Geithner greift in die Trickkiste

U.S. Treasury Secretary Timothy Geithner speaks during a panel discussion hosted by the Los Angeles World Affairs Council titled "The U.S. and World Economies: An Overview" in Los Angeles, California in this July 31, 2012 file photo. Geithner plans to stay into early next year to help the Obama administration forge a deal with lawmakers to avert the looming fiscal crisis, the White House said on November 9, 2012. REUTERS/Mario Anzuoni/Files (UNITED STATES - Tags: BUSINESS POLITICS)
Mit buchhalterischen Tricks will der US-Finanzminister mehr Zeit in der Steuerdebatte schinden.

Bei der Suche nach einer Lösung im US-Haushaltsstreit wird die Zeit immer knapper. US-Präsident Barack Obama hat seinen Weihnachtsurlaub auf Hawaii abgebrochen und kehrt am Donnerstag nach Washington zurück. Gelingt bis zur Silvesternacht im Tauziehen mit den Republikanern um ein Programm zum Defizitabbau kein Kompromiss, droht der Sturz von der sogenannten Fiskalklippe.

"Fallen die USA von der Fiskalklippe, hätte dies dramatische Konsequenzen. Für die USA, für die Weltwirtschaft und für die Finanzmärkte, wo die Nervosität wieder deutlich zunehmen dürfte", warnt der Chef der Geldmarkt und Finanzabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF), Jose Vinals in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt.

Schuldenobergrenze erreicht

Zu Jahresende erreichen die USA zudem ihr Schuldenlimit. Finanzminister Timothy Geithner teilte dem Kongress am Mittwoch mit, dass der derzeitige Rahmen von 16,4 Billionen Dollar (12,4 Billionen Euro) am 31. Dezember ausgeschöpft sei. Nun will Geithner nach eigenen Angaben durch Etat-Umschichtungen einen Manövrierraum im Umfang von 200 Milliarden Dollar schaffen. Damit könnten die USA zwar etwas zeitlichen Spielraum gewinnen, aber Geithner machte zugleich deutlich, dass auch hier die Uhr tickt - sonst können die USA spätestens in zwei Monaten ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Vor rund eineinhalb Jahren hatten die Republikaner ihre Zustimmung zur Anhebung der Schuldenobergrenze mit Sparforderungen verknüpft und Obama damit massiv unter Druck gesetzt. Das Land war damals an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten.

Diesmal dringt Obama auf eine auf zwei Jahre angelegte Anhebung der Schuldenobergrenze, und er lehnt es strikt ab, diese Frage zu einem Teil der Verhandlungen im Haushaltsstreit zu machen. Dabei geht es um ein Programm zum Defizitabbau, das sich nach dem Willen von Obama ausgewogen aus Ausgabenkürzungen und höheren Einnahmen zusammensetzen soll.

Weil der Zeitdruck so enorm ist, wird vor Jahresende nun eine "kleine" Lösung erwartet. Obama selbst hatte am vergangenen Freitag seine Bereitschaft zu einem Kompromiss in mehreren Schritten bekundet. Demnach ist es sein Hauptziel, noch vor Silvester Steuererleichterungen für die Mittelschicht sowie Arbeitslosenleistungen zu verlängern, die sonst zum Jahresende auslaufen würden. Die drohenden automatischen Ausgabenkürzungen ab kommenden Jahr könnten in einer Art Rahmenvereinbarung erst einmal ausgesetzt und dann im Jänner Einzelheiten eines Kompromiss-Sparplans ausgehämmert werden.

Streit um Steuererhöhung

Hauptstreitpunkt sind Steuererhöhungen für die Reicheren. Obama will, dass Haushalte mit einem Jahreseinkommen ab 250.000 Dollar (knapp 190.000 Euro), zumindest aber ab 400.000 Dollar künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Steuererleichterungen für die Mittelschicht will er dagegen beibehalten.

Der republikanische Verhandlungsführer John Boehner hatte zuletzt eine Grenze von einer Million Dollar Jahreseinkommen für Erhöhungen angeboten. Er war dann aber auf massiven Widerstand radikal-konservativer Abgeordneter der Tea-Party-Bewegung gestoßen, die jegliche Steuererhöhungen ablehnen. Das hat die Verhandlungen zusätzlich erschwert. Über Weihnachten fanden überhaupt keine Gespräche statt.

