Spitzenökonom zur Ukraine-Krise: "Die Preise werden hochgehen"
Achim Wambach leitet das renommierte Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Im KURIER-Interview warnt der Spitzenökonom vor einem Energiepreisschock bei einer Eskalation in der Ukraine, sieht aber auch Versäumnisse in der Wirtschaftspolitik mit Russland. Die Inflationsängste hält er für übertrieben, staatliche Teuerungsausgleiche mit der Gießkanne für den falschen Weg. Die Energiepreise werden aufgrund der Ökowende weiterhin hoch bleiben, der Staat müsse hier sozial ausgleichen.
KURIER: Zur Ukraine-Krise: Welche wirtschaftlichen Folgen erwarten Sie im Falle einer Eskalation für Deutschland und Österreich?
Achim Wambach: Gesamtwirtschaftlich ist die Bedeutung Russlands für die hiesige Industrie etwas zurückgegangen, aber unsere Abhängigkeit von Gasimporten ist schon sehr groß. Kommt es zu einem militärischen Konflikt, werden die Energiepreise weiter ansteigen. Die wirken dann auf alle Branchen.
Rechnen Sie wie andere Ökonomen in der Folge mit einem Ölpreisschock?
Das Risiko ist jedenfalls vorhanden. Die Preise werden hochgehen.
Die Gasspeicher sind fast leer. Könnte es zu Versorgungsproblemen kommen?
Die Gas-Lieferungen durch Russland wurden bereits vor der aktuellen Zuspitzung des Konflikts zurückgefahren, was auf ein taktisches Verhalten schließen lässt. Da sind wir empfindlich und diese Karte spielt Russland jetzt aus.
Hat sich Europa zu abhängig vom russischen Gas gemacht?
Es ist nie gut, sich bei einer wichtigen Ressource wie Gas auf einen Lieferanten zu verlassen. Davor wurde ja auch beim Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 gewarnt. Die Diskussion um die Ostsee-Pipeline hatte immer auch eine politische Komponente. Hinzu kommt, dass der Handel zwischen Europa und Russland in den vergangenen zehn Jahren abgenommen hat. Aber je stärker die wirtschaftliche Verflechtungen sind, umso teurer wird es für alle Beteiligten, in solche Konflikte reinzulaufen. Eine etwa gleichgroße gegenseitige Abhängigkeit verringert also die Konfliktbereitschaft – und das ist ja auch ein Vorteil.
Es sind nicht alle EU-Länder gleich abhängig von russischem Gas. Erschwert das nicht eine einheitliche Linie gegenüber Russland?
Länder wie Deutschland sind stärker von abhängig als andere Staaten. Putin hatte offenbar angenommen, dass die EU-Länder bei der Vereinbarung von Sanktionen deshalb zu keiner gemeinsamen Linie finden. Danach sieht es nicht aus. Bei einem Einmarsch in die Ukraine würde Völkerrecht gebrochen, da gibt es eine klare gemeinsame Haltung.
Was sind die Alternativen zum Russen-Gas. Flüssiggas aus den USA?
In einem militärischen Krisenfall ist Flüssiggas vermutlich die Hauptalternative. Die Hafenkapazitäten sind aber beschränkt und es gibt zudem langfristige Lieferverträge der Gaslieferanten, die auch nicht von heute auf morgen ihre Gaslieferungen umlenken können. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, sind auch Einsparungen nicht ausgeschlossen. Die Gasreserven reichen aber voraussichtlich noch für die nächsten Monate und die Haushalte können bis weit ins Frühjahr bedient werden.
Zu den Kriegsängsten kommen derzeit die Inflationssorgen. Gehören Sie hier eher zu den Warnern oder zu den Beschwichtigern?
Nach unseren Umfragen sehen die Finanzexpertinnen und Finanzexperten die Inflation in der Eurozone zurückgehen. In ihren Prognosen wird das Verhalten der Zentralbanken bereits antizipiert. Die zu erwartenden Zinsschritte sind hier also schon eingepreist. Ich gehe davon aus, dass die EZB hierzu auch reagieren wird.
Eine Leitzinserhöhung schlägt immer erst mit Verspätung auf die Haushaltspreise durch. Brauchen wir also noch Geduld?
Der Zinsschritt für sich allein genommen ist gar nicht so relevant. Was zählt, ist die Erwartungshaltung der Menschen. Müssten sie sich auf eine langfristige Geldentwertung gefasst machen, wäre das ein Grund zur Sorge vor einer beginnenden Lohn-Preis-Spirale. Denn die Höhe der Lohn-Forderungen richtet sich auch nach der zu erwartenden Inflation.
Top20-Ökonom
Achim Wambach (53) ist seit 2016 Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Zuvor hatte der Physiker und Volkswirt den Lehrstuhl für Wirtschaftliche Staatswissenschaften der Universität zu Köln inne. Er selbst belegt im FAZ-Ranking der einflussreichsten Ökonomen des deutschsprachigen Raums seit Jahren einen Platz in den Top 20.
