Regierungskrise: Warum jetzt nichts weitergeht

Regierungskrise: Warum  jetzt nichts weitergeht
Der Ruf ist ramponiert, der Wirtschaftsstandort aber nicht angepatzt, sagen Experten.

Die politische Krise in Österreich hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik. Dazu Christoph Badelt, Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo): „Jetzt droht ein Jahr Reformstau.“

Denn nach derzeitigem Stand werde es frühestens im Spätherbst oder vielleicht sogar erst im nächsten Jahr eine neue Regierung geben. „Bis diese Regierung dann wirtschaftspolitisch neue Reformvorhaben beschließt und durchführt, wird es wohl ein Jahr dauern.“

Tatsächlich hängen jetzt viele Reformen in der Luft (siehe Zusatzbericht unten).

Christoph Badelt sieht strukturelles Problem

Christoph Badelt, Wifo

Und wie sieht Badelt eine neue Regierung unter möglicher Beteiligung der SPÖ? „Das wird davon abhängen, welche Aussagen im Wahlkampf getätigt werden.“ Vor allem aber, so Badelt weiter, müsse klar werden, wer in der SPÖ überhaupt den wirtschaftspolitischen Kurs bestimme und in welche Richtung dieser gehe.

Das internationale Image Österreichs als Wirtschaftsstandort sieht Badelt nicht gefährdet. Österreich sei wirtschaftlich stabil. So haben auch Staatsanleihen überhaupt nicht auf die Polit-Krise reagiert. Das Wifo wird auch seine Prognosen von 1,7 Prozent Wachstum für heuer nicht ändern.

Regierungskrise: Warum  jetzt nichts weitergeht

Stefan Bruckbauer, Unicredit Bank Austria

Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria, sieht das genauso: „Neuwahlen haben keinen Einfluss auf unsere Prognose. Ich sehe keinen Effekt auf die Konjunktur in Österreich. Wir hatten Maßnahmen für 2019, die mit dem Familienpaket schon umgesetzt wurden.“ Die Konjunktur sei derzeit stark von globalen Erwartungen und Entwicklungen in Europa getrieben, vor allem von der schwierigen Situation und dem Protektionismus in den USA. Die regionale österreichische Politik habe da wenig Einfluss, so der Ökonom.

Regierungskrise: Warum  jetzt nichts weitergeht

Martin Kocher, IHS

„Der politische Ruf mag ramponiert sein, der Wirtschaftsstandort Österreich ist aber nicht angepatzt“, sagt auch Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). Wirtschaftliche Entscheidungen würden nicht davon abhängen, ob sich eine Regierung in die Luft sprenge. Kocher erwartet nicht, dass es direkte Auswirkungen auf die Konjunktur im laufenden Jahr geben wird.

Auf mittlere Sicht könnte das aber anders ausschauen, Stichwort Steuerreform. „Es wird viel davon abhängen, wie rasch eine neue Regierung zustande kommt.“ Kocher geht davon aus, dass es auch unter einer anderen Regierung fix eine Steuerreform geben wird, es komme aber auf den Zuschnitt an.

Regierungskrise: Warum  jetzt nichts weitergeht

Wolfgang Hesoun, Siemens Österreich

„Schwerer Schlag“

„Ich hoffe, dass diese Phase der Unsicherheit und auch Unberechenbarkeit für den Wirtschaftsstandort rasch beendet wird und wir wieder zu berechenbaren Verhältnissen zurückkehren“, sagt Wolfgang Hesoun, Chef von Siemens-Österreich und Präsident der Wiener Industriellenvereinigung. Dies wäre „aus Sicht des Wirtschaftsstandortes für eine weitere positive Entwicklung zwingend notwendig“.

