Austropapier-Präsident wettert gegen mögliches Aus für Zuckersackerl

Geht es nach den Willen der EU, droht dem Zuckersackerl aus Papier zum Kaffee schon bald das Aus. Um den Verpackungsmüll zu reduzieren, sagt Brüssel Papier und Plastik den Kampf an. Über die sogenannte EU-Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR, Packaging and Packaging Waste Regulation) wird kommende Woche im EU-Parlament abgestimmt.
Wie berichtet sollen bis 2030 alle Verpackungen recycle- oder wiederverwendbar sein und Kleinstverpackungen für Salz, Pfeffer, Ketchup oder für Hygieneartikel wie Seife ganz verschwinden. Weiters soll Obst und Gemüse im Supermarkt unter 1 Kilo oder Fast Food nicht mehr in Kartons, sondern in wiederverwertbaren Plastiktassen verkauft werden müssen. Vorbild dafür ist Frankreich, wo in Fastfood-Lokalen Getränke und Pommes nur noch in Mehrwegbechern bzw. -boxen abgegeben werden. Die heimische Papierindustrie ist alarmiert und lässt kein gutes Haar an der geplanten Regulierung.
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„Die Leute nehmen den Mehrwegbecher von McDonald’s nach Hause mit und bringen ihn nach zwei Wochen zurück und dann wird er von McDonalds geschreddert“, berichtet Martin Zahlbruckner, Österreich-Chef von delfort und Präsident von Austropapier. Nach mehrmaligem Einsatz sehen die Becher auch entsprechend gebraucht aus, sodass die Konsumenten neue fordern. So werde entgegen des „Green Deals“ die Kunststoffindustrie in der EU massiv gefördert. Und die Kunststoffreinigung im großen Ausmaß sei wegen der eingesetzten Waschsubstanzen zu hinterfragen.

„Planwirtschaft“
Auch das geplante Verbot für die Zuckersackerl sorgt beim Branchenvertreter für Kopfschütteln. Diese würden nur einen winzigen Teil der gesamten Papiermenge ausmachen. Sie zu verbieten werde „die Welt nicht retten“, außerdem werde das Sackerl dank Innovationen bald mit halb so viel Papier auskommen. Das Ziel, Papierverpackungen überall dort zu vermeiden, wo sie nicht unbedingt nötig seien, sei zwar richtig, mit der Logik müsste die EU dann irgendwann aber auch das Geschenkpapier zu Weihnachten untersagen. „Das geht dann schon Richtung Planwirtschaft“, wettert der Branchenvertreter und spricht von einem „Frontalangriff auf Papier, Karton und Pappe“.

Austropapier-Präsident Martin Zahlbruckner
Austropapier
Austropapier vertritt als Vereinigung der Österreichischen Papierindustrie die Interessen von 23 Mitgliedsbetrieben mit ihren rund 7.700 Beschäftigten. Darunter sind etwa Mondi, Heinzel, Austrocel, Delfort oder MM
4,6 Mio. Tonnen
Papier wurden im Vorjahr in Österreich produziert, um 8,5 Prozent weniger als 2021. Bei grafischen Papieren gab es ein Minus von 16,8 Prozent, bei Verpackungen ein Minus von 0,7 Prozent. Der Gesamtumsatz der Branche stieg dank höherer Preise um ein Drittel auf 5,5 Milliarden Euro
Recycling gefährdet
In Österreich betrage die Recyclingquote beim Altpapier bereits 85 Prozent (Kunststoff: 35 Prozent, Anm.). „Wir haben im Unterschied zum Kunststoff, der viel komplizierter zum Sammeln und Wiederverwerten sei, den Kreislauf schon jetzt sichergestellt“, sagt Zahlbruckner. Eine weitere Regulierung würde dieses Recycling jetzt gefährden. „Die Idee der Verordnung ist gut, aber nicht zu Ende gedacht“, fordert Zahlbruckner eine umfassende Sanierung des Regelwerks.
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Der mit Abstand wichtigste Exportmarkt für die Papierindustrie ist Deutschland, wo die Regierung soeben beschlossen hat, mit einer Strombeihilfe der Industrie kräftig unter die Arme zu greifen – der KURIER berichtete. Dies sei ein krasser Wettbewerbsnachteil für die Papierproduktion in Österreich, moniert Zahlbruckner, „da werden wir ausgebremst“.
Wenn Österreich hier nicht nachziehe und die gleichen Marktbedingungen wie in Deutschland schaffe, „werden internationale Betriebe von hier absiedeln“. Es gehe nicht um Profitmaximierung, sondern um Planungssicherheit für Investitionen wie neue Biokesseln. Wirtschaftsminister Martin Kocher stellte zuletzt eine Verlängerung des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes (SAG) in Aussicht.
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Im Vorjahr lag die Papierproduktion in Österreich bei 4,6 Millionen Tonnen (–8,5 Prozent). Weil gestiegene Kosten weitergegeben werden konnten, stieg der Gesamt-Umsatz der 23 Austropapier-Mitglieder um ein Drittel auf 5,5 Mrd. Euro. „Unsere Mitglieder haben auch ganz gut verdient“, meint der Branchensprecher.
10 Prozent Lohnplus
Für Beobachter überraschend einigten sich die Sozialpartner im Frühjahr auf eine kräftige Gehaltserhöhung um 10 Prozent für die 7.700 Beschäftigten. Eine gute Bezahlung sei nötig, um die Fachkräfte zu halten, argumentiert Zahlbruckner. „Wir wollten hier ein Zeichen setzen“. Aktuell spüre die Industrie aber die konjunkturelle Eintrübung „ganz massiv“. Die Auftragslage sei im dritten Quartal eingebrochen und auch die Umsatzentwicklung sei deutlich rückläufig.
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