Russland kappt Lieferungen nach Österreich: Welche Folgen der Gas-Stopp hat
Seit Samstagfrüh ist die 56-jährige Geschichte der Erdgaslieferungen Russlands an Österreich zu Ende. Rund 220 Milliarden Kubikmeter Erdgas haben die Österreich in dieser Zeit zuerst den Sowjets, später Russland abgekauft.
Das plötzliche Aus war von Energiemanagern und der Politik erwartet worden und führt zu keinen Turbulenzen am Gasmarkt, weil Alternativen bereitstehen stehen.
Zuletzt kamen mehr als 80 Prozent unseres Erdgases aus Russland. Droht jetzt eine Gas-Mangellage?
Nein. Die Gasspeicher sind zu mehr als 92 Prozent gefüllt. Eine Gasmangellage sei „selbst bei eingeschränkter Verfügbarkeit von alternativen Importen via Italien und Deutschland und hohen Gasverbräuchen“ nicht zu erwarten, heißt es in einer Analyse der E-Control und der Energieagentur. Auch die Leitungskapazitäten reichen, sagt E-Control-Ökonom Johannes Mayer zum KURIER.
Steigen mit dem russischen Gaslieferstopp die Gaspreise?
Die Preise steigen auch wegen geopolitischer Unsicherheiten bereits seit Längerem. Am Freitag sind die Großhandelspreise zwar kurzzeitig angestiegen, sie haben sich danach aber wieder eingependelt. Das Preisniveau dürfte in den kommenden Monaten nach Einschätzung des Ökonomen auf dem derzeitigen Niveau stabil bleiben.
Was bedeutet das für private Gasrechnungen?
Die meisten Haushalte müssen im heurigen Winter nicht mit Preissteigerungen rechnen, sagt Mayer. Viele haben Verträge mit längerfristigen Preiszusicherungen. Auch die Lieferanten haben sich abgesichert. Auf Haushalte mit kurzfristigen Verträgen, sogenannten Floatern, die sich stärker an den aktuellen Großhandelspreisen orientieren, können aber Mehrkosten zukommen. Die seien aber überschaubar, sagt Mayer. Er beziffert sie mit rund 30 Euro jährlich für einen Haushalt mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden.
Wie sieht es mit dem nächsten Winter aus?
An den Gaspreisen dürfte sich auch im Winter ’25/’26 wenig ändern. Sie könnten sogar leicht sinken, sagt E-Control Ökonom Mayer. Die Gasrechnung könnte aber für viele Kunden dennoch steigen. Denn die Entgelte für das Gasnetz, die rund 30 Prozent der Gasrechnung ausmachen, könnten in einigen Bundesländern auch heuer wieder deutlich nach oben gehen. Im vergangenen Jahr betrug die Steigerung österreichweit durchschnittlich drei Prozent, in einigen Bundesländern, darunter Wien Vorarlberg und Tirol, waren es aber deutlich mehr.
Wann ist mit einer größeren Entspannung bei den Gaspreisen zu rechnen?
Nicht vor 2026. Ab dann sollen zusätzliche Kapazitäten aus Katar und den USA bereitstehen. Allerdings kommt ab 2027 eine eigene -Steuer (ETS II) auf alle fossilen Brenn- und Treibstoffe.
Mit dem rasch steigenden Gasverbrauch in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg konnte dieser durch die inländische Gasförderung nicht mehr gedeckt werden. Deshalb verfolgte Österreich seit den frühen 1960er-Jahren eine Strategie, um Erdgas ins Land zu holen.
Der Vertrag zwischen der damaligen „Österreichischen Mineralölverwaltung (ÖMV)“ und der Sojusnefteexport (SNE) am 1. Juni 1968 stellt einen Meilenstein in der österreichischen Energieversorgung dar. Es war der erste Liefervertrag der UdSSR mit einem westeuropäischen Staat. Österreich ließ sich auch nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei im August 1968 und der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings weiter mit sowjetischem Gas beliefern.
Bis Ende 2020, zeigt eine Analyse von Herbert Lechner von der Österreichischen Energieagentur, wurden insgesamt 218 Milliarden Kubikmeter an russischem Gas geliefert. 82 Prozent der heimischen Importe stammten damit aus russischen Quellen, diese deckten im Durchschnitt der Jahre 1968–2020 64 Prozent des heimischen Gasverbrauchs. In den vergangenen Jahren stieg der Anteil sogar auf deutlich über 80 Prozent.
Übrigens sind die über 218 Milliarden m³ Erdgas aus Russland nur Kommastellen der russischen Gasreserven: Mit den Gasfeldern Urengoi, Jamburg und Schtokman besitzt Russland das zweit-, dritt- und fünftgrößte Gasfeld der Welt, alleine diese drei haben Reserven von 13.300 Milliarden m³ gespeichert.
Woher kommt unser Erdgas, wenn nicht aus Russland?
Entweder aus Nordafrika über Italien und den Knoten Arnoldstein (Kärnten), oder aus Norwegen über Deutschland und die Knoten Oberkappel (OÖ) und Überackern (Salzburg).
Wie viel Geld hat die OMV seit Ausbruch des Ukrainekrieges an Russland für Gas bezahlt?
