Wie sich Österreich und die EU für den Gas-Stopp rüsten
Polen und Bulgarien spüren es schon: Wenn Russland will, wird seinen europäischen Kunden von einem Tag auf den anderen das Gas abgedreht. Aus dieser Sorge, dass dies wegen der EU-Sanktionen auch der gesamten Europäischen Union drohen könnte, hat die EU-Kommission in Blitztempo einen Fahrplan entwickelt: Am Mittwoch präsentierte sie Gesetzesvorschläge mit dem Ziel, sich möglichst schnell aus der russischen Energieabhängigkeit zu verabschieden. Genauer: Binnen fünf Jahren soll die Einfuhr von russischem Gas auf null reduziert werden. Derzeit gehen 40 Prozent des EU-Gasverbrauchs auf russische Quellen zurück – in Österreich sind es 80 Prozent.
Wie das Gas nach Europa kommt
Dafür sollen bis 2027 210 Milliarden und bis 2030 300 Milliarden Euro investiert werden. "Wir müssen unsere Abhängigkeit von Russland im Energiebereich so schnell wie möglich verringern", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das erfordere erhebliche Investitionen und Reformen. "Wir mobilisieren zu diesem Zweck bis zu 300 Milliarden Euro." Der Plan werde helfen, Energie zu sparen, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu beschleunigen und Investitionen anzustoßen. "Dies wird für unseren europäischen "Grünen Deal" den Turbo zünden", so von der Leyen. Ziel ist es, im Laufe des Jahrzehnts keine Energie mehr von Russland kaufen zu müssen.
Wie genau soll das gelingen? Kurzfristig müssen andere Gasversorger einspringen: Allein heuer können Flüssiggaslieferanten aus den USA, Katar, Norwegen und Südkorea ein Drittel des bisher gelieferten Gases durch Flüssiggas-Lieferungen (LNG) ersetzen.
Gibt es Alternativen zum russischen Gas?
An die knapp 200 Milliarden Euro werden aber nötig sein, um die endgültige Abkehr von Russlands fossiler Energie zu schaffen. Das Gros der Investitionen wird dabei in den Ausbau erneuerbarer Energieträger fließen. Ihr Anteil am Energieverbrauch wird erhöht: Bis 2030 sollen 45 (bisher angepeilt 40) Prozent der Energie in der EU aus erneubaren Energiequellen kommen.
Genehmigungsverfahren verkürzen
Ein Schwerpunkt liegt dabei beim Solarstrom, laut dem Vorschlag soll das riesige Potenzial für Photovoltaik auf praktisch jedem Dach umgesetzt werden. Es betrifft aber auch alle anderen Ökoenergien wie Wind, Biomasse oder Wasserkraft: „Langsame und aufwendige Genehmigungsverfahren sind ein wesentliches Hindernis, um die Ökostrom-Revolution voranzubringen“, heißt es in dem vorab geleakten Dokument der EU-Kommission. Und: „Ökostromanlagen haben ein übergeordnetes öffentliches Interesse.“ Auf bewilligten Flächen sollen neue Projekte in maximal einem Jahr bewilligt werden, Repowering (Vergrößerung bestehender Anlagen) soll maximal in sechs Monaten abgeschlossen sein. „Besonders freut mich die geplante Einrichtung einer Globalen Europäischen Wasserstoff-Fazilität, die die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff in der EU und in Drittländern fördern wird“, kommentiert Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments.
Die rund 300 Milliarden Euro sollen zum Großteil aus Krediten sowie aus Zuschüssen bestehen. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen müssen noch mit den EU-Ländern und dem Europaparlament verhandelt werden.
Drei Säulen: Um von russischer Energie unabhängig zu werden, will die EU erstens die Energieeffizienz und das Energiesparen verbessern; zweitens sollen neue Fossilanbieter gesichert werden; drittens braucht es einen Turbo für Ökostrom-Anlagen.
Als Beispiel: Wenn industrielle Prozesse sehr viel Hitze benötigen, kann man diese Hitze auch für z.B. Fernwärme verwenden.
Diversifizieren: USA, Katar, Norwegen als alternative Anbieter.
Mehr Ökostromanlagen: Schnellere Genehmigungsverfahren ermöglichen.
Die österreichische Regierung hat am Mittwoch ein Maßnahmenpaket beschlossen, das Österreich für den Fall eines Gas-Stopps rüsten soll. Ungenutzte Gas-Speicherkapazitäten müssen abgegeben werden und der strategisch wichtige Gasspeicher Haidach in Salzburg soll an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden. Weiters soll die strategische Gasreserve um 7,4 Terawattstunden (TWh) auf 20 TWh aufgestockt werden. Dadurch wäre der Gasverbrauch von zwei Wintermonaten abgedeckt.
Die zusätzliche Gasmenge der strategischen Reserve soll unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit am Markt aus nicht-russischen Quellen stammen. "Die Maßnahme wird die Abhängigkeit von russischem Gas deutlich reduzieren", sagte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) nach dem Ministerrat. Österreich ist bei Gas zu 80 Prozent von Russland abhängig, durch die Aufstockung der strategischen Gasreserve mit nicht-russischem Gas soll der russische Anteil laut Gewessler um 10 Prozentpunkte auf 70 Prozent sinken.
Sämtliche Gasspeicher in Österreich sollen an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden. Derzeit ist der große Gasspeicher Haidach nur an das deutsche Netz angeschlossen.
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