Schwerpunkt Wettbewerb
Darüber hinaus ist Wambach seit Juli 2014 Mitglied und seit März 2016 Vorsitzender der unabhängigen deutschen Monopolkommission, die die Regierung in Wettbewerbsfragen berät. Er forscht vor allem zu Wettbewerbspolitik, Marktdesign und Industrieökonomik.
Viele Staaten versuchen, mit Teuerungsausgleichen oder Preisdeckel die Inflation sozial abzufedern. Welches Mittel wirkt am besten?
Höhere Energiepreise werden wir auch künftig sehen, dann als Folge des Energiewandels. Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien wird Heizen eben nicht billiger, sondern teurer. Der Hebel für einen Teuerungsausgleich ist die Sozialpolitik. Erst wenn sozialpolitische Maßnahmen an ihre Grenzen stoßen, sollten andere ergriffen werden. Es ist besser, an die ärmeren Haushalte zu denken als mit der Gießkanne Geld an alle zu verteilen.
Was halten Sie von einer Mehrwertsteuersenkung auf Haushaltsenergie?
Die Mehrwertsteuersenkung ist ein Konjunkturinstrument, das in Deutschland in der Corona-Krise erstaunlich gut gewirkt hat. Es ist aber kein sozialpolitisches Mittel. Da ist es besser, mit Heizkostenzuschüssen zu arbeiten. Der aktuelle Energiepreisanstieg hat viele Gründe, ist aber ein temporäres Problem. Die langfristig wichtigere Frage ist doch: Wie begleitet die Politik den Strukturwandel? Und da sind sowohl die Regionalpolitik als auch die Sozialpolitik besonders wichtige Instrumente. Nicht aber die Gießkanne.
Österreich gewährt als Ausgleich für die C02-Bepreisung den Steuerzahlern einen Klimabonus bis zu 200 Euro aus. Gerechtfertigt?
Aus wirtschaftlicher Sicht überzeugt dieser Schritt nicht. Warum soll ich als Professor 200 Euro Bonus erhalten? Die Einnahmen aus dem erhöhten CO2-Preis kann der Staat gut gebrauchen. Er hat viele Ausgaben zu stemmen, man denke nur an das Sozialversicherungssystem, da quietscht es an allen Ecken und Kanten. Warum soll er Haushalten, die nicht darauf angewiesen sind, also Geld zurückzahlen?
In Österreich werden Anfang März die Corona-Maßnahmen weitgehend gelockert. Sollen dann auch die Covid-Hilfen auslaufen?
Die staatlichen Hilfsprogramme haben die Wirtschaft erfolgreich stabilisiert. Das war wichtig, denn anders als etwa in der Finanzkrise ist durch die Corona-Krise keine Blase geplatzt, in deren Folge ganze Geschäftsmodelle zugrunde gegangen sind.
Gleichzeitig führten die Hilfen aber dazu, dass der Aufräumeffekt, der Krisen sonst begleitet, ausgeblieben ist. Trotz Pandemie gingen die Insolvenzen sogar noch zurück. Es wurden viele Unternehmen gerettet, die in normalen Zeiten aus dem Markt gegangen wären. Meine Sorge ist, dass die Verlängerung der Hilfen das noch verstärkt und der nötige Strukturwandel dadurch gebremst wird.
Kurzarbeit nutzt derzeit vor allem die Autoindustrie…
Ja genau, das meinte ich. Die Wirtschaft wächst wieder kräftig, da braucht es keine großen Hilfsprogramme.
Die Staaten haben sich mit den Corona-Hilfen hoch verschuldet. Woher sollen jetzt die Mehreinnahmen kommen. Von einer Vermögenssteuer?
Die Verschuldung der öffentlichen Hand ist sicher ein großes Thema und gleichzeitig ist die wachsende Vermögenskonzentration teilweise fast schon dramatisch. Unsere Steuer beruht auf dem Leistungsprinzip. Wer leistungsfähiger ist sollte mehr Steuern zahlen. Gerade die Vermögenssteuer ist aber nicht umsonst abgeschafft worden. Sie ist sehr kompliziert zu erheben. Vermögen besteht auch in Möbeln, Schmuck oder Bildern- das muss alles bewertet werden. Dazu sind die ganz großen Vermögen mobil und daher schwer greifbar. Besser wäre es zuerst mit der Erbschaftssteuer anzufangen, weil die besser begründbar ist und mehr Spielraum bietet.
Wie hoch soll sie sein?
Der wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium hat in einer vielbeachteten Studie einen Steuersatz zwischen 8 und 12,5 Prozent vorgeschlagen, allerdings für Deutschland.
Auch Digitalkonzerne wie Google oder Apple sollen mehr Steuern zahlen. Was erwarten Sie sich von der globalen Mindeststeuer?
Laut unserer Studien ist kein besonders starker Effekt durch die geplante weltweite Mindeststeuer zu erwarten. Das Problem der Steuervermeidung vor allem durch Digitalkonzerne ist damit leider noch immer nicht gelöst. Es stellt sich die Frage, ob eine konsequentere Durchsetzung der Umsatzsteuer im Digitalbereich nicht mehr Steuergerechtigkeit brächte.
Kommentare