Tagestouristen in Salzburg: „Wen lässt man herein, wen nicht?“

In der Getreidegasse kommt kaum eine der Tausenden Touristengruppen vorbei
Den Einheimischen ist der Andrang in ihrer Stadt zu viel. Das Hinauswerfen ist aber auch keine Lösung.

Kaum ein Salzburger hat die Entwicklung vom beschaulichen zum Massentourismus in der Landeshauptstadt so hautnah miterlebt wie Horst Reischenböck. Er arbeitet seit über 50 Jahren als Fremdenführer in der Stadt. Dafür und für die Ausbildung des Nachwuchses hat er das silberne Ehrenzeichen der Republik für Erwachsenenbildung erhalten.

„Als ich angefangen habe, dauerte die Saison von April bis Oktober, dann war tote Hose. Damals waren wir 10 Fremdenführer, jetzt sind es 170“, erzählt Reischenböck bei einem Rundgang mit dem KURIER durch Getreidegasse, Goldgasse und Residenzplatz. Dazu kommen noch zahlreiche Gruppen, die von auswärtigen Reiseleitern durch die Altstadt geschleust werden.

Tagestouristen in Salzburg: „Wen lässt man herein, wen nicht?“

„Mittlerweile sind es eindeutig zu viele Touristen. Österreich ist ein Tourismusland, wir leben davon, aber man muss differenzieren“, sagt der Fremdenführer. Die Politik würde die ständigen Zuwachsraten im Tourismus bejubeln. „Wie viele Leute das über die Jahre in absoluten Zahlen sind, das wird nicht gefragt.“ Wobei die zahlreichen Bustouristen, die die Salzburger Altstadt besuchen, in keiner Statistik aufscheinen. Diese seien für sich genommen aber nicht das Problem.

Tagestouristen in Salzburg: „Wen lässt man herein, wen nicht?“

Horst Reischenböck, seit 50 Jahren Fremdenführer: „Mittlerweile sind es zu viele.“

„Wir vertragen auch Tagestouristen, aber nur mit Maß und Ziel“, meint Reischenböck. In der Paris-Lodron-Straße auf der anderen Seite der Salzach sind Maß und Ziel zwischenzeitlich verloren gegangen. Tausende Touristen verlassen hier in den Sommermonaten für ihren Stadtrundgang ihre Busse.

Vor einem Jahr bildete sich aufgrund der ständigen Zunahme eine Anrainerinitiative.

Brennpunkt Busterminal

Die Stadt Salzburg nennt die sieben Parkbuchten entlang der Durchfahrtsstraße offiziell Busterminal. „Diese Bezeichnung ist irreleitend. Es gibt keine Toiletten, keine Schattenspender und keine Trinkbrunnen“, sagt Angelika Stöcklinger. Sie ist Sprecherin der Initiative, die vergangenes Jahr eine sanfte Begrünung der Straße erreicht hat. Mit einem verpflichtenden Buchungssystem ging auch die Zahl der Busse zurück. Eigentliches Ziel ist aber, den Busparkplatz ganz aus der Straße zu bekommen. Stöcklinger schlägt vor, die Terminals an den Stadtrand zu verlagern und die Preise zu erhöhen. Jede Form der Reglementierung wirft aber Fragen auf.

Tagestouristen in Salzburg: „Wen lässt man herein, wen nicht?“

Angelika Stöcklinger will die Reisebusse aus der Innenstadt bringen.

„Wen lässt man herein, wen nicht? Wer sind die guten und wer die bösen Touristen“, fragt Stöcklinger. Die Touristen generell aus Salzburg ausladen will auch sie nicht.

Das Dilemma am Massentourismus sieht auch Andreas Kirchtag. Die Schirm-Manufaktur, die er in vierter Generation führt, befindet sich seit mehr als 100 Jahren in der Getreidegasse. Damit zählt sie zu jenen Handwerksbetrieben, die in Salzburgs bekanntester Gasse neben zahlreichen Flagship-Stores immer weniger werden.

Appell an die Gelassenheit

„Eigentlich müssen wir froh sein, dass die Leute kommen. Andererseits ist es auch ein Drama, wenn es zu viele werden“, sagt Kirchtag. „Wenn die Gäste nur ein, zwei Stunden in der Stadt sind, ist das natürlich nicht ideal.“ Obwohl es in seinem Geschäft mit handgemachten Schirmen keine Billig-Schirme für Spontankäufer bei kurzen Regenschauer gibt, profitiert auch er von den Tagestouristen. „Die kaufen das schon auch“, sagt Kirchtag.

Tagestouristen in Salzburg: „Wen lässt man herein, wen nicht?“

Vor allem mit auswärtigen Reiseleitern hat er aber schon negative Erfahrungen gemacht. Schon mehrere hätten nach einer Provision gefragt, damit sie ihre Gruppen an seinem Geschäft gezielt vorbeiführen. Kirchtag macht das aber aus Prinzip nicht.

Der Unternehmer appelliert stattdessen an die Salzburger Bevölkerung, angesichts der Menschenmassen nicht den einzelnen Menschen zu übersehen. „Man muss auch ein bisschen kulanter zu den Leuten sein“, ist Andreas Kirchtag überzeugt.

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