Er baut ausrangierte Gondeln nach den Wünschen seiner Kunden um. Zu Gartenhäuschen mit Vollholz-Innenausstattung, Steckdosen und jeden Komfort inklusive. Zu Imbissbuden, Wartezimmern für Arztpraxen. „Für ein Bordell haben wir auch schon mal die Scheiben schwarz foliert“, sagt der 50-Jährige zur deutschen Presseagentur dpa und bestätigt, dass die Einkaufspreise seit Gründung seiner Firma vor fünf Jahren deutlich gestiegen sind. „Momentan sind Gondeln einfach hip.“ Wurden sie früher einfach verschrottet, werden sie heute zu Luxus-Teilen mit Ledersitzen, Heizung, Kühlschrank und Kronleuchter umfunktioniert. Bis zu 12.000 Euro könne so eine Kabine kosten.
Aus Sicht von Pro-Alpin sind die abmontierten Gondeln aber der unspektakulärste Teil des Geschäfts. Müller und seine Kollegen bauen ganze Seilbahnanlagen ab, beschriften die Anlageteile, übernehmen die Verpackung, Lagerung, den Transport und den Wiederaufbau der Anlage – oft auf einem anderen Kontinent. „Und zum Schluss hängen wir auch noch die Gondel oder den Sessel dran“, sagt der Techniker Müller lapidar.
Derzeit baut Pro-Alpin unter anderem die ehemalige Planai-Seilbahn aus Schladming in Argentinien wieder auf. Und Verkaufschef Müller ist gerade in Chile, wo die alte Sesselliftanlage aus Königsleiten künftig ihre Runden drehen wird. „Die alten Anlagen gehen rund um den Erdball, es gibt ja kaum Länder auf der Welt, die keine Seilbahnen brauchen“, sagt Müller. Nicht immer geht es ums Skifahren, auch Downhill-Strecken für Mountainbiker kurbeln das Geschäft an, sowie diverse Freizeitparks.
Dass eine Anlage in Österreich abmontiert und irgendwo in Europa wiederaufgebaut wird, ist dagegen zur Ausnahme geworden. Das liegt auch an den strengeren Regeln, die die EU 2003 verordnet hat. Wobei die Umsetzung der Verordnung nicht in allen Ländern der EU gleich streng ausgelegt wird, ist aus der Branche zu hören. Dasselbe gelte auch für einige Länder Asiens und Südamerikas. Müller: „Ich habe Seilbahnen gesehen, auf die ich mich nie setzen würde. Da hat man schon mit freiem Auge gesehen, dass die Seile nicht in Ordnung sind.“ Apropos Seile: Mitunter werden aus den Stahlseilen der Liftanlagen im zweiten Leben Hängebrücken. Der Schweizer Toni Rüttimann hat sein Leben dem Bau von Hängebrücken verschrieben. Mehr als 800 solcher hat der 53-Jährige bereits gebaut, in Gegenden, in denen sie keine Selbstverständlichkeit sind und Flüsse mitunter eine unüberwindbare Hürde zu Ärzten oder Schulen sind.
Die Seile für seine Hängebrücken bekommt Rüttimann unter anderem von Seilbahn-Unternehmen gespendet. So sind Stahlseile, die einst im Zillertal Skifahrer auf den Berg gezogen haben, heute Teil von zwei Brücken in Laos und zwölf Brücken in Myanmar, schreibt Rüttimann dem KURIER. „Sie helfen damit mehr als 60.000 Menschen.“
Mehr als 1.500 Tonnen Seile und 3.000 Tonnen Stahlröhren aus aller Welt hat er für seine Projekte zusammengetragen. Rüttimann: „Dennoch machen sie nur fünf Prozent des Gewichtes aller beigetragenen Materialien aus, da die Dorfbewohner 95 Prozent des Gewichts in Sand, Stein, Wasser, Holz beigetragen haben.“
Covid habe wegen lokaler Restriktionen seine Arbeit in Myanmar und Ecuador beeinflusst. „Dagegen haben wir in Indonesien dank Spezialerlaubnissen der Regierung bis anhin fast normal weitergemacht“, sagt der Brückenbauer.
Trotz solcher Sozialprojekte und der Verschiffung ganzer Seilbahnen rund um den Globus: Nicht jeder Seilbahn ist ein zweites Leben beschieden. Etwa 50 Prozent der Anlagen werden verschrottet und landen letztlich in einem Stahlwerk, wo das Material eingeschmolzen wird, schätzt Mario Müller von der Firma Pro-Alpin.
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