TUI-Chef: "Wir haben eine zweite Chance bekommen"
Im Sommer soll es kein Chaos auf den Flughäfen geben, verspricht der TUI-Boss Sebastian Ebel.
KURIER: Wie wird der erste Sommer nach Corona?
Sebastian Ebel: Wir haben im Augenblick eine stabile Hochdruck-Lage. Die Sommer-Buchungen nähern sich stark 2019 an und wir erwarten auch für den nächsten Winter und den übernächsten Sommer eine positive Entwicklung. Der Wunsch nach Reisen ist weiterhin stark ausgeprägt. Und wir gewinnen Marktanteile, weil wir auf Qualität, Service und neue Produkte setzen. Wir sehen allerdings auch, dass die Langstrecke schwächer gebucht ist. Die Karibik und Asien werden deutlich seltener verkauft als das Mittelmeer, die Kanaren oder Marokko. Einige Orte und Inseln in Griechenland sind sogar schon ausgebucht, auch Spanien läuft gut.
Wie schaut’s mit Preiserhöhungen aus?
Für eine normale Sommer-Pauschalreise liegt der Durchschnittspreis bei 1.100 Euro pro Person, das sind aktuell drei bis vier Prozent mehr als letztes Jahr. In den meisten Zielgebieten ist die Inflation geringer als in Deutschland und Österreich. In Spanien etwa liegt sie bei der Hälfte. Ganz besonders merken Sie das im Restaurant, da sind die Preise hierzulande deutlich stärker als in vielen europäischen Urlaubsregionen gestiegen. Preislich attraktiv sind die Türkei, Ägypten, die Kapverden sowie Tunesien.
Droht den Urlaubern im Sommer wieder ein Chaos?
Dies wird kein Thema mehr sein. Unsere Maßnahmen bei Personal und zusätzlicher Kapazität greifen. Eine ähnliche Entwicklung erwarte ich für die Flughäfen. Der erste Test war zu Ostern, der zweite jetzt über die Pfingst-Feiertage. Wir hatten praktisch keine Unregelmäßigkeiten. Wir haben massiv investiert und 13 Flugzeuge auf Stand-by. Wenn ein Flugzeug verspätet reinkommt oder ausfällt, haben wir Alternativen. Das ist eine hohe Investition, aber wenn man bedenkt, dass wir letztes Jahr mehr als 100 Millionen Euro an Zusatzkosten hatten, dann ist das eine gute Investition. Vor allem ist sie richtig im Sinne der Gäste.
Stehenbleiben ist für Sie ein Rückschritt. Aber wo will ein Reise-Riese wie die TUI überhaupt noch wachsen?
Wir wachsen auch mit der Pauschalreise. Zusätzlich gibt es bei uns zukünftig viel mehr als einzelne Produkte zu kaufen. Die Übernachtung, den Flug, den Mietwagen, den Eintritt in eine Sehenswürdigkeit, wie das Kolosseum oder auch die Theaterkarte. Damit gewinnen wir viele neue Kunden. Auch unser eigenes Hotel- und Kreuzfahrtgeschäft bleibt ein verlässlicher Wachstumsmotor.
Sebastian Ebel, 60, langjähriger Touristiker, ist seit Oktober 2022 Vorstandsvorsitzender der TUI Group. Zuvor seit 2021 Finanzvorstand des Konzerns. Von 2014 bis 2020 Vorstand für Hotels, Cruises und Destination Experiences. Der Vater von fünf Kindern begann 1998 bei TUI. Er verließ den Konzern 2008 bis 2013 und war zwischenzeitlich Geschäftsführer bei Vodafone Deutschland
Alles Wachstum wie früher – wie soll sich das mit den Klimazielen ausgehen? Unsere offiziellen Ziele sind bis 2030 rund 50 Prozent geringere Emissionen bei den Hotels, 30 Prozent bei den Kreuzfahrtschiffen und 25 Prozent bei den Flugzeugen. Mein persönliches Ziel ist ambitionierter – dass wir als Marktführer in den nächsten zehn Jahren CO2-neutral sein werden. Unsere ersten Hotels werden schon bis Ende des Jahres Carbon-neutral sein, entweder mit Geothermie oder über Solar und Wind wie auf den Kapverden oder in Österreich mit Holz.
Wir führen dieses Interview auf einem Kreuzfahrtschiff vor Malaga, wie sollen diese Ungetüme CO2-frei werden?
