Von Rockefeller bis Gates: Wenn Superreiche Milliarden spenden
Mit seiner Ankündigung, umgehend 20 Mrd. Dollar (rund 20 Mrd. Euro) an seine Stiftung zu geben, macht Bill Gates erneut ernst mit seiner Ankündigung, „praktisch mein ganzes Vermögen“ zu spenden. Der Microsoft-Gründer ist jedoch nur einer von vielen Milliardären, die sich ähnliche Ziele gesetzt haben. Im Silicon Valley und darüber hinaus baut sich ein Philanthropie-Wettkampf nach dem Vorbild Carnegies und Rockefellers auf.
Lange Tradition
Das Ende des 19. und der Anfang des 20. Jahrhunderts werden in den USA oft „Gilded Age“, also „Vergoldetes Zeitalter“ genannt. Der Grund dafür liegt in dem enormen wirtschaftlichen Aufschwung, den das Land in dieser Zeit durchmachte. Ein Aufschwung, der die ersten Tycoons, einflussreiche und vermögende Unternehmer, hervorgebracht hat.
Die bekanntesten darunter sind zweifelsohne Andrew Carnegie, der Vater der amerikanischen Stahlindustrie, und John D. Rockefeller, dessen Standard Oil zeitweise fast den gesamten amerikanischen Erdölmarkt kontrollierte. Doch besonders Carnegie bleibt auch wegen einem anderen Grund im Gedächtnis: 1889 veröffentlichte er einen Artikel, in dem er schreibt „He who dies rich, dies disgraced.“ – Wer reich stirbt, stirb in Schande.
Es ist dieses Mantra, das geradezu einen Wettlauf der Superreichen auslöste, Superspender zu werden. Carnegie und Rockefeller lieferten sich ein Rennen um die ausschweifendste Großzügigkeit, so gründete der Stahl-Tycoon über 2.800 öffentliche Bibliotheken, während der Öl-Titan für die University of Chicago sowie die Entwicklung von Impfungen gegen Meningitis, Gelbfieber und weitere Krankheiten verantwortlich ist.
Die Motivationen der Geber beschreibt Mark Dowie, Autor von American Foundations, einem bedeutenden Buch über wohltätige Stiftungen, als „Schuldgefühl, Narzissmus, Paternalismus, der Wunsch nach Unsterblichkeit… und eine Liebe zur Menschheit.“
Heute sieht die Situation ähnlich aus. Gates und Co. treten in die Fußstapfen der großen Geber und überflügeln sie dabei sogar. Die Bill & Melinda Gates Foundation verfügt nun über circa 70 Mrd. US-Dollar, weit mehr als die Rockefeller- und Carnegie-Stiftungen zusammen.
Ihr Fokus liegt dabei auf der Bekämpfung von Krankheiten rund um den Globus. Sie zeigt sich beispielsweise für die weitgehende Ausrottung von Polio sowie die Forschung an Impfstoffen gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria verantwortlich. Auch die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Covid-19 wurde mit über 200 Millionen Dollar unterstützt.
Versprechen, zu geben
Doch der Tech-Milliardär ist bei weitem nicht allein mit seiner Spendentätigkeit, ein Fakt, zu dem er selbst viel beigetragen hat. 2010 riefen er und Warren Buffett, Gründer der Holding Berkshire Hathaway und einer der reichsten Menschen der Welt, The Giving Pledge ins Leben.
Das Versprechen, zu geben ist „ein Versprechen der reichsten Personen und Familien der Welt, den Großteil ihres Vermögens zu spenden“. Zu den Unterzeichnern gehören Namen wie Micheal Bloomberg oder Mark Zuckerberg.
Zuckerberg und seine Frau Priscilla Chan, die ihren Reichtum durch Facebook erworben haben, wollen 99% ihres Vermögens für gute Zwecke geben. Die Chan Zuckerberg Initiative hat seit ihrer Gründung 2015 tatsächlich bereits 3 Mrd. Dollar gespendet und für dieses Jahrzehnt weitere 3,4 Mrd. angekündigt.
Der Facebook-Mitgründer Dustin Muskovitz hat über die gemeinsam mit seiner Frau Cari Tuna gegründete Stiftung Good Ventures bereits 1,44 Mrd. Dollar für Justizreform und Malariaforschung gegeben. Außerdem betreibt er die Organisation Open Philantropy, die Spender dabei berät, möglichst effektiv zu geben und ihre Wirkung zu maximieren.
Weit oben auf der Liste der Top-Spender findet sich auch MacKenzie Scott, die seit der Scheidung von ihrem Ehemann, dem Amazon-Gründer Jeff Bezos, bereits über 8,6 Mrd. Dollar für die Bekämpfung von Ungleichheit ausgegeben hat. Ihr Ex-Mann hat den Giving Pledge zwar noch nicht unterzeichnet, aber seit seinem Abschied als Amazon-CEO im Juli 2021 hat er bereits über 2 Milliarden Dollar für vielfältige Projekte zur Verfügung gestellt, von Umwelt über Bildung bis zu Obdachlosigkeit.
Kritik am Geldregen
Die Geberlaune der Silicon-Valley-Könige ruft jedoch nicht nur Bewunderung und Dankbarkeit hervor. Kritiker bemängeln zum Beispiel, dass Philanthropie nicht die zugrundeliegenden Strukturen der bekämpften Probleme angehe. Andere bewerten den Fokus der Superreichen als zu wenig auf Armutsbekämpfung und zu viel auf das eigene Vermächtnis gerichtet. Zudem gibt es häufig den Vorwurf, die wohltätigen Stiftungs-Konstrukte seien für viele auch ein Weg, Steuern zu umgehen.
Der 2017 verstorbene deutsche Milliardär Peter Krämer kritisiert den Giving Pledge folgendermaßen: „Die Spender treten an die Stelle des Staates. Das geht nicht. Die Reichen wollen bestimmen, was gut für die Menschen ist. Diese Entwicklung ist schlimm.“ Er setzte sich für höhere Steuern auf große Vermögen ein.
Doch solche Kritik tut der Philanthropie der Westküsten-Milliardäre keinen Abbruch. Und wenn sich die Unterzeichner des Giving Pledge an ihre Verpflichtung halten, könnte es in Zukunft neben den zahllosen Carnegie-Bibliotheken auch Gates-Krankenhäuser und Zuckerberg-Forschungszentren geben.
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