Ren Zhengfei: Der geheimnisvolle Mann hinter Huawei
Der „große Ren“ spricht selten. Tut er es doch, sitzt jeder Satz. Das klingt dann so: „Wenn die Lichter im Westen ausgehen, wird der Osten immer noch leuchten. Und wenn der Norden dunkel wird, gibt es immer noch den Süden. Amerika repräsentiert nicht die Welt. Amerika repräsentiert nur einen Teil der Welt“.
Ren Zhengfei (74), Gründer und oberster Boss des chinesischen Technologieriesen Huawei, teilte diese Woche in einem BBC-Interview kräftig aus. Er hat allen Grund dazu. Seit Monaten ziehen die USA gegen sein Lebenswerk zu Felde, als sei es das Böse schlechthin. Spionagevorwürfe und Boykottaufrufe bremsen das Geschäft im Westen.
Seit Dezember sitzt Rens Tochter und Finanzchefin Meng Wanzhou in Kanada fest. Die USA werfen ihr illegale Geschäftsverbindungen zum Erzfeind Iran und versuchten Diebstahl von Betriebsgeheimnissen vor und wollen sie vor Gericht bringen. „Politisch motiviertes Handeln“, schäumt Ren und weist angebliche Verbindungen zur Regierung in Peking von sich. „Die Welt kann uns nicht den Rücken kehren, weil wir fortschrittlicher sind“, schaltet der ehemalige Major der Volksbefreiungsarmee jetzt in die Offensive.
Verteidigungsstrategie
Um den US-Vorwürfen entgegenzutreten, schickt Huawei seine Manager auf Aufklärungstour. Auch in Wien stellen sich heute, Donnerstag, gleich vier Top-Manager aus Österreich und China den Fragen der Presse. Ungewöhnlich, da Konzerne aus China öffentliche Auftritte abseits von Werbung und Marketing eher scheuen.
Huawei ist alles andere als ein typisch chinesisches Unternehmen. Ren, der aus armen Verhältnissen stammt und mit sechs Geschwistern in der Provinz Guizhou aufwuchs, trat mit 44 Jahren aus der Armee aus. Mit angeblich nur 3000 Yuan in der Tasche und 21.000 Yuan (5000 Euro) Startkapital von Investoren gründete er 1987 in Shenzhen eine Handelsfirma für Telekom-Equipment. Mit zunächst zwölf Mitarbeitern.
Know-how abgesaugt
Der Zeitpunkt konnte besser nicht sein. Die rasche Verbreitung von Telefonie, Internet und Mobilfunk im Reich der Mitte kurbelte das Geschäft mit Schaltanlagen, Routern und Servern kräftig an. Ausländische Anbieter wie Ericsson oder Motorola brachten viel Know-how ins Land, das sich Huawei als Geschäftspartner rasch „abkupferte“. Legal gegen Lizenzgebühr oder auch auf anderen Wegen, wie der US-Rivale Cisco behauptet. Er zog gegen die Chinesen vor Gericht.
Je größer Huawei wurde, desto mehr Geld floss in eigene Innovationen und Auslandsexpansion. 2005 gelang der große Durchbruch in Europa mit einem Großauftrag des britischen Telekom-Riesen Vodafone. Huawei sei nicht nur billiger, sondern auch besser, hieß es bald in der auf Profitmaximierung getrimmten Telekombranche. Schon wenige Jahre später war der Riese aus Shenzhen der weltgrößte Netzwerkausrüster und drängte mit dem chinesischen Mitbewerber ZTE Rivalen wie Siemens, Nokia, Ericsson und Cisco vom Markt.
Europa-Strategie
Gerade einmal zwölf Jahre in Europa, betreiben die Chinesen heute 16 Innovationszentren hier. Die größten davon sind in Schweden sowie in den strategisch wichtigen Ländern Großbritannien, Deutschland und Italien. Allein in Deutschland sind 3000 Mitarbeiter beschäftigt, in Österreich sind es 100. Alle drei Mobilfunkanbieter sind hier zu Lande Kunden von Huawei.
Im Sommer eröffnet in der Wiener City das erste Flagshipstore Europas mit den neuesten Smartphones. Auch dank der europäischen Netzbetreiber stieg Huawei binnen weniger Jahre zum zweitgrößten Smartphone-Hersteller hinter Samsung auf. Ziel ist die Nummer 1, weshalb massiv in die neue Mobilfunk-Technologie 5G investiert wird.
Trotz der Größe ist Huawei nach wie vor in Privatbesitz. Die genauen Eigentumsverhältnisse liegen im Dunkeln. Jeder Mitarbeiter erhält Firmenanteile, die er bei einem Ausscheiden weiterverkaufen kann. Geführt wird der Global Player im CEO-Rotationsprinzip. „Big Boss“ Ren, längst Multi-Milliardär, hält sich im Hintergrund und demonstriert nach außen fast übertriebene Bescheidenheit. Rascher Erfolg und steiles Wachstum mache nur träge, so ein Credo des Gründers. „Wir sind ein kleines Gras, aber wir versuchen zu einem kleinen Baum zu wachsen“, philosophiert er. Bisher ist Huawei ohne große Übernahmen organisch gewachsen. Bisher.
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