Mehr Geld für Pendler: Eine gute Idee?
Die Regierung hat eine Entlastung der Pendler um insgesamt 400 Mio. Euro angekündigt. Dazu sollen unter anderem Pendlerpauschale und Pendlereuro erhöht werden. Dies sei eine "zielgerichtete Maßnahme" gegen die Teuerung, meint die Regierung. Aber ist sie angesichts der Bemühungen um eine grünere Energiewende auch richtig? Zwei Meinungen.
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PRO: Wer mit dem Auto pendelt, macht dies nicht aus Jux und Tollerei. Sondern einfach deswegen, weil sein Arbeitsplatz nicht ums Eck liegt; vor allem in strukturschwachen Regionen wie etwa Wald- oder Weinviertel. Auch mangelt es dort meist an attraktiven öffentlichen Verkehrsverbindungen. Da nützt auch das preislich attraktive Klimaticket wenig, wenn die Fahrtzeit deutlich länger wird. Die Alternative, näher zum Arbeitsplatz zu ziehen, ist in der Realität keine.
Weil viele Menschen teils schon sehr lange an ihrem Wohnort ihren Lebensmittelpunkt haben, sich dort wohl fühlen und auch viel Geld investiert haben. Und wer öfters Job wechselt, müsste diesem Vorsatz entsprechend jedes Mal neu umziehen (in einer Partnerschaft obendrein schwierig umzusetzen).
Die Pendlerpauschale zu erhöhen, ist daher richtig. Nur hätte zugleich auch das Kilometergeld entsprechend evaluiert gehört. Dieses ist seit 2008 unverändert niedrig. Viele Arbeitnehmer nutzen laufend ihren Privat-Pkw für berufliche Fahrten.
Ja, Elektromobilität bringt finanzielle Entlastung und Unabhängigkeit von stark schwankenden Spritpreisen. Allerdings hat auch der Strompreis stark zugelegt, und der Umstieg auf ein E-Auto ist nicht von heute auf morgen ohne entsprechende Infrastruktur am Wohn- und Arbeitsort möglich. Und warum sollen Kfz-Besitzer jetzt ihre teils erst relativ jungen und im Alltag bewährten Verbrennerautos mit Verlust verkaufen?
Robert Kleedorfer ist stellvertretender Wirtschaftsressortleiter
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CONTRA: Wir müssen und wollen weg von Öl und Gas. Wir ersehnen die Defossilierung. Wir brauchen und wollen eine Energie- und Mobilitätswende.
Aber wir subventionieren berufsbedingtes Autofahren. Künftig sogar noch mehr.
Der wochenendliche Beschluss, die Pendlerpauschale zu erhöhen, ist gegen den Zeitgeist. Er ist ein Widerspruch zu den ökologischen Zielen.Dass das von einer teilgrünen Regierung kommt, ist bemerkenswert. Weil es die Bemühungen verzögert, Menschen zum Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zu motivieren.
Zugespitzt könnte man die Pendlerpauschale sogar als Anreiz sehen, lange Arbeitswege in Kauf zu nehmen. Nicht selten wird das Pendlergeld als Zersiedelungsprämie bezeichnet, die die Verbauung von Grünflächen fördert. Motto: Fürs Haus auf dem Land nehmen wir Fahrzeiten in Kauf, es gibt ja sogar Geld dafür. Ab zwanzig Kilometer zahlt der Staat mit, respektive die Allgemeinheit. Warum eigentlich? Und wie geht das mit dem Homeoffice-Boom zusammen? Wer fährt da eigentlich und wie viel tatsächlich?
Moderne Mobilität ist mehr als Individualverkehr. Wer Klimaziele erreichen will, darf nicht nach dem Gießkannenprinzip das Autofahren fördern. Der muss, im Gegenteil, umweltfreundliche Mobilität attraktiv machen. So wie es von der Regierung an anderer Stelle auch gemacht wird, etwa mit regulativen Steuern oder dem Klimaticket.
Sandra Baierl leitet die Ressorts JOB & BUSINESS, IMMO und MOBILITÄT
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