Was heißt das konkret?
Wenn extrem angespannte Preise weiter gesenkt werden sollen, ist es nur logisch, dass einzelne Arzneimittel dann vom Markt genommen werden.
Sie meinen die verordneten Preissenkungen im neuen Preisband, wonach der Höchstpreis eines erstatteten Arzneimittels maximal 20 Prozent über dem des günstigsten wirkstoffgleichen liegen darf?
Hier muss sich die Preisspirale umdrehen. Die Pharmahersteller spüren die Inflation ganz massiv, können aber im Unterschied zu anderen Branchen die Medikamentenpreise nicht einfach erhöhen, weil sie reguliert sind. Wir fordern von der Politik schon lange eine Indexierung der Preise, aber da tut sich einfach nix.
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Eine Anhebung in Zeiten hoher Teuerung ist unpopulär. Und viele Pharmakonzerne schreiben durchaus hohe Gewinne ...
Bei Antibiotika geht es nicht um Gewinne, höchstens noch um Kostendeckung. In Österreich sind rund 30 Prozent der Bevölkerung rezeptgebührenbefreit, das ist ein großes soziales Auffangnetz. Ich wage zu behaupten, dass es den Menschen lieber ist, wenn ein Schmerzmittel statt 1,90 Euro etwas mehr als 2 Euro kostet, dafür aber erhältlich ist. Es gibt Preisgrenzen, bei denen der Hersteller entscheidet, nicht mehr nach Österreich zu liefern. Das sind ganz normale wirtschaftliche Überlegungen.
Zugespitzt: Nur wenn der Preis stimmt, wird geliefert?
Der Preis ist zwar nicht der einzige Faktor, aber ein wichtiger, um Medikamente verfügbar zu haben. Es ist sogar so, dass einzelne Medikamente oder bestimmte Verpackungsgrößen aus wirtschaftlichen Gründen vom österreichischen Markt zurückgezogen werden.
Wie viele Arzneien werden da vom Markt genommen?
Aktuell sind es rund 20 pro Monat (von rund 17.000 Produkten, Anm.), Tendenz steigend. Ist der Preis nicht mehr darstellbar, dann verschwinden die Produkte blitzschnell aus der Erstattung.
Es nimmt auch die Sozialversicherung bestimmte Arzneimittel vom Markt, wenn es günstigere Alternativen gibt.
Es wird von beiden Seiten her die Versorgung ausgedünnt. Wir appellieren daher an das Gesundheitsministerium, aus Kostengründen die Durchführung des Preisbandes heuer auszusetzen.
Die Regierung will, dass 18 wichtige Medikamente künftig bevorratet werden. Die Pharmabranche ist skeptisch. Warum?
Es geht um die Spitzenabdeckung von ausgewählten Medikamenten. Aber diese müssen erst lieferbar sein. Das würde sich wegen der Vorlaufzeiten frühestens für den Winter 2024/25 ausgehen.
Laut Prognosen könnte Corona im Herbst wieder Thema werden. Rechnen Sie mit einer neuen Welle?
Es schaut danach aus. Nach allen bisherigen Prognose dürfte sie aber deutlich unspektakulärer verlaufen als in der Vergangenheit. Der große Schrecken ist weg.
Macht eine Auffrischungsimpfung Sinn?
Das muss jeder individuell entscheiden. Risikogruppen sollten auf die Empfehlungen des nationalen Impfgremiums hören. Ich werde mich im Herbst auf alle Fälle eine Auffrischung holen.
Wird es genügend Impfstoff geben?
Auf jeden Fall. Es ist einiger Impfstoff übrig geblieben und angepasste Impfstoffe stehen knapp vor der Zulassung. Alle, die sich impfen lassen wollen, werden einen Impfstoff bekommen.
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Für eine bessere Versorgungslage will die EU stärker in den Pharmamarkt eingreifen, Medikamente rascher zulassen, dafür den Schutz geistiger Eigentumsrechte früher auslaufen lassen. Die Pharmabranche wehrt sich dagegen, warum?
Es geht darum, wie attraktiv Europa als Pharmastandort bleiben kann. Eine wichtige Frage, aber im derzeitigen Entwurf der Kommission werden uns viele Steine in den Weg gelegt. Der so genannte Unterlagenschutz (Schutz vor Nachahmung durch Generikahersteller, Anm), wird von 8 auf 6 Jahre reduziert. Das gefährdet massiv die Forschung und Entwicklung in Europa.
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Die EU pumpt Milliarden in die Förderung der Chip-Produktion. Aber sind nicht Medikamente angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung genauso wichtig?
Stimmt. Allein aus wirtschaftlichen Überlegungen würde ich mir wünschen, dass etwa die Alzheimer-Forschung derart unterstützt wird. Forschung und Innovation finden zunehmend in den USA und Asien statt. Wir sind dann darauf angewiesen, dass die Innovationen irgendwann zu uns kommen. Das möchte ich nicht.
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