Jahrzehntelang wurde die Raffinerie im ostdeutschen Schwedt mit russischem Öl betrieben – und entgegen den EU-weiten Sanktionen wird sie das wohl noch immer, berichtet das deutsche Handelsblatt.
Die Anlage gehört mehrheitlich dem russischen Ölkonzern Rosneft, wird seit 2022 allerdings von der deutschen Bundesnetzagentur verwaltet. Um den Betrieb der für die Versorgung des Großraums Berlin-Brandenburg wichtigen Raffinerie aufrecht zu erhalten, musste diese zusammen mit den Miteigentümern Shell und Eni also neue Ölquellen auftun. Fündig wurden sie in Kasachstan. Das Erdöl soll in der Zusammensetzung dem russischen ähnlich und für die Raffinerie Schwedt entsprechend gut geeignet sein. Das Problem: Der Rohstoff erreicht Ostdeutschland durch russische Pipelines, konkret den Nord-Arm der "Druschba" (dt. "Freundschaft", siehe Grafik), die Schwedt auch vorher schon versorgt hat. Dabei ist es physisch unmöglich, dass sich das Öl nicht vermischt.
"In der Pipeline befindet sich noch russisches Öl, das kann auch nicht einfach rausgepumpt werden. Das Öl wird gebraucht, damit der Druck für den Durchfluss nicht abnimmt", zitiert das Handelsblatt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Mit anderen Worten: In Kasachstan wird Öl nach Russland gepumpt und in Deutschland kommt russisches Öl aus dem Rohr.
Wem die Begriffe Druschba und Kasachstan aus der heimischen Debatte bekannt vorkommen, hat Recht: Der Südstrang der Pipeline versorgt die Nachbarländer Tschechien, Slowakei und Ungarn (siehe Grafik). Und Kasachstan ist mit Abstand Österreichs wichtigster Öl-Lieferant. Knapp 40 Prozent werden aus der Ex-Sowjetrepublik importiert.
Trotzdem ist die Situation anders, erklärt Österreichs dominanter Mineralölkonzern auf Anfrage des KURIER: "Die OMV verfügt über keinerlei Transportkapazitäten an der Druschba-Pipeline". Der Import des kasachischen Erdöls "erfolgt über das Schwarze Meer über den Hafen Triest". Von dort aus fließt es durch Pipelines zur Raffinerie Schwechat.
EU–Importstopp
Gemäß dem EU-Sanktionsregime dürfen nur noch Mitgliedsstaaten russisches Öl durch Pipelines importieren, die „aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderem Maße von Lieferungen aus Russland abhängig sind und über keinerlei tragfähige Alternativen verfügen“. Der Import auf dem Seeweg, der den Großteil der EU-Ölimporte ausmacht, ist verboten
G-7-Preisdeckel
Die EU trägt auch den Preisdeckel der G-7-Gruppe mit. Russland soll sein Öl maximal um 60 US-Dollar pro Fass (je 159 Liter) verkaufen können. Anderenfalls werden zum Beispiel Transporteure nicht versichert
Sind die Sanktionen also ein Schildbürgerstreich? Nicht unbedingt, denn Ziel sowohl der EU als auch der G-7 ist nicht, dass kein russisches Öl mehr verbraucht wird. Die Sanktionen, inklusive dem Preisdeckel, sollen die Einnahmen des Landes reduzieren (siehe Infobox). Das ist erreicht, wenn man stattdessen in Kasachstan einkauft.
Am Weltmarkt kommt es durch diese Politik jedenfalls zu Verschiebungen, Russland muss sein Öl billiger an andere Abnehmer verkaufen. Insofern ist auch irrelevant, ob in Schwedt de facto russisches Öl ankommt; als problematischer könnte sich die Abhängigkeit von russischer Transportinfrastruktur herausstellen.
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