In letzter Minute soll nun am Sonntag das Repräsentantenhaus zu einer Arbeitssitzung zusammentreten, berichtete der US-Sender CNBC. Die Mitglieder des Repräsentantenhauses würden derzeit aus den Weihnachtsferien nach Washington zurückgerufen, sagten republikanische Vertreter. Die US-Aktienmärkte nahmen die Nachricht positiv auf und verringerten ihre Verluste.

Der Begriff "Fiskalklippe" ("fiscal cliff") steht für automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen. Sie drohen zum 1. Januar in den USA, wenn es im Haushaltsstreit bis Silvester keine Einigung gibt. Da diese Maßnahmen die US-Wirtschaft belasten würden, gilt es, die Klippe zu umschiffen.

Demokraten und Republikaner haben sich bisher im US-Kongress nicht über ein umfassendes Sparprogramm zum Schuldenabbau einigen können. Sollte bis zum Jahresende kein Kompromiss gefunden werden, laufen die Steuervergünstigungen der früheren Regierung von George W. Bush sowie die Hilfen der Regierung von Barack Obama für Arbeitslose und sozial Schwache aus. Auch geplante Etatkürzungen treten dann automatisch in Kraft.

Insgesamt geht es um mehr als 600 Milliarden Dollar (465 Milliarden Euro). Ökonomen befürchten dann eine Rezession in der größten Volkswirtschaft USA und auch Folgen für die Weltwirtschaft.

Der mächtige Wirtschaftskapitän Howard Schultz ergreift im quälenden Verhandlungsprozess zwischen Republikanern und Demokraten für ein neues US-Budget nun selbst die Initiative. „Come together“ (kommt zusammen) ließ der Starbucks-Chef auf alle Becher der Kaffeehaus-Kette im Großraum Washington drucken. Ob das auch die Politiker beeindrucken wird, wird von immer mehr Experten bezweifelt. Die Uhr tickt. Bis Montag haben sie noch Zeit, eine Einigung zu erzielen und zu vermeiden, dass das Land vom „Fiscal cliff“ (Fiskal-Klippe) stürzt.

Präsident Barack Obama hat seinen Weihnachtsurlaub auf Hawaii unterbrochen und wurde gestern in der US-Hauptstadt erwartet. Der Senat wollte am Abend desselben Tages zusammentreten.

Der KURIER bietet einen Überblick über die gefährlichen Situation, die in den USA eine neue Rezession auslösen könnte – mit möglicherweise weltweiten Folgen.

Was passiert konkret, wenn es bis zum Neujahrstag keinen Kompromiss gibt?

Dann würden die Steuervergünstigungen der früheren Regierung unter George Bush jr. auslaufen – das beträfe alle Einkommensbezieher, die jährlich unter 250.000 Dollar verdienen. Auch die Hilfen für Arbeitslose und sozial Schwache, die die Obama-Administration einführte, würden wegfallen. Zugleich würden automatisch Budgetkürzungen in Kraft treten – allein das Verteidigungsministerium müsste mit neun Prozent weniger das Auslangen finden.

Was wären die weiteren Folgen?

Da durch die Maßnahmen dem US-Markt 600 Milliarden Dollar entzogen würden, befürchten Ökonomen, dass die US-Wirtschaft wieder in eine Rezession schlittern könnte. Weltweit könnten die Börsenindizes abstürzen und die Finanzmärkte in Turbulenzen geraten.

Ist der Budgetstreit das einzige ökonomische Problem der Amerikaner?

Nein, zu Jahresende wird auch das Schuldenlimit (16,4 Billionen Dollar) erreicht – die USA wären zahlungsunfähig. Finanzminister Timothy Geithner hat nun aber den Streitparteien im Kongress zwei Monate Spielraum verschafft: Indem er unter anderem Zahlungen an einen Pensionsfonds für Staatsbedienstete stoppt und Wertpapiere ausgibt, will er 200 Milliarden Dollar generieren.

