Seinen neuen Arbeitgeber kannte er schon als Kunde: Arno Wohlfahrter, ehemaliger Chef des Handelskonzerns MetroÖsterreich, wechselte im Oktober zum Zeitarbeits-Pionier Trenkwalder. Seit 15. November leitet er das Österreich-Geschäft mit rund 5.500 Beschäftigten. Im KURIER-Interview spricht der 55-Jährige über die Lage auf dem Arbeitsmarkt, neue Outsourcing-Modelle und die Sinnhaftigkeit von Algorithmen bei der Jobvermittlung.
KURIER: Wie war der Wechsel von der Handels- in die Zeitarbeitsbranche?
Arno Wohlfahrter: Ich habe auf der anderen Seite schon viel mit Personaldienstleistern zu tun gehabt. Die Herausforderung, gute Fachkräfte zu bekommen, bleibt gleich. Jetzt versuche ich, bei Trenkwalder meinen Beitrag zu leisten, damit die Betriebe erfolgreich sein können.
Die Industrie-Konjunktur schwächelt, vor allem Autozulieferer bauen Leiharbeiter ab. Wie betroffen ist Trenkwalder?
Es gibt gewisse Anpassungen in der Industrie, zugleich wachsen aber andere Bereiche wie etwa der Gesundheitssektor. Der aktuelle Job-Abbau trifft uns weniger, die Betriebe haben aber sehr viele gut qualifizierte Zeitarbeiter in ihre Stammbelegschaft übernommen.
Welche Qualifikationen sind nach wie vor stark nachgefragt?
Vor allem IT- sowie technisch-kaufmännische Berufe.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt?
Es sind zwei Dinge: Erstens die Qualifizierung. Wir müssen ganz viel in die Ausbildung investieren. Es wird nicht reichen, die vorhandenen Ausgebildeten anders zu verteilen. Wir müssen mehr Personen auf die konkreten Anforderungen der Betriebe hin ausbilden. Hier versuchen wir mit unserer neuen eLearning-Plattform für Unternehmen zu punkten. Das zweite ist die Mobilität. Wie bekomme ich Personal dorthin, wo die offenen Stellen sind?
Das Problem ist, dass unsere Nachbarländer ebenfalls zu wenig Fachkräfte haben. Trenkwalder ist in vielen Ländern aktiv und wir bieten auch Callcenter- oder Programmierleistungen im Paket an, etwa in der Türkei. Firmen können IT- und Kundenservice-Leistungen dorthin verlagern. Wir sind gerade dabei, diese Remote-Services aufzubauen.
Also Arbeit auslagern statt Personal anzuwerben?
Ja. Mitarbeiter müssen im Zeitalter der Digitalisierung nicht zwangsläufig im gleichen Land sitzen.
Job-Plattformen und Bewerbungsprozesse werden zunehmend automatisiert. Werden Roboter die Rekruter bald ersetzen?
Das glaube ich nicht. Algorithmen können höchstens eine technische Vorauswahl treffen, um den Bewerbungsprozess zu beschleunigen. Sie verarbeiten große Datenmengen einfach schneller. Die finale Entscheidung wird aber immer ein Mensch treffen.
Auch das AMS setzt Algorithmen ein, um die Arbeitsmarktchancen rascher zu ermitteln. Ihre Meinung?
Die Algorithmen können ein erstes technisches Matching zwischen Angebot und Bewerberprofil vornehmen und so die Vorselektion beschleunigen. Trotzdem glaube ich, dass der Mensch die Endbewertung vornehmen muss. Der Bewerber muss ja auch zur Unternehmenskultur passen. Ich habe selbst oft genug erlebt, dass ein Bewerber zwar top qualifiziert war, aber trotzdem nicht passte.
Algorithmen können aber auch diskriminieren, wenn etwa über 50-Jährige im Bewerbungsprozess automatisch aussortiert werden...
Die Algorithmen sind nur so diskriminierend wie die Menschen, die sie zuvor programmiert haben. Es hängt immer vom Menschen ab, zu welchem Zweck er die Technologie letztlich einsetzt. Wir werden uns in Zukunft ohnehin nicht leisten können, auf über 50-jährige Fachkräfte zu verzichten.
Ihr Vorgänger hatte die Idee eines Leih-Lehrlings, also dass Zeitarbeitsfirmen Betrieben die Lehrlings-Administration abnehmen. Was ist daraus geworden?
Mittelfristig muss diese Idee sicher weiterverfolgt werden, aber da sind noch viele Fragen offen. Es geht auch darum, Berufe besser kombinieren zu können. Hier müssen wir kreativer werden. Auch die Kombi Fachhochschule mit Lehre hat eine Zukunft, das hat einen echten Mehrwert.
Derzeit gibt es knapp 100.000 Leiharbeiter in Österreich. Viele sehen den Zenit damit erreicht. Wohin geht der Trend?
Zeitarbeit hat die Aufgabe, die Flexibilität der Betriebe zu gewährleisten. Diese Anforderung wird auch weiterhin bestehen, daher werden wir auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig kommt dem gesamten Rekrutierungsprozess eine immer höhere Bedeutung zu, weil die Anforderungen steigen.
Wie sieht Ihre Prognose für das kommende Jahr aus?
Es gab in den vergangenen acht bis zehn Wochen Anpassungen, aber die Prognosen sind nicht so negativ. Es gibt durchaus Signale, dass es wieder mehr Wachstum geben wird.
Zweckoptimistisch?
Grundoptimistisch.
Der seit 2011 zur deutschen Droege-Gruppe gehörende Zeitarbeitskonzern Trenkwalder International beschäftigt rund 40.000 Mitarbeiter in 17 Ländern Zentral- und Osteuropas. In Österreich ist Trenkwalder mit 5.500 Beschäftigten klarer Marktführer. Neben der Personal-Überlassung zählt die Personalvermittlung und -rekrutierung zum Kerngeschäft.
Der gebürtige Kärntner, ehemalige Profiradsportler und Bankmanager Arno Wohlfahrter (55) ist seit Oktober 2019 bei Trenkwalder. Zuvor war er seit 2016 Chef von Metro Cash&Carry in Österreich.
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