Haftbefehl gegen Benko: Warum Italiens Justiz den Signa-Gründer ins Visier nimmt
Für den gestrauchelten Immobilien-Tycoon René Benko wird die Luft zum Atmen immer dünner. Denn: Die Staatsanwaltschaft Trient hat einen brisanten Haftbefehl gegen den Gründer der Immobilien-Gruppe Signa erlassen, deren Pleite rund 30 Milliarden Euro Schaden verursacht hat.
Am Dienstag haben die Carabinieri-Sondereinheit für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ROS und die Finanzpolizei Guardia di Finanza im Auftrag der Anklagebehörde in Trient im Rahmen einer groß angelegten Operation rund 100 Hausdurchsuchungen in den Provinzen Trient, Bozen, Brescia, Mailand, Pavia, Rom und Verona sowie im Ausland durchgeführt.
Ermittlungen rund um Immobilienprojekte
Die italienischen Justizbehörden, die den Signa-Gründer ins Visier genommen haben, ermitteln rund um verschiedene Immobilienprojekte, die der Unternehmer mithilfe angeblich untreuer Bürgermeister und Beamte in Trentino umsetzen wollte. Die Personen, gegen die ermittelt wird, sollen zum Teil Beschlüsse der öffentlichen Verwaltung beeinflusst haben, insbesondere im Bereich der Bauspekulation in Trentino-Südtirol.
Unter den Verdächtigen befindet sich der ehemalige Bürgermeister der Trentiner Gemeinde Dro und der ehemalige Senator Vittorio Fravezzi, der nach Angaben der Ermittler mit "Drohungen und Einschüchterungen" versucht habe, seine Pläne durchzusetzen, hieß es aus Trentiner Justizkreisen laut Medienangaben.
Großprojekt "Waltherpark" in Bozen im Fokus
Die Ermittlungen ergaben, dass die Verdächtigten über große Beträge für den Erwerb von Flächen für Großprojekte wie der Bozner "Waltherpark" verfügten, der nach der Insolvenz der Signa-Gesellschaften von der Scholler-Gruppe aufgekauft wurde, und ein Hotel im Trentiner Arco. Gebäuderenovierungen oder Bauten wurden - so die Ermittler - "unter offener Missachtung der Regeln" geplant.
Gegen sieben der neun unter Hausarrest gestellten Personen verhängte der ermittelnde Staatsanwalt Enrico Borrelli ein einjähriges Verbot der Berufsausübung oder Geschäftstätigkeit. Die Bürgermeisterin von Riva del Garda, Cristina Santi (Lega), wurde von ihrem Amt als Stadtchefin suspendiert. Ermittelt wird auch gegen den derzeitigen Bürgermeister von Arco, Alessandro Betta, und das ehemalige Provinzratsmitglied Luca Zeni. Beide gehören den Trentiner Sozialdemokraten an.
Zu den Verdächtigten gehört auch der Stadtrat und ehemalige Bürgermeisterkandidat von Trient für die Mitte-Rechts-Koalition, Andrea Merler, ein Rechtsanwalt und Vizepräsident von "Patrimonio del Trentino spa", einer Gesellschaft, die sich der Entwicklung und Realisierung neuer Immobilienprojekte zugunsten verschiedener öffentlicher Einrichtungen widmet. Merler wird unter anderem vorgeworfen, den Verkauf eines Grundstücks der öffentlichen Hand an ein privates Unternehmen gegen eine angebliche Belohnung von ca. 10.000 Euro ermöglicht zu haben.
Die Vorwürfe
Die Liste der von der Staatsanwaltschaft Trient zur Last gelegten Tatbestände ist lang: die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, illegale Parteienfinanzierung, unzulässige Einflussnahme, Betrug, unrechtmäßiger Bezug von Leistungen zum Nachteil des Staates sowie verschiedene Straftaten gegen die öffentliche Verwaltung, darunter Korruption, unzulässige Veranlassung zu Handlungen, illegale Offenlegung von Amtsgeheimnissen und Unterlassung von Amtshandlungen.
Dazu kommen auch noch Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften in Zusammenhang mit der Ausstellung von Schein-Rechnungen für tatsächlich nie durchgeführte Geschäfte.
Die Verdächtigen sollen Beschlüsse der öffentlichen Verwaltung beeinflusst und kontrolliert haben; insbesondere im Bereich von Bauprojekten in den Provinzen Trentino und Südtirol. Die beteiligten Unternehmer sollen Wahlkampagnen der lokalen Verwaltung finanziert haben, um in weitere Folge unter anderem Bewilligungen und Zugeständnisse für ihre Immobilienprojekte zu erhalten. Für die Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung.
Das sagt Benkos Verteidiger
René Benko wurde von Beamten des Tiroler Landeskriminalamts in Innsbruck einvernommen. Doch der Europäische Haftbefehl gegen ihn wurde nicht vollstreckt. Dazu muss man auch wissen, dass Österreich keine eigenen Staatsbürger an andere Staaten ausliefert.
Benko weist sämtliche Vorwürfe zurück. „Wir wurden vom Landeskriminalamt in Kenntnis gesetzt, dass es dieses Verfahren in Italien gibt und wir haben umgehend einen Termin bei der Behörde vereinbart, damit uns die entsprechenden Informationen ausgehändigt werden“, sagt Benkos renommierter Strafverteidiger Norbert Wess im Gespräch mit dem KURIER. „Herr Benko hat versichert, dass er auch dazu vollinhaltlich kooperiert und zu den Vorwürfen Stellung beziehen wird.“
Und weiters sagt er: „Auf den ersten Blick ist aber erkennbar, dass der überwiegende Teil der Sachverhalte Herrn Benko nicht betrifft. Herr Benko ist somit zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe als inhaltlich unrichtig aufklären lassen.“
Kommentare