Ungleich verteilt
Die EU-27 verlören mit dem harten Brexit ihren günstigen Marktzugang für einen Handelspartner, die Briten hingegen für 27. Und obendrein für all jene Länder, mit denen die EU Freihandelsabkommen geschlossen hat. Das erklärt, warum der Schaden eines harten Brexit für die Insel deutlich größer ausfiele.
Um wie viel, das hat der Wifo-Ökonom und WU-Professor
Harald Oberhofer berechnet. Auf EU-Seite fielen die Realeinkommen im Jahr 2025 um voraussichtlich 0,13 Prozent geringer aus, als wenn die Briten verblieben wären (siehe Grafik).
Auf britischer Seite betrüge der Schaden im Hard-Brexit-Fall 3,6 Prozent. Ohne Deal würde das Vereinigte Königreich aus EU-Sicht rein rechtlich betrachtet zum Drittstaat, für den die Regeln der
Welthandelsorganisation (WTO) gelten. Die Zollaufschläge für Waren wären dabei noch das geringste Problem, sagt Oberhofer. Lästiger seien da schon die Kontrollen und Mengenbeschränkungen.
Und noch schwerer wiegt, dass die WTO für Dienstleistungen kaum Regeln vorsieht – was ganz besonders den Finanzsektor oder das Transportwesen betrifft. Insbesondere
Londons riesiger Finanzsektor müsste mit der EU einheitliche Umgangsregeln („Äquivalenz-Abkommen“) beschließen. Die Briten müssten also abwägen: Sind ihnen eigene Finanzregeln wichtiger oder doch der EU-Marktzugang?
Die Schweiz kann davon ein Lied singen: Die EU akzeptiert die Börse SIX nicht als gleichwertiges Gegenüber, solange die Eidgenossen den neuen EU-Partnerschaftsvertrag nicht unterzeichnen. Seit 1. Juli 2019 dürfen somit an der Schweizer Börse keine EU-Aktien mehr gehandelt werden. Umgekehrt hat Bern den Handel mit Schweizer Aktien in der EU unterbunden.
Vielfach käme es auf guten Willen an, ob bei einem No-deal-Brexit Augenmaß oder der Gesetzestext regieren. Also ob Container mit Lebensmitteln vor der Einfuhr begast werden müssten. Oder ob britische Flugzeuge tatsächlich schlagartig ihre Zulassung und Landerechte auf EU-Boden verlören.
Für Österreich ist die britische Insel der neuntwichtigste Partner im Warenhandel. „Ein harter Brexit wäre keine Katastrophe für Österreich, aber sicher nicht positiv“, sagt IHS-Chef Martin Kocher.
Er bleibt aber optimistisch, dass ein geregelter Übergang möglich ist. Premier Boris Johnson eile der Ruf voraus, seine Meinung öfters zu ändern. „Vielleicht ist es für ihn leichter, einen Brexit-Deal durchs Parlament zu bringen, als das für Theresa May der Fall war.“
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