Der heimische Arbeitsmarkt zeigt sich trotz aufziehender Konjunkturwolken weiter robust. Ende Oktober waren beim AMS 319.000 Arbeitslose gemeldet, um 22.000 weniger als im Vorjahr. Nach wie vor auf Rekordniveau bleibt die Zahl der offenen Stellen mit 123.000. Ein Zeichen, dass die Personalsuche im Inland schon lange nicht mehr gedeckt werden kann.
Um dringend benötigte Fachkräfte im Technologieumfeld im Ausland zu rekrutieren, startet die heimische Standortagentur Austrian Business Agency (ABA) Anwerbeaktivitäten in den Nicht-EU-Ländern Südosteuropas. „Wir sehen noch großes Potenzial in Albanien, Kosovo und Nordmazedonien“, sagt ABA-Geschäftsführer René Tritscher zum KURIER. In diesen Ländern gibt es viele gut ausgebildete junge Menschen im IT- und Elektronikbereich.
Viele würden auch gut Deutsch sprechen oder hätten eine Affinität zu Österreich. Aktiv angeworben sollen vor allem Uni-Absolventen werden. „Wir knüpfen gerade Kontakte zu den Universitäten, bieten etwa Praktika an und werden auch Karrieremessen veranstalten“, erläutert Margit Kreuzhuber, Leiterin der Abteilung „Work in Austria“ bei der ABA. Bisher lag der Schwerpunkt der Anwerbungen bei den EU-Ländern Polen, Rumänien oder Bulgarien. Dort ist das Fachkräfte-Angebot aber deutlich geschrumpft, da sie in ganz Europa gesucht werden.
Zentrale Servicestelle
Hintergrund für die neue Anwerbeoffensive ist die jüngste Reform der Rotweißrot-Karte. Seit Anfang Oktober gelten, wie berichtet, gelockerte Zugangshürden für qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten. Um den Betrieben die Bürokratie zu erleichtern und Berührungsängste zu nehmen, wurde die ABA nun als zentrale, kostenlose Servicestelle gesetzlich verankert. Vier Mitarbeitende leisten Unterstützung bei allen Rechtsfragen zur RWR-Karte und begleiten die Behördengänge.
Ziel ist es, die mitunter monatelang dauernden Verfahren deutlich zu beschleunigen. „Es ist durch die Reform einfacher und schneller, jemanden aus dem Ausland zu holen. Das wird sicher zu einem Anstieg der Anträge führen“, glaubt Tritscher. Die Nachfrage bei der ABA habe sich seit Anfang des Monats bereits deutlich erhöht.
Mehr als 1.000 Beratungen wurden seit Jahresbeginn schon durchgeführt und eine eigene Jobbörse eingerichtet. Primär zuständig fühlt sich die ABA, die dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, übrigens nur für den Technologie- und Industriebereich, nicht jedoch für Tourismus- oder Pflegeberufe, wo die Personalnot ebenso akut ist. Hier setzen die einzelnen Bundesländer oder Interessensvertretungen eigene Aktionen.
Volkswirtschaftliche Effekte
Laut jüngsten Berechnungen des IHS leisten internationale Fachkräfte mit durchschnittlich 38,7 Mrd. Euro oder rund 10 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand in Österreich. Am stärksten profitiert von dieser Wertschöpfung demnach Wien (33 Prozent), gefolgt von Nieder- und Oberösterreich (jeweils 14 Prozent). „In einzelnen Branchen wie etwa bei IKT-Spezialisten ist der Anteil von internationalen Experten massiv gestiegen und hat sich zwischen 2010 und 2020 mit rund 24.000 Arbeitsplätzen mehr als verdoppelt“, erläutert Tritscher.
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