Die Trickkiste der Händler

Bei der Mode ebenso wie beim Gemüse: Die Ladengestaltung und Inszenierung im Geschäft machen einen guten Teil des Umsatzes aus. Vor allem für junge Kunden wird Shopping zum Event.

Einkaufstaschen sind, sobald man sie zuhause auspackt, ein Phänomen. Warum hat man gekauft? Ein schwacher Moment? Oder, weil die Händler erfolgreich in ihre Trickkiste gegriffen haben? Letzteres gehört zum guten Geschäft dazu.

Händler überlassen nichts dem Zufall. Der Bereich, in dem die Umkleidekabinen sind, wird gern um ein paar Grad kühler gemacht. Im Sommer fühlen sich Kunden dann dort wohler, probieren mehr an und kaufen – so die Hoffnung – auch mehr ein. Selbst der Schein, dass das Kleid im Geschäft eine bessere Figur gemacht hat, kann durchaus richtig sein. Mitunter sind die Spiegel bei den Kabinen verzerrt und zeichnen ein besseres Bild. Dazu kommt warmes Licht, das die neue Mode besser aussehen lässt, wissen Branchenkenner.

P&C: Meister der Inszenierung

Die Trickkiste der Händler

Ein Meister der Inszenierung ist laut Peter Schnedlitz, Professor am Institut für Handel und Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien, die Textilkette Peek & Cloppenburg (P&C). Sie versteht es, Modehäuser mit Flächen von rund 20.000 Quadratmetern mit Kleidern, Jacken, Hosen und Accessoires zu bestücken und dem Kunden dabei auch noch das Gefühl zu geben, im Wirrwarr der Marken und Labels nicht unterzugehen.

Der Aufbau der P&C-Niederlassungen ist immer derselbe, erklärt Schnedlitz: Vorne im Eingangsbereich gibt es die Handelsmarken – also hauseigene Marken, mit denen der Händler auch am meisten Geld verdient. Wer das Geschäft betritt, kommt nicht an ihnen vorbei. Und greift wohl auch zu Teilen, die ihm vor Betreten des Geschäfts gar nicht in den Sinn gekommen wären. Die großen Marken von Hugo Boss bis Burberry sieht der Konsument zunächst nur aus der Ferne – in Form von großen Schriftzügen an den Wänden. Die Marken befinden sich immer an den Außenseiten der Läden. Schnedlitz: „P&C beschäftigt sich intensiv mit der Ladengestaltung. In den einzelnen Abteilungen wird sogar nach Zielgruppe eine andere Musik gespielt.“

Club-Stimmung

Bei der Jugend kommt es jedenfalls gut an, wenn die Musik im Laden jener des Szene-Clubs gleicht. Laut einer Studie der WU-Wien geht es daher in Läden von Mango (68 Dezibel), Springfield und Pimkie besonders laut her. Zum Zeitpunkt der Erhebung war Hollister noch nicht in Österreichs Handelslandschaft eingezogen. Die Trendmarke aus den USA hat eine ausgefallene Art der Inszenierung gewählt: Dunkle Läden, in denen blaue Jeans wie funkelnde Diamanten beleuchtet werden, dazu laute Musik und Store-Models.

Teures auf Augenhöhe

Auch der richtige Duft soll Einkaufslaune ins Geschäft bringen. Allerdings darf er nicht zu aufdringlich sein, wissen Experten. So versprüht etwa das Donauzentrum – das größte Shoppingcenter in Wien – in den Gängen Düfte, die eine Wohlfühlatmosphäre schaffen sollen. Im Frühjahr wird verstärkt zu Blumendüften gegriffen, vor Weihnachten sollen Zimt und Vanille Lust auf den Kauf von Weihnachtsgeschenken machen.

