In der Schweiz könnte Werbung für Billigfleisch bald Geschichte sein, berichtet die NZZ am Sonntag. Denn das Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft denkt bereits laut über ein entsprechendes Werbeverbot nach. Grund dafür ist die schlechte Klimabilanz von Fleisch.
Solche Überlegungen sind auch in Österreich überfällig, findet Veronika Weissenböck von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Schließlich habe selbst Deutschlands Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner bereits ein Verbot von Fleischrabatten gefordert.
Währenddessen stehen in Österreich Preisnachlässe von bis zu 50 Prozent an der Tagesordnung. In einem Supermarkt gibt es beispielsweise aktuell Schweinesteak um 3,72 Euro pro Kilogramm, prangert Weissenböck an. Dieser Rabattwahn sei „unanständig“ und zum Schaden von Tier und Landwirtschaft.
Die Händler wollen sich jedoch nicht den schwarzen Peter für die Aktionspolitik zuschieben lassen. „Die Landwirtschaft bittet uns in regelmäßigen Abständen Aktionen zu machen, um ihre Ware in den Markt zu bekommen“, argumentiert Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. So werden beispielsweise zu Weihnachten traditionell viele Edelteile, wie Lungenbraten, nachgefragt – doch auch die anderen Teile des Tieres müssen früher oder später verkauft werden. Berkmann: „Das passiert dann mit Aktionen im Jänner. Ein Werbeverbot würde niemandem helfen“, so ihr Standpunkt.
Tatsächlich haben gerade erst vor einer Woche die Schweinemäster in Österreich mehr Absatz-Aktionen im Handel gefordert. Die Asiaten haben ihnen zuletzt weniger Ware abgenommen, dazu kommt der schleppende Absatz am Heimmarkt, weil potenzielle Konsumenten auf Urlaub sind. Die Folge: Volle Lager, die die Mäster nun mit Aktionen leeren wollen. Aus Sicht von Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher ist ein Ende der Rabattpolitik schwierig. Letztlich ist es kein Zufall, dass Fleisch als Lockartikel eingesetzt wird. Die Erfahrung zeigt, dass Schnitzel- und Steak-Käufer auch diverse Beilagen kaufen und damit die Umsätze im Geschäft ankurbeln.
Wo(hin) die Milch fließt
Hinter den Kulissen der Supermarktregale laufen währenddessen gerade die alljährlichen Preisverhandlungen zwischen Industrie und Handel. Lieferanten fordern infolge gestiegener Rohstoff- und Transportkosten höhere Preise, die Händler halten gegen. „Auf Dauer gehe ich davon aus, dass die Preise auch wieder nachgeben werden“, argumentiert Spar-Vorstandschef Fritz Poppmeier.
Milchbauern, die höhere Preise fordern, stoßen bei ihm tendenziell auf taube Ohren. „Es mag sein, dass einzelne bäuerliche Betriebe zu wenig einnehmen, aber das hat nichts mit den Supermarktpreisen zu tun. Hier haben wir ein Systemproblem“, findet Poppmeier. Er verweist darauf, dass 40 Prozent der heimischen Milch in den Export fließen und dort würden eben viel schlechtere Preise erzielt werden als am Heimmarkt. Schlicht, weil die kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft dort auf Weltmarktpreise trifft. Zur Größenordnung: Eine große deutsche Molkerei verarbeitet so viel Milch wie alle österreichischen Molkereien zusammengenommen.
Mit dem Verkauf von Lebensmitteln an den Endkonsumenten sind in Österreich im Vorjahr 27 Milliarden Euro umgesetzt worden, hat das Economica Institut im Auftrag der WKO errechnet. Der Lebensmittelhandel verbuchte demnach im Coronajahr ein Umsatzplus von 8,1 Prozent – vor allem weil im Lockdown Lokale und Kantinen geschlossen hatten. Von solchen Geschäftsentwicklungen können andere Branchen – Stichwort Modehandel oder der noch immer strauchelnde Städtetourismus – nur träumen.
1.000 Euro für alle?
Um die Konsumlust wieder anzukurbeln, schwebt Poppmeier ein „Österreich-Tausender“ im Lohnsteuerausgleich vor. Dort sollen Ausgaben in der österreichischen Wirtschaft – ob im Handel, Tourismus oder Dienstleistungsbranche – im Ausmaß von 1.000 Euro absetzbar sein, so der Vorschlag des Spar-Chefs in Richtung Finanzministerium: „Das kostet nichts, schafft zusätzliche Kaufanreize und damit Steuereinnahmen, die sonst nicht gegeben hätte.“ Ebenfalls auf Wunschliste der Händler: Der Evergreen Lohnnebenkostensenkung.
Kommentare