Tiertransporte: "Rinder werden einfach über Bord geworfen"
26 Millionen Tiere wurden allein 2021 aus Österreich über die Landesgrenzen abtransportiert – lebend.
"Wie in allen Wirtschaftsbereichen gibt es auch in der Fleischwirtschaft eine internationale Arbeitsteilung, die dazu führt, dass Tiere kreuz und quer über den Kontinent und darüber hinaus gekarrt werden", sagt Veronika Weissenböck von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten.
Beim Großteil der Tiere handelt es sich um Geflügel. In einer industrialisierten Welt werden die Eier nicht mehr in Strohställen ausgebrütet, sondern in hocheffizienten Brütereien – die es eben nicht überall gibt. Womit die Tiertransporte ihren Lauf nehmen. Weissenböck: "Die meisten Geflügelabnehmer sind in Deutschland, Polen und Ungarn, wir exportieren aber auch in Drittstaaten wie Albanien."
Küken auf Reisen
Die erlaubten maximal zwölf Stunden Transportzeiten würden oft nicht eingehalten. Dazu komme, dass die Be- und Entladezeiten nicht zur Transportzeit gezählt werden. "Oft warten die Tiere dann ja noch über Nacht, 12 weitere Stunden zusammengepfercht ohne Futter und Wasser, aufs Ausladen."
Bei sogenannten Tagesküken sind die Regeln noch lockerer. Sie dürfen bis zu 24 Stunden auf Reisen geschickt werden, wenn sie innerhalb von 72 Stunden nach dem Schlupfen losgeschickt werden. Die EU-Vorgaben sind laut Weissenböck jedenfalls lasch, ihre Einhaltung werde in der Praxis nicht kontrolliert: "Wo kein Kläger, da kein Richter."
Kälberabtransport
Ein Problem, das auch bei vielen Rinder- oder Schweinetransporten omnipräsent sei. "Eigentlich müssten Rinder nach 29 Stunden Transportzeit 24 Stunden eine Pause bekommen. In der Realität sind sie oft tagelang unterwegs. Oft auf ausrangierten Autofähren, was dann absurderweise auch noch als rechtliche Ruhezeit ausgewiesen wird", ärgert sich Weissenböck: "Tiere, die das nicht überleben, werden einfach über Bord geworfen."
Ein Nebeneffekt der relativ großen Milchwirtschaft in Österreich ist übrigens der Export von Kälbern. Naturgemäß sind männliche Kälber für die Milchwirtschaft wertlos, sie werden also exportiert, normalerweise im Alter von rund drei Wochen. Vor allem nach Italien, Polen und Spanien. Auch hier gibt es am Transportweg keine Versorgung. "In Spanien werden die Tiere dann mit einem billigen Gemisch aus Wasser, Milchpulver und Palmöl hochgemästet und dann geht es oft mit dem Schiff weiter in Drittstaaten. Etwa nach Algerien, Tunesien, Marokko oder in den Libanon."
Importe
Gleichzeitig importiert Österreich jedes Jahr unter anderem knapp 500.000 lebende Schweine, mehr als 20 Millionen Stück Geflügel oder knapp 100.000 Rinder (siehe Grafik). Zum Mästen und zum Schlachten. Aus Sicht von Weissenböck werden "Tiere wie Autoteile herumverschifft. Der einzige Unterschied – auf die Autoteile wird mehr acht gegeben", so die Tierschützerin.
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