EZB senkt ihre Ambitionen in der Inflationsbekämpfung

Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde
Neue Flexibilität. Zentralbank akzeptiert in Übergangszeit auch Teuerung moderat über zwei Prozent

Die 23 Jahre alte Europäische Zentralbank (EZB) ändert zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ihr Inflationsziel. Und  gibt sich  mehr Flexibilität bei der Wahrung der Preisstabilität in der Eurozone – ihr Hauptauftrag.

Bei ihrer Gründung 1998 hieß es, die EZB strebt eine Inflation von „unter zwei Prozent“ an. Dieses Maximalziel wurde 2003  weicher formuliert.  Seither wollte die EZB eine Inflation  von „unter,  aber nahe zwei Prozent“ erreichen, was im Übrigen seit etlichen Jahren nicht gelungen ist.

Und jetzt 2021 – nach mehrmonatiger Debatte und den vielen, vielen  Milliarden, die zur Unterstützung krisengebeutelter Länder und Konzerne in die Märkte gepumpt wurden, heißt es: Die Währungshüter in Frankfurt streben nun mittelfristig einen durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum von zwei Prozent an. Und, sollte es nötig sein, werde man in einer Übergangszeit auch Werte „moderat über dem Zielwert“ zulassen.

„Die neue Strategie ist ein starkes Fundament, das uns in der Geldpolitik in den kommenden Jahren leiten wird“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu dem Beschluss am Donnerstag.

Gelddrucken  geht weiter

Beobachter wissen, was gemeint ist: Selbst wenn die Inflation durch den erwarteten Nachfrageschub nach Corona jetzt kurzfristig kräftiger steigt, kann „die EZB  argumentieren, ihre ultralockere Geldpolitik länger beizubehalten, als erwartet wurde“, sagte Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek zum KURIER.

Ähnlich äußerte sich Friedrich Heinemann vom deutschen ZEW-Institut: Die EZB werde es nun noch leichter haben, gegen alle Kritik, eine Fortsetzung der extrem lockeren Geldpolitik und der milliardenschweren Anleihenkäufe zu rechtfertigen.

Die Angst vor der Inflation und damit Entwertung  von Geld und Ersparnissen zerstreute die EU-Kommission erst am Mittwoch. Brüssel erwartet für die Eurozone heuer eine Teuerung von 1,9 Prozent (Österreich 2,1 %)

Doch mittelfristig sprechen nicht wenige strukturelle Gründe sehr wohl für einen  Inflationsanstieg in einer Bandbreite von zwei bis vier Prozent, sagt Brezinschek und nennt Punkte wie die Demografie oder den Klimaschutz.

Letzterem verschreibt sich nun  interessanterweise auch die EZB – sie will „grüner“ werden. Christine Lagarde, die seit November 2019 an der Spitze der Zentralbank steht, hat sich den Kampf gegen den  Klimawandel von  Anfang  auf ihre Fahnen geheftet.

EZB wird politischer

Detailierte Pläne will die Zentralbank zwar erst im kommenden Jahr präsentieren, doch eines ist jetzt schon klar: Werden bei den milliardenschweren Anleihenkäufen künftig „grüne“ Kriterien mit heran gezogen, könnte ein gewaltiger finanzieller Hebel im Kampf gegen die Erderwärmung  gefunden worden sein. Kritiker wenden freilich ein, dass der Klimaschutz Sache der Politik sei und keinesfalls durch  das Mandat der EZB gedeckt sei.

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