Woran scheiterte bisher eine Einigung?

Obama drängt zur Verminderung des Budgetdefizits auf Ausgabenkürzungen und höhere Einnahmen. Knackpunkt ist die Reichensteuer. Der Präsident will Jahreseinkommen ab 250.000 Dollar, zumindest aber ab 400.000 Dollar besteuern. Die Republikaner lehnen das ab. Die radikalsten wollen auch Superreiche (mehr als eine Million Dollar) nicht höher besteuern.

Wie stehen die Chancen für eine Last-Minute-Einigung?

Nicht mehr sehr gut. Kommentatoren sehen bestenfalls eine Minimallösung. Konkret: Die Reichensteuer und das Ausmaß der Budgetkürzungen werden auf 2013 vertagt, dafür bleiben die niedrigen Steuersätze für 98 Prozent aller US-Haushalte und 97 Prozent aller Kleinunternehmer erhalten.

Gibt es noch eine Hintertür?

Eventuell. Bleiben die Republikaner bei ihrer Blockade-Haltung bis ins neue Jahr, könnten sie in den ersten Jännerwochen die zuvor automatisch in Kraft getretenen Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen sogar rückwirkend wieder aufheben. Das Kernproblem der Budgetsanierung wäre aber weiter ungelöst. Und wie die Märkte in der Zwischenzeit reagieren, ist höchst ungewiss.

Schwächer die Kassen kaum klingeln: Im US-Einzelhandel macht sich Enttäuschung über ein mageres Weihnachtsgeschäft breit. Erste Daten deuten auf das geringste Umsatzplus seit der Rezession im Jahr 2008 hin. Die am Mittwoch veröffentlichte Erhebung von MasterCard SpendingPulse ergab nach vorläufigen Zahlen einen Anstieg von lediglich 0,7 Prozent im Zeitraum vom 28. Oktober bis zum 24. Dezember. Im vergangenen Jahr waren es noch zwei Prozent.

Schlechtes Wetter habe viele Amerikaner vom Einkaufsbummel abgehalten, sagte Michael McNamara von MasterCard SpendingPulse. Andere Experten verwiesen auf den US-Haushaltsstreit: Viele Verbraucher zögerten demnach mit Käufen, weil ohne Einigung 2013 höhere Steuern auf sie zukommen könnten und ihnen damit weniger Geld im Portemonnaie bliebe. Erfasst wurden bei SpendingPulse unter anderem Einnahmen aus dem Verkauf von Kleidung, Elektroartikeln, Luxusgütern und Einrichtungsgegenständen.

Die Ergebnisse bestätigen Schätzungen anderer Marktforscher, nach denen das sonst besonders lukrative Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr eher enttäuschend ausgefallen sein dürfte. Sogar um fast vier Prozent abwärts ging es der MasterCard-Erhebung zufolge mit dem Geschäft in den dicht besiedelten Gebieten im Osten der USA, über die Ende Oktober Hurrikan "Sandy" hinweggefegt war.

"Es könnten ziemlich unfrohe Weihnachten für die Einzelhändler werden", resümierte Analystin Kim Forrest von Fort Pitt Capital Group. Die Branche hofft nun auf ein reges Nachfeiertagsgeschäft.

Internethandel boomt

Einen weiterhin steilen Aufstieg vollzog dagegen der Internethandel. Allein am ersten Weihnachtstag erhöhten sich die Umsätze um 22,4 Prozent, wie aus Statistiken von IBM Digital Analytics Benchmark hervorging. Im Vorjahr lag das Plus bei gut 16 Prozent.

Um die Politiker in Washington zu einer Einigung in dem auch die Verbraucher verunsichernden Haushaltsstreit zu bewegen, entschied sich die Kaffeehaus-Kette Starbucks zu einer ungewöhnlichen Kampagne: Die Kongressabgeordneten sollen am Donnerstag und Freitag zum Engagement für einen Kompromiss aufgefordert werden, in dem die Mitarbeiter in den Starbucks-Filialen im Regierungsviertel auf die Kaffeebecher "Come Together" schreiben.

Bilder: Black Friday - Ein Tag Kaufrausch

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