Textiles: Zwischen Luxusmeile und Container
Im Bekleidungshandel zählt vor allem eines: Tempo. „Wird in Paris die Haute Couture präsentiert, kupfert sie Zara binnen drei Tagen ab und hat sie drei Wochen später im Geschäft“, sagt Peter Schnedlitz, Handelsexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien. Mit diesem Tempo ist der spanische Textilhändler zur weltweiten Nummer eins seiner Zunft aufgestiegen. Ganz ohne Werbung, dafür mit Geschäften in den teuersten Einkaufsstraßen der Welt.
Zur Zara-Mutter Inditex gehören sieben weitere Marken wie Massimo Dutti und Bershka. Inditex-Gründer Amancio Ortega wird gerne mit „Mode ist wie Joghurt. Es hat ein Ablaufdatum“ zitiert. Jede Woche beliefert er seine Läden mit neuer Mode. Was sich nicht binnen Tagen verkauft, wird verschifft. „Wenn das giftgrüne T-Shirt in Helsinki nicht gefragt ist, wird es binnen 24 Stunden nach Sizilien verfrachtet, wenn es dort mehr Abnehmer gibt“, erklärt Schnedlitz das ausgeklügelte Logistiksystem.
Möglichkeiten zum Warenaustausch hat der börsenotierte Konzern zuhauf – mit 6100 Läden in 86 Ländern. Die Spanier segeln weiter auf Erfolgskurs: Im ersten Halbjahr stieg der Inditex-Umsatz um sechs Prozent auf 7,7 Milliarden Euro.
Vom Kleid zum Vorhang
Zara will aber nicht mehr nur die Kleiderkästen seiner Kunden ausstatten, sondern auch gleich ihre Wohnung: Mit Vorhängen, Tischdecken und Accessoires. Damit reizen die Spanier – wie auch das schwedische Handelshaus H&M, weltweit die Nummer zwei am Textilmarkt – die Strahlkraft ihrer Marke aus. Der Zusammenhang von Mode und Heimtextilien sei größer als man denkt, sagt Schnedlitz: „Ist in einem Jahr lila die Modefarbe, steigen im Folgejahr die Umsätze mit Heimtextilien dieser Farbe signifikant.“
Inszenierung ist bei Mode die halbe Miete. „Marken mieten sich temporäre Verkaufsstellen an coolen Locations, um ihrer Kernzielgruppe neue Kollektionen vorzustellen“, beobachtet Wolfgang Richter, Chef des Standortberaters RegioPlan. Neu sind Pop-up-Stores, die man derzeit vor allem aus den Modemetropolen London und Paris kennt. Dabei handelt es sich um Schiffscontainer, die von Stadt zu Stadt geschippert werden. Darin stellen Marken wie Nike oder Adidas ihre neuen Kollektionen vor. In Österreich soll übrigens im Frühjahr 2014 die erste Pop-up-Shopping-Mall mit acht Containern am Wiener Rochusmarkt eröffnen.
Diskonter unter Druck
Einfach nur Kleider in Filialen hängen und „superbillig“ drüberschreiben, reicht nicht mehr. „Diskonter stehen vor Herausforderungen, weil es den besten Preis mittlerweile im Internet gibt“, sagt Richter. Der deutsche Textildiskonter Kik reagiert bereits mit dem Aufputz seiner Filialen – und will das Webgeschäft ausbauen. Spätestens 2015 soll auch in Österreich ein Onlineshop kommen.
Der größte Bekleidungsfilialist Österreichs – gemessen an der Zahl der Standorte – ist Konkurrent NKD. Die deutsche Eignerfamilie Daun hat sich allerdings mit ihrem ambitionierten Expansionskurs verhoben. Die Kette mit 2000 Filialen in sieben Ländern sucht einen Investor. Das Geschäft soll wieder verkleinert werden. Nach der Restrukturierung will die Familie Daun nicht nur Kleider, sondern gleich das ganze Unternehmen verkaufen.
