Warum die Digitalisierung die soziale Marktwirtschaft untergräbt
Beim Gedanken an die Digitalisierung überwiegt bei vielen Menschen die Sorge – Angst um den Arbeitsplatz, wegen des Tempos des Technologiewandels, vor dem Missbrauch von Daten. „Digitaler Wohlstand für alle“, verspricht unterdessen Achim Wambachs jüngstes Buch. Eine Provokation?
„Ich will diesen Strukturwandel gar nicht kleinreden: Er bringt Unsicherheit mit sich“, sagt der Vorsitzende der deutschen Monopol-Kommission und Präsident des renommierten Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, im Gespräch mit dem KURIER.
Sein Institut ZEW hat erhoben, dass 10 bis 12 Prozent der bestehenden Jobs komplett automatisierbar wären. Bei weiteren 20 bis 30 Prozent fielen Tätigkeiten weg, sodass sich das Berufsbild verändert. Allerdings werden so bei den Unternehmen Ressourcen frei, es entstehen Arbeitsplätze in ganz anderen Bereichen.
Ein Beispiel: Deutschland habe schon jetzt nach Singapur und Südkorea die meisten Industrieroboter (pro Kopf) im Einsatz. „Unterm Strich hat das zu mehr Jobs geführt. Es gibt also Gründe, positiv gestimmt zu sein.“ Wie bei jedem Übergang gebe es aber Gewinner und Verlierer. Da sei die Politik gefordert.
Digital statt sozial
Zur Herausforderung wird die Digitalisierung aber auch, weil sie Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft untergräbt.
Daten statt Preise
Traditionell gilt der Verkaufspreis als zentrales Marktsignal, das Angebot und Nachfrage steuert. In der Digitalökonomie sind Services oft kostenlos. Zum Zahlungsmittel werden Daten, deren Wert und Verwendung für die Nutzer aber nicht transparent ist.
Teilen statt besitzen
Privateigentum verliert an Bedeutung, statt des Besitzes rückt die Nutzung in den Mittelpunkt („Sharing Economy“)
Monopole
Je mehr User sich auf Plattformen wie Google und Facebook tummeln, umso attraktiver werden sie. Solche „Netzwerkeffekte“ gefährden fairen Wettbewerb, weil sie Rivalen ausschließen, die nicht über so viele Daten verfügen.
Clickworker
Dass digitale Jobs nicht ortsgebunden sind, droht die Sozialpartnerschaft zu untergraben. Viele Online-Aufgaben können um ein paar Cent irgendwo auf der Welt erledigt werden.
Zerschlagung denkbar
Anders als in der alten Welt wachsen die Digitalriesen selten durch Zusammenschlüsse. Somit wird die Kontrolle von Missbrauch wichtiger als die Fusionen, siehe die EU-Verfahren gegen Google. Womöglich müssten die Behörden künftig frühzeitiger Verhaltensregeln aufstellen.
Eine Verpflichtung, Daten mit Mitbewerbern zu teilen, sähen die Aufseher gemischt. Das wäre nahe an unerlaubten Absprachen, Datenschutz und Betriebsgeheimnisse seien weitere Hürden. Allerdings habe San Franciso die Genehmigung für Mietscooter an die Pflicht gekoppelt, sämtliche Daten zu den Verkehrsströmen zu veröffentlichen.
Und was ist mit einer Zerschlagung von Facebook oder Google? „Das ist als Ultima Ratio aber nicht undenkbar“, so Wambach. „So weit sind wir aber noch lange nicht.“ Eines müsse aber klar sein: „Zerschlagen geht einher mit dem Verzicht auf Vorteile.“
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