Starautor Piketty will 120.000 Euro Mitgift für jeden 25-Jährigen

Thomas Piketty stellte sein neues Buch "Kapital und Ideologie" in der AK Wien vor
Dem französischen Ökonomen schwebt eine staatliche Mitgift für jeden jungen Bürger vor. Er hält das nicht für eine radikale Idee.

Vom Werkzeugmacher zum Milliardär: Aus rot-weißroter Sicht verkörpert Frank Stronach idealtypisch den Traum vom Aufstieg zu großem Reichtum. Der gebürtige Steirer und einstige Parteichef prägte auch die „goldene Regel“. Nämlich: „Wer das Gold hat, macht die Regeln.“

Kürzer hat noch niemand erklärt, wie Macht und Besitz zusammenhängen. Wie lässt sich rechtfertigen, dass Einkommen, Vermögen (und Macht) so ungleich verteilt sind? Eine der Erklärungen: Wer ebenso viel Unternehmergeist und Einsatz zeigt, der kann es wie Stronach zu viel Reichtum bringen.

Eine andere: Die großen Vermögen der wenigen Wohlhabenden kommen auf Umwegen auch der breiten Masse zugute, weil sie quasi „von der Spitze heruntertröpfeln“.

Starautor Piketty will 120.000 Euro Mitgift für jeden 25-Jährigen

Ein Obdachloser in New York füttert Tauben.

Vorbild Schweden

Solche Rechtfertigungsmuster erschafft sich jede Gesellschaft, sagt der französische Starökonom Thomas Piketty – er nennt das „Ideologien“. In seinem jüngsten 1.300-Seiten-Wälzer „Kapital und Ideologie“ verfolgt er, wie in der Historie die Schere zwischen Reich und Arm erklärt wurde: von Feudal- über Sklavengesellschaften, von der Französischen Revolution zum „Hyperkapitalismus“ der Gegenwart.

Was sich dabei als Muster durchziehe: Reichtum werde als unvermeidlich, natur- oder gottgegeben oder zumindest als unveränderlich dargestellt.

Ohne Krieg oder Revolte

„Die Geschichte beweist das Gegenteil“, sagte Piketty am Freitag in der Arbeiterkammer Wien. Er sei auch „optimistisch“, dass es keine Kriege oder gewaltsamen Revolutionen brauche, um zu gleichmäßigerer Verteilung zu kommen. Schweden habe sich binnen weniger Generationen von einer höchst ungerechten Gesellschaft – wo nur wenige Besitzende das Wahlrecht besaßen – zu einer der gleichförmigsten entwickelt. Auf friedlichem Wege.

Aber braucht es so einen Wandel in Österreich? Laut Pikettys Datenbank (Grafik) sind die Einkommen hierzulande viel gleichmäßiger verteilt als in den USA. Und die Schere geht nicht wirklich auf. Warum also die Aufregung?

„Ich glaube nicht, dass sich die Europäer gerne mit den USA oder Brasilien vergleichen, sondern damit, wie es vor 20 Jahren war.“ Und da verschlechtere sich die Lage in den meisten Ländern.

Überdies halte er die Verteilung der Vermögen für das wichtigere Thema. Da sei die Ungleichheit in Österreich „enorm hoch“, so Piketty – auch wenn mangels Daten vieles im Dunkeln liege.

Nach seiner Darstellung verfügt in Ländern wie Österreich die untere (ärmere) Hälfte der Bevölkerung über weniger als 5 Prozent des Vermögens. Hingegen komme das oberste ein Prozent der Reichen auf 25 Prozent des Gesamtvermögens. Dass es nicht gelungen sei, diese „Hyperkonzentration“ von Vermögen zu verhindern, sieht der Bestsellerautor als größtes Versäumnis der Sozialdemokratien.

Keine völlige Gleichheit

Was schlägt er vor? Seine Forderungen für einen „partizipativen Sozialismus“ seien nicht radikal, sagte der Franzose in Wien. Die Meinung werden wohl nicht alle teilen.

Startkapital

Jeder Bürger soll mit 25 Jahren einmalig 120.000 Euro Mitgift erhalten, um eine Wohnung anzuzahlen, in Bildung zu investieren, oder eine Firma zu gründen. Das ist eine Idee, die Pikettys (2017 verstorbener) Mentor Sir Anthony Atkinson bereits vertreten hatte.

Dass junge Menschen das Geld auf den Kopf werfen könnten, bekümmert Piketty wenig: „Auch reiche Menschen geben ihr Geld für viel Unsinniges aus.“ Kosten würde das ein Zehntel der Steuereinnahmen oder fünf Prozent der Wirtschaftsleistung.

Reichensteuer

Stark ansteigende Einkommen-, Eigentums- und Erbschaftssteuern, für Milliardäre mit einem Spitzensatz bis zu 90 Prozent.

Mitbestimmung

Arbeitnehmer sollen fixe Mitspracherechte - zum Beispiel 50 Prozent der Plätze im Aufsichtsrat - erhalten und an den Unternehmen beteiligt werden.

Starautor Piketty will 120.000 Euro Mitgift für jeden 25-Jährigen

Piketty in der AK Wien

Völlige Gleichheit hält Piketty indes nicht für erstrebenswert: „Ich glaube sehr an die Macht der Diversität.“

Aus der aktuellen Coronavirus-Krise zieht er die Lehre, dass Regierungen sehr wohl der Wirtschaft Regeln aufzwingen könnten, wenn sie wollen. Etwa, indem Flüge reduziert und Homeoffice-Arbeit ermöglicht werden. Im Kampf gegen den Klimawandel seien vergleichbare Vorschläge noch als zu teuer abgelehnt worden.

Thomas Piketty: Kapital und Ideologie (C.H.Beck), 1.212 Seiten, 39,10 Euro.

Kommentare