auf Basis der deutschen Erkenntnisse mit einer Studie zu den österreichischen Auffälligkeiten beauftragt.
Nicht alleiniger Missetäter
Der beauftragte Studienleiter Bernhard Geringer, Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik, sagt dazu auf KURIER-Nachfrage. "Die deutsche Erhebung zeigt exakt etwas auf, was Fachleute schon immer wissen: Grundsätzlich gehen die Schadstoffimmissionswerte stark aus dem Verkehr zurück und der Verkehr ist einer, aber nicht der alleinige 'Missetäter'. Bei Partikel bestenfalls 15 bis 20 Prozent und bei Stickoxiden 30 bis 60 Prozent je nach Ort und sonstiger Emittenten."
Kritischer sieht der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) das deutsche Ergebnis. Schraag sei offenbar ein Experte für Elektrotechnik, „jedoch nicht für Schadstoffe“, sagt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. Nicht das Wetter, sondern der Verkehr sei der mit Abstand größte NO2-Verursacher.
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