Problemfall Inflation: Können Sozialpartner Preisspirale stoppen?
Vom 20. bis 22. Juni findet der ÖGB-Kongress statt, auf dem die Wiederwahl von Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian ansteht. Katzian ist ungefährdet, einen Gegenkandidaten gibt es nicht.
Dennoch ist seine Wahl für manche Beobachter durchaus mit ein Grund, warum es mit Ausnahme der Lohnabschlüsse um die seinerzeit so einflussreiche und omnipräsente Sozialpartnerschaft so still geworden ist. „Vorher ist Ruhe angesagt“, meinte ein langgedienter Funktionär.
In guter Erinnerung sind noch die Auftritte der Sozialpartner-Spitzen in den Jahren der Corona-Pandemie. Damals ging es um Themen wie Homeoffice und Kurzarbeit. Lösungen im besten sozialpartnerschaftlichen Sinne wurden gefunden. Regierung und Opposition zogen an einem Strang. Doch in den Zeiten der Rekordinflation hat sich das grundlegend geändert.
Auch heute sind die Sozialpartner – auf Bundesebene vier Verbände: Wirtschafts- und Arbeiterkammer, ÖGB und Landwirtschaftskammer – in wichtigen Organisationen vom AMS bis zu den Sozialversicherungsträgern tätig. Sie ringen de facto das ganze Jahr um neue Kollektivverträge und sind auf Expertenebene – hinter den Kulissen – in Regierungsvorhaben eingebunden. Doch von außen betrachtet ist es um die einst so mächtige „Schattenregierung“ verdächtig ruhig geworden. Zumindest ist den Sozialpartnern – das ist unbestritten – schon lange kein größerer Wurf gelungen.
Dabei wären Ideen und Lösungsvorschläge in vielen Politikfeldern gefragt, vom Pflege- und Gesundheitsbereich über die Arbeitszeit bis hin zur Inflationsentwicklung. Insbesondere die Teuerung nennt etwa Fiskalratspräsident Christoph Badelt.
Er sagt zum KURIER: „Wir sind jetzt in einem destruktiven Zirkel: Alles ist irgendwie „indexiert“, die Inflation wird so nicht aufhören. Die Sozialpartnerschaft hätte jetzt eine einmalige Chance, einen Anstoß für eine Durchbrechung dieses Zirkels zu geben. Wie schon vor Jahrzehnten: ein Lohn-Preisabkommen, das auch die öffentliche Hand mit einschließt. Es ginge nicht mehr so leicht wie in den sechziger Jahren – aber einen Versuch wär es schon wert.“
Lob für die Sozialpartner kommt von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im Zusammenhang mit den Lohnverhandlungen. Felbermayr sagt zum KURIER: „Die Sozialpartner haben in den letzten Monaten eine Reihe von äußerst schwierigen Kollektivvertragsverhandlungen mit rekordhohen Abschlüssen verhandelt, ohne dass es zu Arbeitskämpfen gekommen wäre. In Deutschland war das deutlich schwieriger. Das zeigt, unser System funktioniert nach wie vor. Man könnte sogar sagen: Je weniger man davon in der Öffentlichkeit mitkriegt, umso erfolgreicher. Aber ob das im Herbst so weiter gehen wird, erscheint mir angesichts der riesigen Herausforderungen fraglich.“
Für Felbermayr leidet die Arbeit der Sozialpartner unter dem zerrütteten Verhältnis von ÖVP und SPÖ. „Die stärkere Polarisierung der politischen Diskussion macht das Finden von Kompromissen – die Kernaufgabe und das Erfolgskriterium der Sozialpartner in Österreich – schwieriger denn je“, sagt der Wifo-Chef.
Weitaus kritischer sieht Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn die Rolle der Sozialpartner, speziell was die Entwicklung von Preisen und Löhnen angeht. Er zählt die Sozialpartner sogar zu den Profiteuren der Preisentwicklung in jüngster Zeit.
Schellhorn sagt diesbezüglich zum KURIER: „Die Sozialpartner sind die großen Gewinner der Inflation, deren Einnahmen gehen regelrecht durch die Decke. Bei den nächsten Lohnverhandlungen wird sich zeigen, ob sie ihr Geld auch wert sind. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Lohn-Preis-Spirale zu stoppen. Das wird der große Existenz-Test für Wirtschafts- und Arbeiterkammer. Um einfach die Löhne an die Inflation anzupassen, braucht es keine sündteuren Organisationen mit Pflichtmitgliedschaft.“
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