Zum von Martin Winkler geführten Tourismuskonzern gehören neben Hotels, Reisebüros und Eurotours unter anderem das Cafe Central in der Wiener Innenstadt.
KURIER:Die Verkehrsbüro-Group hat in der Pandemie 900 von 3.000 Stellen abgebaut. Haben Sie jetzt Probleme, das Geschäft wieder hochzufahren?
Martin Winkler: Aktuell haben wir in der Gruppe bis zu 300 Stellen offen, auch weil wir zwei neue Hotels eröffnen und in diesen Häusern jeweils 40 Mitarbeiter suchen. Von den 900 Mitarbeitern, die uns in der Pandemie verlassen haben, haben übrigens zwei Drittel selbst gekündigt. Viele, weil sie die Branche verlassen wollten und etwa in die öffentliche Verwaltung oder in Bürojobs in der Industrie gewechselt haben.
Also sich auf Nimmerwiedersehen verabschiedet haben?
Es gibt auch Kollegen, die jetzt wieder zurückkommen. Wir werden beim Personalstand jedenfalls wieder auf das Vorkrisenniveau kommen.
Und in der Zwischenzeit mangels Personal das Angebot zusammenstreichen?
Definitiv nicht.
Einige Hotels in Wien suchen händeringend Personal und zahlen gerade Abwerbeprämien von mehreren Tausend Euro. Sie auch?
Nein, wir zahlen keine Kopfprämien. Davon halte ich auch nichts. Das ist eher ein Akt der Verzweiflung, langfristig kann man damit sowieso nichts erreichen. Viel wichtiger sind die Arbeitszeiten, die Planbarkeit der Dienste, eine ordentliche Verpflegung und andere Benefits ...
In Bewerbungsgesprächen wird ja immer das blaue vom Himmel versprochen. Wie es in der Praxis ausschaut, weiß man erst, wenn man vor Ort ist. Pech für den Bewerber?
Wir haben jetzt neu einen digitalen Job-Check-In gestartet. Unter anderem geht es dabei darum, dass man schon in der Bewerbungsphase mit den Kollegen der jeweiligen Abteilung oder des jeweiligen Hotels Kontakt aufnehmen kann. Da kann man sich schon nach den genauen Abläufen erkundigen und bekommt atmosphärisch schon mehr mit als bei einem Bewerbungsgespräch mit den HR-Verantwortlichen.
Klingt nett. Nett klingt aber auch ein Nettolohn von 3.200 Euro, den eine Kärntner Pizzeria kürzlich für einen Barkeeper ausgeschrieben hatte ...
Solche Gehälter sind für uns nicht darstellbar und aus meiner Sicht ein Akt der Verzweiflung. Wenn der Barkeeper dann schlechte Arbeitsbedingungen vor Ort hat und immer zu hören bekommt, dass er dafür ja gut bezahlt wird, ist er auch schnell wieder weg. Wir reden überhaupt zu viel von der Anwerbung neuer Mitarbeiter, wenig vom Halten der Bestehenden. Das ist aber das Entscheidende in der Branche. Das Problem beginnt oft schon beim Praktika ...
... nachdem für viele feststeht, dass sie eines definitiv nicht wollen: Einen Tourimusjob.
Weil sie allein gelassen werden oder Arbeiten machen müssen, die das ganze Jahr über liegen geblieben sind. Das Lager zusammenräumen ist so ein Klassiker. Dass Praktikanten als billige Arbeitskräfte missbraucht werden, ist eine Einbahn und darf es so nicht mehr geben.
Bei den Babyboomern hat sich prototypisch alles um den Job gedreht, bei der Generation Z wird die Work-Life-Balance groß geschrieben. Wie spiegelt sich das in Ihrem Konzern wider?
Wir müssen flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten. Nicht nur für die Generation Z und Bewerber, auch für langjährige Mitarbeiter. Viele haben in der Kurzarbeit neue Möglichkeiten entdeckt. Ob eine Ausbildung, ein neues Hobby oder Sozialarbeit. Sie wollen jetzt Stunden reduzieren und mehr Freizeit haben. Gleichzeitig bleiben wir eine 24/7-Branche und brauchen Planbarkeit und entsprechende Modelle. Eine 4-Tage-Woche muss nicht immer von Montag bis Donnerstag sein. Wir brauchen auch am Wochenende Leute.
Die Pandemie als Treiber der Teilzeitquote?
Das nehme ich derzeit stark so wahr. Ob die Inflation, die das Leben teurer macht, eine Gegenbewegung auslösen wird, traue ich mich noch nicht abzuschätzen. Die Frage ist jetzt auch, ob man Job-Sharing auch in Führungspositionen, etwa bei Hoteldirektoren, machen kann.
Warum nicht? Es muss nur klar sein, wer letztlich für was Verantwortung übernimmt.
Die Verkehrsbüro-Zentrale hat in der Pandemie einen neuen Firmensitz bekommen. Und dabei 60 Prozent der Büroflächen reduziert. Das heißt, das Homeoffice bleibt in der Zentrale?
Es geht um einen guten Mix. Ich halte je nach Bereich ein bis drei Tage Homeoffice für sinnvoll. Das Büro bleibt als Ankerpunkt für die Unternehmenskultur wichtig, speziell auch für Kollegen, die neu im Unternehmen sind und für kreative Prozesse.
Viele Mitarbeiter haben heute im Büro nicht einmal mehr einen eigenen Arbeitsplatz. Desk-Sharing nennt man das auf Neudeutsch. Haben Sie noch Ihr Chefbüro?
Nein.
Einen eigenen Schreibtisch?
Nein. Einen Arbeitsplatz wie jeder andere im Unternehmen.
Konzern
Zur Gruppe mit rund 2.000 MitarbeiterInnen (Stand 31.12.2021) gehören 22 Hotels der Marken Austria Trend Hotels, Bassena, Radisson Blu und Radisson Individuals sowie 7 Motel One. Zudem 75 Ruefa-Reisebüros und der Reisevermarkter Eurotours, der unter anderem Hofer-Reise-Pakete schnürt. Im Pandemie-Jahr 2020 sackte der Umsatz um 62 Prozent auf 230 Mio. Euro ab. Die Folge waren eine Reihe von Einsparmaßnahmen, darunter auch ein Personalabbau. Der Konzernumsatz 2021 wird mit 205 Mio. Euro beziffert
Martin Winkler
Der 41-jährige Familienvater ist seit 2017 Vorstandschef und seit 2001 im Konzern tätig
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