Wir gehen in die Produktion von Green Fuel, Bioenergie aus organischen Abfällen. Und Methanol, ein Wasserstoff-Derivat. Die Flotte wird ständig modernisiert. Das Gleiche gilt für die Flugzeuge. Wir wollen unsere Ziele nicht über Emissionshandel und Zertifikate erreichen, davon halte ich wenig, sondern über echte Reduktion. Zertifikatehandel wäre nur rechte Tasche – linke Tasche.
Wie hoch sind Ihre Investitionen?
Rund 450 bis 500 Millionen Euro netto im Jahr. Das sind aber nur unsere Direktinvestitionen. Da sind die Investitionen unserer Partner bei Joint-Ventures wie etwa TUI Cruises, wo wir 50 Prozent halten, nicht inkludiert.
Man könnte meinen, jetzt ist wieder alles gut bei TUI. Aber ganz so ist es ja dann doch nicht. Ihr Aktienkurs dümpelt in traurigen Tiefen.
Die Folgen der Pandemie, zwei Jahre ohne Geschäft, räumt man nicht über Nacht ab. Aber wir sind erfolgreich zurück. Es ist wichtig, dass wir den Schwung, den wir haben, zur Veränderung in Richtung Wachstum und Technologie nützen. Wir haben eine zweite, vielleicht sogar dritte Chance bekommen. Das wird sich dann auch positiv auf den Aktienkurs auswirken.
Konzern
Die börsenotierte TUI Group ist der größte Touristik-Konzern weltweit. Dazu gehören Reise-Veranstalter, 1.200 Reisebüros, etliche Online-Portale, fünf Airlines mit rund 130 Flugzeugen, mehr als 400 Hotels, 16 Kreuzfahrtschiffe und zahlreiche Agenturen in 180 Zielgebieten.
Die Pandemie setzte dem Konzern schwer zu, der deutsche Staat sprang mit Krediten, einer Optionsanleihe und stillen Einlagen über 4,3 Milliarden Euro ein
60.000 Mitarbeiter
hat TUI heute wieder. In der Krise wurden 25.000 Jobs abgebaut, 20.000 Mitarbeiter wurden inzwischen neu eingestellt
Passagiere
21 Millionen Kunden 2022. Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres 2022/23 knapp sieben Milliarden Euro Umsatz (plus 54 Prozent), der operative Verlust reduzierte sich um 208 Millionen auf minus 395 Mio. bei einer Nettoverschuldung von 4,2 Milliarden Euro
Wo stehen Sie mit dem Konzernumbau? Sie haben Schiffe, Hotels und Flugzeuge verkauft und über 20.000 Mitarbeiter abgebaut.
Das ist kein Umbau, sondern wir entwickeln unsere TUI weiter. Es wird nichts mehr verkauft. Wir waren bei 65.000 Mitarbeitern, gingen auf 40.000 runter und haben bereits 20.000 wieder neu eingestellt, insbesondere im Service und den Hotels in unseren Urlaubsländern. Unser Fundament ist heute viel stabiler als vor der Pandemie. Wir haben eine Kapitalerhöhung von 1,8 Milliarden Euro mithilfe der Aktionäre zum Erfolg gebracht. Auch sind unsere Fixkosten heute deutlich niedriger. In diesem Jahr werden wir ein signifikant höheres positives Ergebnis machen.
TUI hat vor Kurzem den letzten Rest der 4,3 Milliarden Euro an Staatshilfe zurückgezahlt. Erleichtert?
Naja, der Staat an sich ist ein professioneller Gesellschafter, zumindest in Deutschland. Aber die Verpflichtungen durch Zinsen und Rückzahlungen nicht mehr zu haben, ist natürlich schön.
Hätten Sie sich den Staat als Aktionär vorstellen können?
Der Staat ist in einer Jahrhundertkrise eingesprungen, das war richtig. In normalen Zeiten sollten Gelder des Staates, also der Bürger, nicht in Unternehmen stecken.
Wäre TUI ohne Staatshilfe insolvent gewesen?
Ich denke, mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit. Deshalb sind wir dankbar. Auf der anderen Seite war es ein sehr gutes Geschäft für den Staat, er hat Hunderte von Millionen dabei verdient. Und die TUI ist als ein sehr gesundes Unternehmen wieder aus der Krise heraus gekommen. Wir waren ja kein Sanierungsfall, weil wir was falsch gemacht haben, sondern wir hatten mit der Pandemie einfach Pech.
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