Regierungskrise: Warum  jetzt nichts weitergeht

Karl-Heinz Strauss, Porr

Karl-Heinz Strauss, Chef des heimischen Baukonzerns Porr, ergänzt: „Die österreichische Wirtschaftspolitik in den letzten zwei Jahren hat zu einer echten Aufbruchstimmung in der Wirtschaft geführt. Durch die unfassbaren Äußerungen des bisherigen Vizekanzlers hat das Land aber einen schweren Schlag erlitten. Vor allem das Image Österreichs im Ausland hat gelitten. Ich gehe davon aus, dass die jüngsten Entscheidungen, Neuwahlen durchzuführen, wieder rasch für stabile Verhältnisse sorgen. Wichtig ist, dass der erfolgreiche Kurs zur Förderung der österreichischen Wirtschaftspolitik fortgesetzt wird.“

Diese Vorhaben sind jetzt auf Eis gelegt

In der Warteschleife: Die Palette reicht von Teilen der Steuerreform bis zum  Arbeitslosengeld neu.

Die Liste wirtschaftlich relevanter Gesetzesvorhaben mit nunmehr ungewissem Schicksal ist umfangreich – allen voran die Steuerreform. So sollten ab dem kommenden Jahr die Sozialversicherungsbeiträge für Kleinverdiener gesenkt werden, ab 2021 sollte dann die Lohnsteuer reduziert werden. Für die Unternehmen hängt die schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer (KÖSt) in der Luft.  Auch die Digitalsteuer ist noch nicht beschlossen.  

Die Anhebung der Mindestpension bei langen Versicherungszeiten ist ebenso in der Schwebe. Ebenso die Reform der Pflege. Was aus dem Arbeitslosengeld neu wird, in dem die Notstandshilfe aufgehen sollte, ist auch völlig offen.

Dazu kommt, dass es kein reguläres Budget für 2020 geben wird.   Die Budgetrede von ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger war für den 15. Oktober angekündigt. Nichts wird es  auch mit den Einsparungen auf der Gegenfinanzierungsseite. Mit welchen Ministern sollte Löger  jetzt darüber verhandeln?

Geld für die Forschung 

Offen ist das Forschungsfinanzierungsgesetz, das künftig die Forschungsgelder  über die gesamte Regierungsperiode sicherstellen sollte. Forschung muss langfristig finanziert werden, derzeit wird jedes Jahr neu im Budget verhandelt.

Wegen der Regierungskrise wackelt auch das geplante Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG). Die Begutachtungsfrist endete erst vor Kurzem. Das WGG ist noch nicht einmal durch den Ministerrat. Türkis-Blau wollte die Bildung von Wohnungseigentum für die Mieter beschleunigen und Spekulantentum einen Riegel vorschieben.

Vor dem Sommer sollte auch die Neuregelung der Ökostromförderung (konkret das Erneuerbaren Ausbau Gesetz, EAG) in die Begutachtung gehen.   
Ebenfalls noch nicht beschlossen ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz für die Beschleunigung von kleineren Projekten sowie die Verankerung der Wirtschaft als Staatszielbestimmung in der Verfassung.

Offen ist die Reform der Rot-Weiß-Rot-Card für den Zuzug von Fachkräften. Vor allem für Wiens Taxler wichtig wäre das geplante Gelegenheitsverkehrsgesetz, das die Bestimmungen für Uber regelt.

Umbau der Finanzmarktaufsicht

Nicht absehbar ist momentan,  was mit der Reform der Bankenaufsicht geschieht. Diese sollte ja künftig in die Finanzmarktaufsicht (FMA) integriert werden. Die Begutachtungsfrist ist abgelaufen, die notwendigen zahlreichen Novellierungen sind aber noch nicht im Parlament.  In der Begutachtung hatten ÖGB, AK, die Betriebsräte von Notenbank und FMA und das Land Burgenland die Reform strikt abgelehnt.

Offen ist überdies, was mit dem FMA-Vorstand passiert. Die Regierung wollte den Zweier- auf einen Allein-Vorstand reduzieren. Was sogar bei Bankern für viel Kritik sorgt. SPÖ-Mann Helmut Ettl sollte in die Nationalbank zurückgehen, ÖVP-Vorstand Klaus Kumpfmüller würde bleiben.

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