Laut Daten der Statistik Austria und einer Rechnung der Neos dürften es rund 12 Milliarden Euro gewesen sein.
Fließt seit gestern gar kein Gas mehr aus Russland nach Österreich?
Fest steht, dass die OMV kein Gas mehr von der russischen Gazprom erhält. Über die Ukraine fließt aber weiterhin russisches Gas nach Europa und vermutlich auch nach Österreich. Es könnte von anderen Händlern nach Österreich verkauft worden sein. Die Tatsache, dass ein Vertragspartner kein Gas mehr bekomme, bedeute nicht, dass kein Gas mehr fließe, sagt Mayer. Das könnte sich aber am 1. Jänner ändern, wenn die Ukraine, wie angekündigt, kein russisches Gas mehr durchleitet. Bisher hatte sie das
erlaubt.
Die Bundesregierung hält fast fünf Milliarden Euro an Förderungen für Private für thermische Sanierung und den Tausch des Heizungssystems bereit. Gefördert werden bei Wärmepumpen etwa 75 Prozent der Kosten, gefördert werden aber alle Arten von klimaneutralen Heizungen.
Für Haushalte mit einem Nettoeinkommen unter 1.900 Euro pro Monat können sogar die gesamten Umstiegskosten übernommen werden. Zudem gibt es Landesförderungen. „Wir haben mit vielen Maßnahmen in den letzten Jahren unsere Gasversorgung gesichert. Wir haben aber auch den Umstieg auf heimische, grüne Energie vorangetrieben. Auch hier haben wir große Erfolge erzielt und den Gasverbrauch deutlich gesenkt“, erklärt dazu Energieministerin Leonore Gewessler.
Alle Infos unter: www.umweltfoerderung.at/ft3jh
Warum steigen die Entgelte für das Gasnetz?
Die Netzentgelte werden von der Regulierungsbehörde E-Control jährlich im Dezember für das Folgejahr festgelegt. Bei der Berechnung werden die Kosten für die Erhaltung und den Betrieb des Netzes durch die verbrauchten Kilowattstunden dividiert. Weil der Gasverbrauch in Österreich zurückgeht, steigen deshalb die Kosten für das Netz. In der vergangenen Heizperiode, von Oktober 2023 bis März 2024, wurden 20 Prozent oder 15 Terawattstunden oder 20 Prozent weniger Gas verbraucht.
Wofür wird Erdgas in Österreich eingesetzt?
2020 wurden in Österreich 85 TWh fossiles Erdgas verbraucht. 29 % davon fallen in der Strom- und Wärmeerzeugung an. Weitere 29 % werden aktuell für Raumwärme und Warmwasser eingesetzt. Den größten Anteil hält allerdings die Papier- und Chemieindustrie sowie die Stahlerzeuger.
Auf die Österreicher und den Wirtschaftsstandort Österreich kommen dank ÖVP und Karl Nehammer Mega-Strompreise zu!“, sagt FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. „Der von ÖVP und Grünen herbeigeführte Gas-Lieferstopp wird klarerweise zu Preiserhöhungen führen. Österreich war einst die große Gas-Drehscheibe in Europa, die Politik der schwarz-grünen Bundesregierung hat uns aber von der Pole-Position auf den letzten Platz verfrachtet“, ergänzt FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger.
Dem kontert ÖVP-Klubchef August Wöginger: „Bundeskanzler Nehammer hat vorgesorgt, Herbert Kickl hat versagt. Würde Kickl in diesem Land Verantwortung tragen, wären wir jetzt mit einer gravierenden Versorgungskrise konfrontiert. Denn die FPÖ lehnt die Diversifizierung der Gasbezugsquellen ab und will Österreich dem Putin-Regime bedingungslos ausliefern.“
Bei den Neos warnt Energiesprecherin Karin Doppelbauer: „Ein erneuter Anstieg der Inflation durch höhere Energiepreise muss unbedingt verhindert werden.“ Dafür brauche es Gesetzesänderungen, „damit die strategische Gasreserve im Bedarfsfall auch schnell verwendet werden kann.“
Warum sprach Kanzler Karl Nehammer davon, dass sich Österreich nicht erpressen lasse?
Russland setzt Gas seit jeher auch als politische und wirtschaftliche Waffe ein. Laut Defence Research Agency in Stockholm gab es alleine zwischen 1991 und 2006 mindestens 55 Fälle, in denen Gazprom beziehungsweise Russland seine Lieferungen an das Ausland stoppte oder zumindest damit drohte. In der russischen Presse wurde die außenpolitische Bedeutung von Gazprom mit den Atomwaffen Russlands verglichen.
War Gas aus Russland nicht immer sehr billig?
Wir wissen nicht, was die OMV konkret bezahlt, die Verträge sind geheim. Eine Studie von Daniel Gros von 2022 zeigt, dass die deutsche Industrie in den Jahren seit 2012 etwa 10 Prozent mehr als andere europäische Mitbewerber für russisches Gas bezahlt hat. Österreich habe „tendenziell sogar leicht höhere Importpreise“ bezahlt, sagt die Energieagentur.
Kommentare