Wenig Neuigkeiten?
Es ist kaum anzunehmen, dass das Schreiben die Justiz zu den fehlenden Milliarden führen wird. Der Paukenschlag dürfte ausbleiben.
Spannend bleibt aber die Frage, wen die Justiz als Hauptdarsteller der Malversationen in dem ehemaligen DAX-Konzern sieht. Im Angebot dafür ist der im Ermittlungsverfahren beschuldigte Marsalek, der sich in Russland aufhalten soll. Weiters Ex-Wirecard-Boss Markus Braun, der stets betonte, über alle Vorgänge bei Wirecard Bescheid gewusst zu haben, nun aber selbst ein Opfer gewesen sein will. Oder doch Bellenhaus, Verantwortlicher für das Drittpartnergeschäft und Wirecard-Statthalter in Dubai?
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Beim Prozess am Mittwoch blieb zunächst unklar, ob das Marsalek-Schreiben überhaupt für den Prozess zugelassen wird. Marsaleks Anwalt soll sich bereits vor einigen Wochen mit diesem Schreiben an das Gericht in München gewandt haben. Richter Markus Födisch erkannte wenig Neuigkeiten in dem Schreiben. Eine Begründung für eine allfällige Abweisung der Vorlage des Schreibens nannte er allerdings nicht.
Verschwinden lassen?
Brauns Strafverteidiger Alfred Dierlamm und Nico Werning protestierten, da Marsaleks Brief ihrer Meinung nach wesentliche Angaben zu Brauns Entlastung enthalte. „Wollen Sie das Schreiben in der Schublade verschwinden lassen?“, rief Dierlamm im Gerichtssaal. Das mündete in minutenlange heftige Wortgefechte zwischen den Anwälten, dem Richter und der Staatsanwältin Inga Lemmers. Doch der Prozess wurde mit Zeugenaussagen fortgesetzt.
Indes sagt der deutsche Strafrechtsprofessor Gerhard Dannecker, dass „das Gericht das Schreiben prüfen muss und es verwenden kann, muss aber nicht“. Marsalek habe keine Position in der Hauptverhandlung, er ist nicht Angeklagter, allenfalls Zeuge. Und ein Zeuge hat nur dann Anspruch, gehört zu werden, wenn er greifbar ist. „Wenn er etwas zu sagen hat, dann muss er schon kommen“, sagt Dannecker. Auf die Frage, warum Marsalek das macht – warum jetzt – sagt er, dass er wahrscheinlich Braun entlasten und den Kronzeugen als Lügner hinstellen will. Möglich (aber eher unwahrscheinlich) ist, dass das Schreiben eine Vorbereitung auf seine Rückkehr ist. Eckstein sei ein hervorragender Verteidiger und führt sicher etwas im Schilde, aber was – das sei reine Spekulation.
Der Zusammenbruch
Wirecard war am 25. Juni 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf den Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlen. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und zwei weiteren Angeklagten Bilanzfälschung und bandenmäßigen Betrug vor. Sie stützt sich auf Angaben des angeklagten Kronzeugen Bellenhaus. Braun und seine Verteidiger hingegen haben erklärt, dass das Geld existiert habe und hinter Brauns Rücken von Marsalek & Co. beiseitegeschafft worden sei.
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