Die Wiener Luxusmeile "Goldenes Quartier"
Der Online-Modehändler Zalando hat 2012 in Österreich (bereinigt um Retouren) geschätzt rund 42 Mio. Euro umgesetzt. Damit ist das Berliner Unternehmen auf Platz 6 der Top-Onlinehändler in Österreich, Nummer 1 ist Amazon. Zu diesem Ergebnis kommen das EHI Retail Institut und das Statistikportal Statista.
Zalando selbst kommentiert Umsätze in einzelnen Ländern nicht. 2012 setzte das Unternehmen insgesamt 1,15 Mrd. Euro um, etwa die Hälfte davon in Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH). In diesen Ländern sei im vergangenen Jahr die Gewinnschwelle erreicht worden.
Noch tief im roten Bereich
"Wir sehen in allen Märkten eine positive Entwicklung und einen klaren Trend zur Profitabilität", sagte Zalando-Gründer Robert Gentz zur APA. Insgesamt gesehen steckt Zalando aber noch tief in den roten Zahlen: Der Verlust vor Steuern und Zinsen betrug im Vorjahr rund 90 Mio. Euro.
Seit dem Launch der Österreich-Seite verschickte der Internethändler rund 1,8 Millionen Pakete in die heimischen Haushalte, rund die Hälfte davon wurde wieder zurückgeschickt. Die Retourenquote bei Zalando gilt als eine der Höchsten in der Branche. Gentz dementiert: "Unsere Retourenquote liegt insgesamt bei rund 50 Prozent, das entspricht dem Branchenschnitt. Die Quote variiert noch einmal je nach Waren- und Kundengruppe und auch zwischen den verschiedenen Ländern." Beim Versandhändler Otto beträgt die Rücklaufquote nach deren Angaben 35 Prozent.
Wiener und Tiroler kaufen anders
Die Bestellungen variieren je nach Land. In Österreich seien Abendroben, Sport- und Outdoorbekleidung und Trachtenmode besonders gefragt, erzählt Zalando-Österreich-Chef Dominik Rief. Wiener shoppten am liebsten Schuhe, in Tirol und Vorarlberg würden dagegen am häufigsten Sportartikel bestellt. Die Tiroler kauften in Österreich die meisten Home-Artikel. Geliefert wird aus Deutschland. In Österreich hat Zalando kein eigenes Warenlager und deshalb auch keine Mitarbeiter.
In Deutschland beschäftigt die Firma rund 1000 Mitarbeiter in den Berliner Büros, fast 2000 am Logistikstandort Erfurt und 800 am Standort in Brieselang. Seit August läuft ein Testbetrieb im neuen Logistikzentrum in Mönchengladbach. Auf längere Sicht sollen dort bis zu 2000 Menschen tätig sein.
Aufregung um Reportage über schlechte Arbeitsbedingungen
Das Warenlager in Großbeeren wird vom niederländischen Dienstleister Docdata betrieben. 2012 stand Zalando deswegen wochenlang in der Kritik. Das ZDF brachte eine Reportage über die schlechten Arbeitsbedingungen in dem Lager.
"Zusammen mit dem Unternehmen haben wir vor Ort sofort Maßnahmen ergriffen und zusätzlich Sozialstandards mit allen Partnern vereinbart, die unangekündigt von unabhängigen Instituten geprüft werden. An unseren eigenen Standorten waren und sind die Arbeitsbedingungen gut", räumt Gentz ein. Zalando habe es sich zum Ziel gesetzt, über das Jahr nicht mehr als 10 Prozent Zeitarbeitskräfte einzusetzen. Einen Betriebsrat gibt es derzeit nicht. Man sei überzeugt, "Themen im Unternehmen persönlich anzusprechen und gemeinsam mit den Mitarbeitern lösen zu können".
Am Anfang war der Schuh
Zalando wurde 2008 von Robert Gentz und David Schneider mit einem Startkapital von weniger als 100.000 Euro gegründet. Zu Beginn wurden nur Schuhe verschickt, mittlerweile macht das Unternehmen rund die Hälfte des Umsatzes mit Bekleidung. Unter den in Summe 1500 angebotenen Marken befinden sich auch 12 Eigenmarken. Zalando beliefert über 15 Millionen Kunden in 14 Ländern. Weitere Länder seien heuer nicht mehr geplant, so Gentz.
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