"Schaden für beide Seiten": So trifft die Ukraine-Krise Österreichs Wirtschaft
Die ersten Sanktionen gegen Russland beeindrucken Wladimir Putin nicht. Weitere dürften folgen, wenn der russische Präsident – wie im Westen befürchtet – an der Eskalationsschraube dreht.
Eine mögliche Invasion in der Ukraine und in der Folge eine weitere dramatische Verschlechterung der Beziehungen zu Russland könnten auch einen immensen Schaden für die europäische und österreichische Wirtschaft bedeuten. Die wechselseitigen Verflechtungen sind eng.
Eisenerz aus der Ukraine
Die Ukraine rangiert mit einem insgesamten Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro unter den Handelspartnern Österreichs zwar insgesamt unter ferner liefen, aber speziell die Linzer voestalpine hat ein großes Interesse daran, dass die Lieferbeziehungen ungestört weiter laufen. Sind doch rund zwei Drittel der gesamten Exporte der Ukraine nach Österreich Rohstoffe und hier vor allem Eisenerz für den heimischen Stahlverarbeitungskonzern.
Voest-Sprecher Peter Felsbach sagte zum KURIER: „Eisenerz ist Schüttgut, also weltweit verfügbar. Aber das Erz aus der Ukraine ist von der Qualität her gut, hat einen Preisvorteil und der Transport nach Österreich per Bahn oder Schiff ist eingespielt. Die Ukraine war durch alle Krisen hindurch ein vertrauensvoller Lieferant. Momentan läuft alles wie gehabt, aber sollte sich daran etwas ändern, sind wir vorbereitet und hätten alternative Bezugsquellen.“
Neben den Erzen ist die Ukraine einer der weltgrößten Agrar-Produzenten und -exporteure, beispielsweise beim Weizen.
Oder das Beispiel Äpfel: Weil das Großerzeugerland Polen seine Früchte wegen der bereits vorhandenen Sanktionen nicht mehr nach Russland liefert, kommen die günstigen, polnischen Äpfel auf den europäischen Markt. Und die heimischen Apfelbauern können mit den Preisen nicht mithalten. Laut ORF sorgen sich die steirischen Apfelbauern vor einer richtiggehend bedrohlichen Situation.
Bumerang-Effekt zu erwarten
Freilich bangen nicht nur die Voest oder die Apfelbauern wie es weiter geht im Russland-Ukraine-Konflikt. Insgesamt verstand sich die heimische Wirtschaft stets als Brückenbauer und hofft auch jetzt, dass die Sanktionen gegen Moskau nicht allzu scharf ausfallen. Droht doch ein gewisser Bumerang-Effekt – etwa bei den seltenen Industrie-Metallen, die vor allem Russland besitzt und exportiert. Konkret geht es um Nickel oder Palladium oder auch Kobalt.
Auf diesen Aspekt weist Gunter Deuber, Leiter der Volkswirtschaft in der Raiffeisenbank International, hin. Die Abhängigkeiten in diesem Bereich der seltenen Industriemetalle spiegle unseren rohstofflastigen Außenhandel wider, sagt der Experte. Deuber: „Russland könnte diese Karte ganz smart spielen, um auf der anderen Seite die für seine Einnahmen wichtigen Energie-Exporte unangetastet zu belassen. Diese Komponente möglicher Gegenmaßnahmen wird in der aktuellen Sanktionen-Debatte noch unterschätzt.“
Auch insgesamt könnte sich eine dramatische Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland zu einem Gift für den Aufschwung nach der Corona-Krise entpuppen. Speziell wenn Russland nun doch – anders als bisher angekündigt – Gaslieferungen einschränkt oder sich Gas (aber auch Öl) aufgrund der massiven Spannungen weiter verteuert. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr spricht ganz offen von der Gefahr einer Rezession in Europa, falls Russland kein Gas mehr liefern sollte.
Allgemein bekannt ist die Abhängigkeit vieler heimischer Haushalte vom russischen Gas, simpel, weil damit geheizt wird. Weniger bekannt ist, dass vom Gas-Gesamtimport 40 Prozent in der produzierenden Wirtschaft verwendet wird. Ein weiterer Preisanstieg oder Lieferbeschränkungen könnten sich hier also sehr kostspielig auswirken.
Schreckgespenst Stagflation
Volkswirtschaftlich gedacht: Steigt dadurch die ohnehin hohe Inflation weiter und stagniert das Wachstum, sind alle noch aktuellen Aufschwung- und Erholungsprognosen nach der schwierigen und teuren Corona-Zeit Makulatur. Auch Deuber warnt: „Das würde uns nahe an ein Stagflations-Szenario bringen und das wäre wirtschaftspolitisch sehr unangenehm.“
Krisenpläne hat auch die Raiffeisen Bank International (RBI) in der Schublade, auch wenn derzeit alles ruhig läuft, wie betont wird. Die börsenotierte Großbank ist in der Ukraine, aber auch in Russland engagiert und zählt neben italienischen, französischen und amerikanischen Banken zu den Betroffenen, sollte der Westen Moskau beispielsweise vom internationalen Zahlungsverkehr ausschließen.
In der Ukraine ist die RBI seit 1998 tätig und ein landesweit vertretenes Institut mit vielen Filialen und rund 6000 Mitarbeitern. Kredite in Höhe von 2,2 Milliarden Euro wurden vergeben. Fallen diese im theoretischen Fall zu 100 Prozent aus, wäre das schmerzhaft, aber wohl verkraftbar. Das insgesamte Kreditvolumen des RBI-Konzerns beläuft sich aktuell auf rund 101 Milliarden Euro.
Etwas heikler ist die Situation in Russland: Dort ist die RBI seit 1996 tätig, beschäftigt circa 9000 Mitarbeiter und hat Kredite in Höhe von 11,6 Milliarden Euro vergeben. Die Auslandstochter steuerte im Vorjahr mit 591 Millionen Euro auch ein Drittel zum Gesamtgewinn des Konzerns bei.
Anti-demokratische Achse Moskau-Peking
Österreichs Handelsdelegierter in Moskau, Rudolf Lukavsky, weist noch auf eine andere, eher längerfristige Problematik hin.
Seit den ersten Sanktionen im Jahr 2014, als Russland die Krim annektiert hat, gab es Gegenmaßnahmen – etwa Lebensmittel-Importverbote. Und, Russland hat sich in den vergangenen acht Jahren mehr und mehr China zugewandt.
Waren es 2014 noch 50 Prozent aller russischen Exporte, die in die EU gingen, so sind es jetzt nur noch 34 Prozent. Aber auch die russischen Importe aus der EU sanken anteilsmäßig – von damals 39 auf jetzt 34 Prozent.
Lukavskys Resümee: „Sanktionen lösen immer auch Gegensanktionen aus. Im Endeffekt schaden sich beide Seiten.“
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