Verkehrsbüro-Chef Winkler: „Urlaub ist ein Grundbedürfnis“
Die Österreicher sparen lieber beim Konsum als beim Urlaub, buchen aber kürzer, beobachtet Top-Tourismusmanager Martin Winkler. Im KURIER-Interview spricht er auch über die Zukunft des Reisens, die heimische Tourismuspolitik und seine Erwartungen an die Österreich Werbung.
KURIER: Wie zuversichtlich sind Sie als Chef der größten heimischen Tourismusgruppe für 2023? Martin Winkler: Wir starten in das neue Jahr in allen Bereichen positiv. Beginnend beim Café Central mit neuen Gästeschichten und auch lokalem Publikum. In der Stadthotellerie haben wir schon seit Sommer 2022 eine positive Entwicklung, der amerikanische Markt ist zurück, der asiatische noch nicht. Wir sind trotzdem zufrieden. Allerdings fehlen die großen internationalen Kongresse.
Wie läuft das Feriengeschäft, die Reisebüros?
Eine Folge von Corona ist, dass sehr kurzfristig gebucht wird. Wobei die Entwicklung unterschiedlich ist. Viele sagen auch, na ja, billiger wird’s nicht, buche ich den Sommerurlaub lieber jetzt. Urlaub ist für die Österreicher ein Grundbedürfnis.
Aber vermiesen Ukraine-Krieg und Teuerung nicht die Lust auf Ferien? Sehen wir nicht. Gerade in schwierigen, unsicheren Zeiten brauchen die Menschen Urlaub. Da wird lieber beim Konsum gespart oder kürzer gebucht.
Wohin gehen die derzeit wichtigsten Trends?
Gewisse Destinationen werden aufgrund der geopolitischen Verschiebungen nicht mehr bereist. Und Reisen muss wieder einen Preis haben. Man kann nicht zu jeder Zeit um jeden Preis an jeden Ort der Welt kommen, schon im Sinne der Nachhaltigkeit nicht. Die Kunden suchen ihren Urlaub immer öfter nach bestimmten Erlebnissen oder Bedürfnissen aus, unabhängig vom Ort.
Zum Beispiel?
Denken Sie an Trekking, das kann man auch in Österreich machen, dafür muss man nicht auf den Kilimandscharo. Es wird Angebote für jedes Reisebudget geben, aber Reisen muss einen Wert bekommen. Ich muss nicht immer noch billiger nach New York fliegen.
Aber ist das nicht die Überheblichkeit jener, die schon überall waren. Der größere Teil der Menschheit saß noch nie in einem Flugzeug.
Ich meine damit, dass nicht jederzeit alles immer verfügbar sein muss. Reisen ist Kultur-verbindend, aber die Frage ist eben, zu jeder Zeit und immer verfügbar? Reisen muss bewusster werden, die Tourismusströme werden entzerrt, Stichwort Venedig oder Barcelona.
Werden Freizeitreisen oder Kultur-Trips angesagter?
Alle Segmente sind gefragt, vom klassischen Badeurlaub bis zu Kultur- und Studienreisen. Das Bedürfnis nach Individualität wird größer, das Gefühl, ich habe etwas Besonderes erlebt. Das kann auch nur ein bestimmter Wein in einem Wunschlokal sein. Bei Individualität können wir mit Beratung besonders punkten. Eine Pauschalreise kann auch individuell zusammengestellt sein.
Ist das Verkehrsbüro nach wie vor Marktführer?
Ja, wir sind mit unseren 76 Reisebüros die Nummer eins. Mit dem Know-how unserer 400 Mitarbeiter decken wir die ganze Welt ab. Wir verlangen nichts für die Beratung, aber das ist mit ein Grund, bei Ruefa zu buchen. Das müssen wir noch viel mehr ausspielen. Und bei Problemen helfen mir Menschen und ich lande nicht in einem anonymen Callcenter.
Reisebüro und Pauschalreise haben Zukunft?
Diese Diskussion gibt es seit 15 Jahren. Ruefa hatte 2019 das erfolgreichste Geschäftsjahr seit Bestehen. Die Wünsche der Kunden werden immer komplexer, das Reisebüro ist ein absolutes Zukunftsmodell. In Kombination mit online und digitaler Beratung.
Wie sehr wird der Klimawandel Reisen einschränken?
Immer mehr Österreicher beschäftigen sich mit dem Thema, aber wir sehen noch nicht die Bereitschaft, dafür mehr Geld auszugeben. In der Hotellerie nehmen wir vieles selbst in die Hand, da sind die Gäste bereit, für regionale Produkte einen Preis zu bezahlen.
Wie viele Urlauber sitzen tatsächlich lieber zehn Stunden im Zug, anstatt zu fliegen?
Es gibt diese Kunden, aber der Anteil ist sehr klein. Die spannendere Frage ist, wie schaffen Europa und Österreich eine nachhaltige Technologie für die Mobilität? Die Herausforderung ist die letzte Meile. In Österreich haben wir eine gute Zuganbindung nach Salzburg und Innsbruck, aber wie kommen Sie mit E-Mobilität weiter? Darauf brauchen wir Antworten.
Was halten Sie vom Verbot von Kurzstreckenflügen?
Verbote führen selten zum gewünschten Ergebnis, das wird nicht funktionieren. Es braucht die richtigen Anreize, um CO2-Neutralität zu erreichen.
Wie beurteilen Sie Österreichs Tourismuspolitik? Sofern es diese überhaupt gibt.
Es muss sie geben. Wir haben in den letzten drei Jahren gesehen, wie wichtig ein funktionierender Tourismus für den gesamten Wirtschaftsstandort ist. Tourismuspolitik muss ganzjährig denken, das beginnt beim Ferien- und Winter-Tourismus, betrifft aber natürlich auch Städte-Tourismus, Kongresse und Kultur. Es muss breiter und langfristig gedacht werden, nicht auf die nächsten ein, zwei Jahre. Österreich ist ein hochwertiges Tourismusland, Qualität ist wichtig, da müssen wir noch selbstbewusster werden. Dann können wir auch gute Preise durchsetzen.
Was erwarten Sie von der neuen Leitung der Österreich Werbung?
Genau das, dass der Tourismus gesamthaft abgedeckt wird. Dass diese Vielfältigkeit vermarktet wird und Österreich als Ganzjahresdestination. Dass die Mittel sehr effizient eingesetzt und strukturelle Doppelgleisigkeiten zwischen Bund, Ländern und Regionen vermieden werden. Wir brauchen klare Strukturen und eine bessere Steuerung, ein gemeinsames Ziel und einen klaren Auftrag.
Tourismus ist hierzulande Föderalismus zum Quadrat, dafür bräuchte es einen Wunderwuzzi.
Das ist zu schaffen, es gibt gute Ansätze.
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