UBS fordert milliardenschwere Garantien für Credit-Suisse-Kauf
Die Schweizer Großbank UBS fordert Insidern zufolge umfangreiche Staatsgarantien für die mögliche Notübernahme der schwer angeschlagenen Credit Suisse. Es gehe um eine Größenordnung von rund sechs Milliarden Dollar, sagte eine mit der Sache vertraute Person am Samstag. Abhängig von den Bedingungen der Transaktion seien aber auch höhere oder geringere Beträge möglich. Am Samstag trat auch die Schweizer Regierung in Bern zu einer Sondersitzung zusammen.
Die sieben Mitglieder des Bundesrates (Kollegialregierung) konferierten auch mit Beamten und Experten, wie die "Neue Züricher Zeitung" berichtete. Regierungssprecher André Simonazzi wollte sich gegenüber Reportern der Zeitung nicht zu dem konkreten Geschehen äußern.
Die von der UBS reklamierten Garantien würden die Kosten für die Abwicklung von Teilen der Credit Suisse und mögliche weitere bisher nicht bekannte Risiken abdecken, sagten zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Mit eine Übernahme soll die Vertrauenskrise rund um die krisengeplagte Credit Suisse ausgeräumt werden.
Die Schweizer Aufsichtsbehörden bemühen sich, noch vor dem Marktstart am Montag eine Lösung für die Credit Suisse zu finden. Aber die Verhandlungen verlaufen einem der Insider zufolge zäh. Eine Reihe von Punkten sind noch nicht geklärt. So gingen die Meinungen darüber auseinander, was mit der Investmentbank der Credit Suisse passieren solle. Ein weiterer Stolperstein sei der Personalabbau. Es gehe um rund 10.000 Jobs, die meisten dürften auf Credit-Suisse-Mitarbeiter entfallen. Wenn alles rund laufe, sei eine Einigung bis am Sonntagabend möglich, hieß es. Eine mögliche Alternative zur Übernahme durch die UBS sei der Einstieg des Schweizer Staates. Sprecher der Credit Suisse, der UBS und des Schweizer Finanzministeriums lehnten eine Stellungnahme ab.
"Bis Montag muss Klarheit bestehen"
Die Deutsche Bank sei ebenfalls am Erwerb von Teilen der Credit Suisse interessiert, sagte eine der Personen. Allerdings könnte eine Vereinbarung mit dem deutschen Geldhaus länger dauern. Ein Sprecher des deutschen Instituts lehnte eine Stellungnahme ab. Über ein Interesse der Deutschen Bank hatte zuvor bereits die Agentur "Bloomberg" berichtet.
Ein möglicher Deal werde komplex sein, schrieb KBW-Analyst Thomas Hallett am Samstag in einer Mitteilung an Kunden. Dazu gehöre der Schutz vor Rechtsstreitigkeiten. "Die Situation bleibt im Fluss, aber bis Montag muss Klarheit herrschen."
Um die mit einem massiven Vertrauensschwund kämpfende Bank wieder in die Spur zu bringen, drängen die Schweizer Regulatoren die UBS einem Insider zufolge, ihren kleineren Rivalen ganz oder in Teilen zu schlucken. Der Zusammenschluss der beiden Banken sei der "Plan A" der Finanzmarktaufsicht Finma und der Schweizerischen Nationalbank (SNB), schrieb auch die "Financial Times". Auch US-Behörden arbeiten der Agentur Bloomberg zufolge gemeinsam mit den Schweizer Behörden daran, dass die Schweizer Großbank UBS die Credit Suisse als Ganzes oder in Teilen übernimmt.
Nachbörslich legten die Aktien der Credit Suisse neun Prozent zu. Ein Kauf der Credit Suisse durch die UBS wäre der bedeutendste Bankenzusammenschluss in Europa seit der Finanzkrise. Für das Wochenende seien getrennte Treffen der Verwaltungsräte der beiden Firmen angesetzt worden, um über das Thema zu beraten, berichtete die "Financial Times". Darüber hinaus lägen weitere Optionen auf dem Tisch. Die SNB habe zum Ziel, dass sich die Parteien bis zum Handelsstart am Montag auf eine geradlinige Lösung einigten. UBS und Credit Suisse lehnten eine Stellungnahme zu dem Bericht ab.
In einem zweiten Bericht der "Financial Times" hieß es, der Fondsriese BlackRock arbeite an einer Konkurrenzofferte für die Credit Suisse. Ein Sprecher des US-Konzerns erklärte dazu: "BlackRock ist nicht an Plänen beteiligt, die Credit Suisse ganz oder teilweise zu übernehmen, und hat auch kein Interesse daran.
