Facharbeiter-Suche bis nach Fernost
Die Hochkonjunktur geht zu Ende, der Fachkräftemangel wird bleiben – und sich noch verschärfen. Angesichts der demografischen Entwicklung in Europa könne der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in bestimmten Branchen künftig nicht zur Gänze im Inland gedeckt werden, ist Oktay Erciyaz, Vorstandsvorsitzender des Personaldienstleisters Trenkwalder International überzeugt. „Wir können es nicht negieren. Wollen wir die Wirtschaft in Europa stabil halten, brauchen wir mehr zirkuläre Migration“, sagt Erciyaz im Gespräch mit dem KURIER. Fehlen die Arbeitskräfte, habe das fatale Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum, Jobs, Infrastruktur oder Steuereinnahmen.
Allein im ersten Quartal 2019 gab es in Österreich 128.000 unbesetzte Stellen, in Deutschland waren es 1,2 Millionen. Im Vergleich zu Tschechien oder Polen, wo die Arbeitsmärkte de facto leer gefegt sind, sei Österreich hingegen immer noch „ein Paradies“, meint Erciyaz.
Asien statt EU
Bei technischen, IT- und Gesundheitsberufen wird die Personalsuche zur Sisyphusarbeit: „Wir müssen die Fachkräfte immer internationaler suchen“, erzählt Erciyaz. Trenkwalder habe strategische Partnerschaften in Georgien, Mongolei, Nepal, Indien, Vietnam und die Philippinen, um von dort Personal anzuwerben.
Auch die Wirtschaftskammer streckt ihre Fühler in Vietnam aus, um dort IT-Spezialisten für Österreich auszubilden. Das IMC Krems bildet ab Herbst Pflegekräfte für Niederösterreich aus.
In der tschechischen Automobilindustrie kommen bereits Tausende Ingenieure aus der Ukraine und Georgien zum Einsatz. „Georgien ist derzeit eines unserer Rekrutierungsschwerpunkte, erst kürzlich haben wir 300 Fachkräfte an einen Autozulieferer vermittelt“, erzählt Erciyaz. In Polen arbeiten fast zwei Millionen Ukrainer. Deren Arbeitsverträge laufen meist sechs, neun oder zwölf Monate.
Hoher Aufwand
Die Rekrutierung von Fachkräften aus einem Nicht-EU-Land dauert rund drei Monate und ist mit hohem Aufwand verbunden: Flug, Unterkunft, Transport, Übersetzungen, Formalitäten. Bei Trenkwalder in Polen sind allein 35 Mitarbeiter für die Betreuung der ukrainischen Gastarbeiter“ abgestellt. Diese „hohe Komplexität“ im Personalwesen könnten Firmen nicht mehr allein leisten, so Erciyaz, der selbst ein Kind türkischer Gastarbeiter in Deutschland ist.
Trenkwalder sieht in der Personalvermittlung und -administrierung gute Wachstumschancen, während der Kernbereich Personal-Überlassung eher stagniert. Um Fachkräfte nicht gleich ins Land holen zu müssen, erlebe auch das Outsourcing von Tätigkeiten wie Callcenter oder IT-Entwicklung ein Comeback. Als weiteres Standbein baut der Zeitarbeitskonzern ein Online-Lernportal mit interaktiven Videokursen auf. Dadurch soll etwa das Erlenen von Fremdsprachen beschleunigt werden.
Austro-Chef kündigte
Trenkwalder International zählt mit rund 45.000 Beschäftigten in 17 Ländern zu den Top-3-Personaldienstleistern in Zentraleuropa. In Österreich, wo 6700 Mitarbeiter beschäftigt sind, kam es kürzlich zum überraschenden Abgang von Geschäftsführer Matthias Wechner, der erst im Vorjahr von der Sicherheitsfirma G4S abgeworben wurde. Wechners Abgang sei „im besten Einvernehmen“ erfolgt, betont Erciyaz. Rasche Wechsel seien in der Branche nicht unüblich.
Ein Nachfolger soll über den Sommer gefunden werden. Gerüchte über schlechte Zahlen bei der Österreich-Tochter weist er zurück. „Wir wachsen seit Jahren über den Markt, sowohl beim Umsatz als auch bei der Mitarbeiteranzahl“. Die Organisation in Österreich sei neu aufgestellt worden und profitabel. Der deutsche Eigentümer Droege werde auch weiterhin investieren, auch kleinere Übernahmen im Bereich Rekrutierung schließt Erciyaz nicht aus.
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