Tirol: Winterurlauber lassen Rubel und Blechlawine rollen

Ein Skifahrer mit Helm und Skiern auf dem Parkplatz eines Skigebiets.
Der Tourismus in Tirol boomt. Die Täler ersticken aber zunehmend im Verkehr. Denn 80 Prozent der Gäste kommen mit dem Auto.

Der Bahnhof in St. Anton am Arlberg. Ein Familienvater aus Kanada wuchtet ein gutes Dutzend Gepäckstücke in den Waggon eines ÖBB-Railjets nach Zürich. Das Ende des Winterurlaubs in Tirol ist schweißtreibend. Kaum sind Koffer und Taschen verstaut, folgen die atemlose Frau des Mannes und die drei Kinder des Paares ins Abteil nach.

Trotz der stressigen Minuten vor der Abfahrt beginnen die Touristen aus Übersee kurz darauf vom Reisen mit dem Zug zu schwärmen, während vor dem Fenster die verschneite Landschaft des Arlbergs vorbeizieht.

Nur acht Prozent kommen mit der Bahn

Als bahnfahrende Tirol-Urlauber gehören die Kanadier zu einer Minderheit. Gerade einmal acht Prozent der Gäste reisen mit dem Zug an. Zwölf Prozent kommen mit dem Flugzeug. Und 80 Prozent mit dem Auto, auch wenn An- und Abreise eine echte Geduldsprobe sind.

Für die Bevölkerung in Tirols Tourismustälern ist der Urlauberverkehr längst zu einer massiven Belastung geworden.

Tirol: Winterurlauber lassen Rubel und Blechlawine rollen

Die Anreise mit der Bahn ist noch ein Minderheitenprogramm

„Es ist zum Grausen, wie oft wir im Stau stehen“, schimpft eine einheimische Pensionistin in Schlitters am Eingang des Zillertals. Hoffnung auf Besserung hat sie nicht: „Die Gäste wollen alle mit dem Auto bis vor die Hoteltür fahren.“

Eine Studie der Universität Innsbruck hat 2018 die größten Hürden für den Verzicht auf die Pkw-Anreise zu Tage befördert. Im Sommer fürchten die Gäste die eingeschränkte Mobilität vor Ort. Im Winter ist der Hauptgrund dafür, dass sie nicht mit der Bahn anreisen, der Gepäck- und Sportgerätetransport.

Die Folge dieses Verhaltens sind massive Staus auf den Routen in die Tiroler Tourismusorte – vor allem beim Urlauberschichtwechsel an den Samstagen. Das Zillertal gilt als einer der Brennpunkte: Schon bei der Einfahrt in das Tal stauen die Urlauber regelmäßig bis auf die Autobahn retour.

Stau auf einer Autobahn in Richtung Innsbruck, Salzburg und München.

Bei der Zufahrt ins Zillertal staut es regelmäßig bis auf die Inntalautobahn zurück

Gleichzeitig rollen Kolonnen von Mautflüchtlingen vom Achensee an der Grenze zu Deutschland herunter. Auf der B169, die durch das ganze Zillertal führt, treffen die Ströme aufeinander. An Spitzentagen sind auf dieser Bundesstraße bis zu 26.000 Fahrzeuge unterwegs. Und das oft nur noch im Schritttempo.

„Das ist Piefkesage live. Aber wir wachsen damit auf. Und wir leben vom Tourismus“, sagt Dagmar Margreiter lachend, während sie mit ihrer sechsjährigen Tochter Jasmin vor einem Supermarkt gerade die Einkäufe ins Auto lädt. An Samstagen vermeidet sie solche Erledigungen, erzählt die 49-jährige Zillertalerin aus Bruck am Ziller.

Eine Frau hält ein kleines Mädchen mit Mütze vor einer Bergkulisse im Arm.

Dagmar Margreiter mit Tochter Jasmin fühlt sich wie in der Piefke-Saga

Die schwarz-grüne Landesregierung versucht in diesem Winter erstmals jene Ortschaften entlang der Hauptverkehrsrouten mit Fahrverboten zu schützen, durch die von Navis gelenkte Touristen bislang fuhren, um den Staus auszuweichen.

12,4 Millionen Gäste

In den Urlaubsregionen selbst – wie etwa im Zillertal – bringt das freilich keine Entlastung. Land und Tourismus wollen die Anreise mit der Bahn forcieren. Vorerst steigt der Pkw-Verkehr aber weiter. Denn der Tourismus boomt – im Winter wie im Sommer. 2009 wurden in Tirol 9,1 Millionen Ankünfte registriert. Im Vorjahr waren es bereits 12,4 Millionen.

Eine Familie packt Skiausrüstung in den Kofferraum eines Autos.

Chris Bräunig aus Deutschland will auf das Auto nicht verzichten

Chris Bräunig ist gerade mit seiner Familie mit dem Auto in Zell am Ziller angekommen. Noch bevor es ins Hotel geht, wollen die Deutschen aus Sachsen auf die Piste. Die Parkplätze des Skigebiets sind an diesem Montagvormittag bereits voll.

Eine Anreise mit der Bahn wäre für Bräunig nicht in Frage gekommen. „Das ist zu kompliziert“, sagt er mit Verweis auf das Gepäck im Kofferraum seines Wagens. Und damit gehört er zur Mehrheit der Tirol-Urlauber.

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