Credit Suisse ist das weltweit größte Geldhaus, das in den Strudel der untergegangenen US-Institute Silicon Valley Bank (SVB) und Signature Bank geriet, obwohl sie bei SVB selbst kaum etwas im Feuer hat. Mitte der Woche musste die 167 Jahre alte Schweizer Bank Notfallkredite der SNB im Volumen von bis zu 50 Milliarden Franken (rund 50 Mrd. Euro) in Anspruch nehmen. Es ist das erste Mal seit der Finanzkrise ab 2007, dass eine Notenbank sich zu einer Stützungsaktion für eine so große Bank gezwungen sah.
Diese Intervention sorgte für eine vorübergehen Beruhigung der Lage, reichte aber offenbar nicht aus, um die Abwärtsspirale zu brechen. So setzt nicht nur die Flucht der Privatkunden der Zürcher Bank zu, auch das Geschäft mit anderen Finanzinstituten wird immer schwieriger. Mindestens vier große Häuser, darunter die Deutsche Bank und Societe Generale, haben ihre Geschäfte mit Credit Suisse oder deren Wertpapieren eingeschränkt, wie fünf Personen mit direkter Kenntnis der Angelegenheit erklärten.
Insidern zufolge sind für das Wochenende außerordentliche Sitzungen angesetzt worden. Dazu zählten auch Teams des Finanzchefs Dixit Joshi. Dabei sollten Finanzdaten aufbereitet und Szenarien für die Zukunft des Instituts erarbeitet werden. Einer anderen mit der Sache vertrauten Person haben beide Banken Vorbehalte gegen einen Zusammenschluss. Die Aufsichtsbehörden hätten auch nicht die Befugnis, eine Fusion zu erzwingen.
Gingen UBS und Credit Suisse zusammen, entstünde ein europäischer Riese. Die UBS beschäftigt gegenwärtig über 72.000 Mitarbeiter, die Credit Suisse über 50.000. Ein Zusammenschluss würde angesichts der Überlappungen wohl zu Tausenden von Stellenstreichungen führen. Wegen der hohen Marktanteile im Heimatmarkt stellt sich zudem die Frage, ob die Wettbewerbsbehörden eine Fusion durchwinken würden. Denkbar ist etwa, dass das Schweizer Geschäft der Credit Suisse abgespalten wird. Die Vorbereitungen dazu hat das Institut bereits vor einigen Jahren in Zusammenhang mit später aufgegebenen Börsenplänen getroffen.
Die UBS hat auch öffentlich wiederholt klar gemacht, dass sie von einer Übernahme der Credit Suisse nichts wissen will, zuletzt am Dienstag. Im Jänner erklärte Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher: "Wir haben auch nicht den Wunsch, die Credit Suisse zu kaufen." Es gebe kein überzeugendes Szenario für eine solche Transaktion.
Die UBS hat einen guten Lauf: 2022 fuhr der weltgrößte Vermögensverwalter für Reiche und Superreiche einen Gewinn von 7,63 Milliarden Dollar ein und schaffte damit das beste Ergebnis seit 16 Jahren. Credit Suisse erlitt dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken.
UBS will vor allem im Geschäft mit vermögenden US-Privatkunden wachsen. Credit Suisse hat sich dagegen aus diesem Geschäft weitgehend zurückgezogen. Attraktiv könnte für die UBS aber das Vermögensverwaltungsgeschäft der Credit Suisse insbesondere in Asien sein. Zudem könnte sie den kleineren Rivalen wohl zu einem Schnäppchenpreis kaufen. Credit Suisse ist an der Börse nur noch 7,4 Milliarden Franken wert, die UBS etwa 60 Milliarden Franken. Die Übernahme einer Großbank gilt aber als hochkomplex, langwierig und risikoreich.
Die Übernahme durch eine ausländische Großbank halten Experten für eher unwahrscheinlich und für eine Aufspaltung in mehrere Teile könnte die Zeit zu knapp bemessen sein. Sollte die UBS abwinken, wäre direkte Staatshilfe wie etwa der Kauf einer Beteiligung eine weitere Option. Damit müsste die Schweiz allerdings eine dicke Kröte schlucken. Denn nach der Staatsrettung der UBS im Jahr 2008 haben die Behörden große Anstrengungen unternommen, in Zukunft ein ähnliches Ereignis zu verhindern. So wurden etwa die Kapitalvorschriften verschärft und Vorbereitungsmaßnahmen für eine Abwicklung von Banken getroffen.
Bisher hat die Regierung in Bern zur Situation der Credit Suisse geschwiegen. Aber die Politik steht unter einem enormen internationalen Druck, die Credit Suisse zu stabilisieren. Denn es steht viel auf dem Spiel. Bei einem unkontrollierten Kollaps des Instituts droht Experten zufolge eine erneute weltweite Finanzkrise.
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