Während Parfüm-Düfte polarisieren, sind sich laut Studien alle Altersgruppen, Gesellschafts- und Bildungsschichten einig, dass frisches Brot und Gebäck gut riecht. Lebensmittelhändler setzen darauf, dass der Geruch auch den Appetit auf die Ware steigert. Verstärkt werden Brotbackautomaten aufgestellt, die für den Duft von frischem Gebäck sorgen. Auch, dass Obst- und Gemüse meist gleich im Eingangsbereich der Supermärkte platziert ist, ist kein Zufall. Laut Experten wirkt das umsatzsteigernd. Denn mit der Präsentation von Äpfeln, Tomaten, Bananen oder Kiwis soll eine Art Marktflair geschaffen werden, das zum längeren Verbleib im Geschäft einlädt. Acht von zehn Kunden sagen, dass sie die Produktqualität im Laden am ehesten an der Qualität von Obst und Gemüse ablesen können. Wer beim Einkauf sparen will, sollte auch einen Blick in die untersten Regalreihen werfen. Dort liegen – quer über alle Warengruppen hinweg – immer die günstigen Artikel. Auf Augenhöhe dagegen die teuersten. Der Grund: Konsumenten greifen aus Bequemlichkeit zu den Artikeln auf Augenhöhe.

Theaterprofis am Werk

Unwohl fühlen sich Menschen, wenn sie zum Einkauf in höhere Etagen gelotst werden. „Es ist schwierig, die Leute ins Obergeschoss zu bringen“, weiß Schnedlitz. Im Extremfall führen diese dazu, dass die Umsätze von Etage zu Etage um bis zu 50 Prozent wegbrechen. Deswegen ist es für Händler eine besondere Herausforderung, mehrgeschoßige Shoppingcenter gut auszulasten. Viele Einkaufszentren sind an dieser Herausforderung gescheitert. Mit ein Grund, warum das Haas-Haus in der Wiener Innenstadt die oberen Stockwerken zu einem Lokal samt Hotel umfunktioniert. Wenn es um Lichtlösungen geht, holen sich Händler meist die Hilfe von professionellen Theaterregisseuren, sagt Schnedlitz.

Plüschtier gegen Punkte, Sticker für Kassenbons, die die Zehn-Euro-Marke übersteigen oder überhaupt gleich kleine Geschenke wie zehn Deka Extrawurst gratis, weil die Supermarktkette gerade ihr 60-jähriges Bestehen feiert. Händler lassen sich einiges einfallen, um Kunden an sich zu binden. Denn von allein kommen sie immer seltener. 2006 haben die Österreicher noch durchschnittlich 190-mal im Jahr ein Geschäft aufgesucht, im Vorjahr waren es nur noch 170 Besuche. Die durchschnittliche Bonsumme liegt bei elf Euro.

Kundenbindungsprogramme sind heute wichtiger denn je. Ein Spezialist dafür ist das britische Unternehmen "The Continuity Company" – kurz TCC. Das Unternehmen organisiert in mehr als 60 Ländern weltweit Kundenbindungsprogramme für Handelsriesen wie Carrefour, Edeka, Metro oder Tesco sowie für Mineralölkonzerne wie Agip, Esso oder bp. Im Prinzip geht es meist darum, Kunden mit Sammel-Aktionen zumindest für eine gewisse Zeit ans Geschäft zu binden. Etwa indem dort gegen Treuepunkte Markenware gratis oder stark reduziert angeboten wird. TCC arbeitet mit einer Reihe von Marken zusammen – unter anderem Alessi, Fissler, Grundig, Philips oder auch Disney und übernimmt das Warenrisiko für die Aktionsware.

„In Österreich setzen wir aktuell zehn bis 15 Projekte im Jahr um, Tendenz steigend“, sagt Österreich-Chef Manfred Litschka, der neben TCC-Österreich für 16 weitere Länder von der Schweiz bis Rumänien zuständig ist.

Shrek an der Tankstelle

Zu den Kunden in Österreich zählen unter anderem OMV-Tankstellen-Shops ebenso wie Interspar oder Billa – letzterer offerierte erst kürzlich mit seinen „Vitaminstars“ Bananen oder Knoblauch im Plüschformat, die es gegen die Einlösung von Treuepunkten gab. Bei der OMV hat TCC unter anderem in neun Ländern eine Aktion rund um den Kinofilm „Shrek“ für neun OMV-Länder organisiert. Gegen Sammelpunkte gab es unter anderem Gläser mit Shrek-Aufdruck.

Laut Manfred Litschka steigen die Umsätze während einer Treue-Aktion um etwa vier bis fünf Prozent. Wenig überraschend ist: „Wenn es etwas gratis gibt, fällt das Plus am stärksten aus“, sagt er. Allein bei Rewe soll eine sechsstellige Zahl an „Vitamin Stars“ über die Ladentische gewandert sein.

Händler sollen nicht einfach Kekse verkaufen, sondern Feierlaune verbreiten. Etwa indem sie Videoscreens mit Bildern ihrer feiernden Kunden in die Keks-Abteilung bringen, meint Paco Underhill. Er ist Chef der Unternehmensberatung Envirosell mit Sitz in New York und Besteller-Autor („Warum kaufen wir?“, „Was Frauen wollen: Warum sie kaufen, was sie kaufen“). Seine Beiträge sind in der New York Times erschienen. Am Rande eines TCC-Marketingforums in Amsterdam sprach er mit dem KURIER über Marken und Verkaufstricks.

KURIER: Wollen Kunden wirklich private Fotos an Händler schicken?

Paco Underhill: In Japan fordern Modegeschäfte ihre Kunden auf, Fotos zu schicken, auf denen sie in den gekauften Kleidern zu sehen sind. Diese Fotos werden dann in Social Media gezeigt.

Gehört Japan damit zu den fortschrittlichsten Ländern?

Die Japaner und Koreaner sind gerade im Modehandel führend. Auch aus kulturellen Gründen. Die jungen Frauen arbeiten, wohnen aber zu Hause, müssen also keine Miete zahlen. Sie geben überdurchschnittlich viel für Mode und Ausgehen aus. Die Marketingverantwortlichen haben das erkannt.

In Italien leben aber auch viele lange zu Hause und da gibt es solche Maßnahmen nicht.

Ja, aber in Italien wohnen viele bei den Eltern, weil sie arbeitslos sind. In Korea haben die jungen Frauen Geld.

Wer ist besonders aktiv in der Kundenbindung?

Marken, die vor allem Frauen als Zielgruppe haben. Frauen sind Social-Media-affiner und reden darüber, was sie mögen und was nicht. Wenn Männer über Marken reden, heißt das nicht unbedingt, dass sie diese auch kaufen. Sie reden über Ferraris, kaufen sie aber nicht.

Kaufen Sie Marken?

Nein. Wenn wir älter werden, merken wir, dass es nur wenige Käufe gibt, die etwas im Leben verändern – schon gar nicht persönliche Unsicherheiten.

Aber eine Rolex ist auch ein gut sichtbares Status-Symbol.

Natürlich, speziell in europäischen Ländern wie Deutschland, wo solche Luxusartikel eine viel längere Tradition haben als in Asien. Die Uhrenindustrie kann reichen Chinesen eine Uhr für 5000 Euro verkaufen, aber sie wird es schwer haben, ihnen eine Uhr für 50.000 Euro zu verkaufen. Wo das Geld noch „jung“ ist, wird der Wert bestimmter Produkte ganz anders wahrgenommen als in anderen Märkten.

„Junges Geld“ – was heißt das?

Der Großteil des Vermögens in den USA und Europa ist in Händen von Leuten über 55 – die nicht mehr viel Neues brauchen. Wenn ich aber 35 bin und viel Geld verdiene, brauche ich alles Mögliche. Die Konsumenten und die Unternehmer sind jünger. In Brasilien und China gibt es viele 35-Jährige, die viel mehr Geld verdienen, als ihre Eltern jemals hatten. Sie wollen Marken, die Nachfrage ist unglaublich stark.

Wie bekommt man die Kunden dazu, mehr Geld auszugeben?

Indem man ihnen das Gefühl von Exklusivität gibt, die Produkte nicht überall erhältlich sind. Eine Barbie-Puppe kann ich online kaufen. Will ich die mit den roten Haaren, muss ich zum Händler gehen. Immer mehr Hersteller machen mit Händlern Exklusiv-Verträge für bestimmte Modelle. Eine andere Möglichkeit sind Paketlösungen.

Stimmt der Eindruck, dass Männer nicht gern shoppen gehen?

Es gibt Unterschiede zwischen den Generationen. Ich hätte mich nie mit meinen Freunden zum Shoppen verabredet. Aber mein Sohn und meine Enkel tun das.

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