Pichowetz: "Ich sehe die Lage nicht so rosig wie Politiker"
Schauspieler und Theater-Chef Gerald Pichowetz nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Er ärgert sich über die Eitelkeiten in der Branche und kann nicht verstehen, woher die Politik ihren Optimismus nimmt. "Vielleicht aus der leeren Staatskasse." Wie Subventionen vergeben werden, sei undurchschaubar. "Bevor ich das verstehe, löse ich den Konflikt mit Nordkorea", sagt Pichowetz und ortet Freunderlwirtschaft.
KURIER: So wie es ausschaut, dürfen Sie am 19. Mai wieder öffnen. Auf Ihrer Webseite stehen unter anderem die Covid-Maßnahmen für eine sichere Vorstellung, beginnend bei Fiebermessen beim Eingang. Ist das die Letztfassung?
Gerald Pichowetz: Bestimmt nicht, die Vorschriften ändern sich ja ständig. Man könnte mittlerweile einfach sagen: „pfeif drauf“.
Klingt nicht nach Aufbruchsstimmung …
Ich sehe die Lage nicht so rosig wie Politiker in den Abendnachrichten. Da redet Tourismusministerin Köstinger von einer Aufbruchsstimmung und im nächsten Beitrag geht’s um demnächst überlastete Intensivstationen. Ich weiß nicht, woher sie ihren Optimismus nimmt. Vielleicht aus den leeren Staatskassen. Anders kann ich mir die Öffnungen nicht erklären.
Wollen Sie überhaupt aufsperren?
Ich habe einen Wirtschaftsbetrieb mit 15 Mitarbeitern (Anm.: Schauspieler nicht mitgerechnet), der sich rechnen muss. Es ist Frühjahr, die Leute werden in die Gastgärten stürmen. Nicht in die Theater. Bestenfalls können Sommertheater funktionieren. Ich verstehe gar nicht, von welchem Licht am Ende des Tunnels die Politiker reden. Ich sehe keines.
Sie glauben, dass Sie in leeren Sälen spielen würden?
Die Leute brauchen einen negativen Test für den Friseur- und Kabarettbesuch. Dann sollen sie den Grünen Pass vorzeigen, mit Abstand und mit FFP2-Maske in der Vorstellung sitzen und beim Buffet bekommen sie nichts zu trinken. Wo bleibt denn da der Genuss? Wer soll sich das antun? Nur völlig Verblendete glauben, sie sperren die Tür auf und die Menschen strömen wieder herein. Dazu kommt: Wir leben von dem Geld, das den Leuten am Ende des Monats übrigbleibt. Das ist nicht mehr viel. Ich weiß noch nicht, ob ich für die paar Wochen aufsperre.
Warum „für die paar Wochen“?
Weil die Theater im Juli und August traditionell geschlossen haben. Da wollen die Leute draußen sein. Und da braucht mir jetzt kein G’scheiter kommen und erzählen, dass ich heuer aufsperren soll. Ich bin seit 20 Jahren im Theatergeschäft und habe es schon versucht. Funktioniert nicht. Das ist der Grund, warum die Theater im Sommer geschlossen sind.
Wie viel Auslastung brauchen Sie eigentlich, um profitabel zu spielen?
Zuletzt hatten wir eine Auslastung von 30 Prozent, davon kann ich nicht überleben. Wenn bei einem Stück 16 Schauspieler auf der Bühne sind, die eine Abendgage von 250 bis 300 Euro bekommen und keine 100 Leute im Saal sitzen, können Sie sich bei durchschnittlichen Eintrittspreisen von 35 Euro ausrechnen, dass sich das nicht ausgeht. Wir sind nämlich nicht zu 100 Prozent subventioniert. Deswegen verstehe ich gar nicht, worüber sich der Föttinger so aufregt.
Der Direktor vom Theater in der Josefstadt?
Ja, er ist künstlerischer – und nicht kaufmännischer – Direktor und sein Haus ist zu 100 Prozent subventioniert. Warum schreit gerade er auf? Er hat genauso wenig Grund zu klagen, wie die Schauspieler mit den Top-Gagen, die bei blöden Satire-Projekten wie #Allesdichtmachen mitmachen. Da geht es nur um Eitelkeiten. Die Probleme der vielen unbekannten Schauspieler, die auf privaten Bühnen stehen, hört niemand.
Aber die kleinen Bühnen bekommen auch staatliche Unterstützung, oder?
Ja, und es ist nicht zu durchblicken, warum welcher Betrieb wie viel Subvention bekommen. Bevor ich das verstehe, löse ich den Konflikt mit Nordkorea. Manche haben in der Pandemie auf einmal so viel Geld gehabt, dass sie begonnen haben zu Streamen …
Und das ist schlecht?
Warum glauben Sie, machen sie das? Nicht, weil sich das rechnet oder so viele Zuschauer zu erwarten sind. Doch nur, um die Subventionsgelder wieder loszuwerden, die sie bekommen haben. Wissen Sie wie man das nennt?
Sie werden es mir sagen …
Freunderlwirtschaft. Das ist eine unbequeme Wahrheit, die sich keiner auszusprechen traut. Überhaupt – was heißt schon Subvention. Es geht um Steuergeld, das uns der Staat später wieder aus der Tasche ziehen wird. Aber daran denkt ja offenbar auch niemand.
Sind Ihre 15 Mitarbeiter gerade in Kurzarbeit?
Ja, und ich glaube nicht, dass wir im Juni aufsperren werden, auch wenn wir vier Produktionen auf Lager liegen haben. Meine Mitarbeiter sind noch nicht geimpft, mir ist das Risiko zu groß, dass sich jemand im Theater anstecken könnte. Die Tests sind ja nur eine Momentaufnahme.
Würde sich das Aufsperren ohne Buffet überhaupt lohnen?
Bei uns schon, sofern wir genügend Besucher im Saal haben. Aber es gibt viele, vor allem kleine Häuser, die vom Buffet-Geschäft leben. Auch viele Kabaretts arbeiten mit Umsatzbeteiligungsschlüsseln. Da kann es schon sein, dass sie bei ganz bekannten Kabarettisten gar nichts vom Kartenpreis bekommen, was sich aber rechnet, weil der Künstler ein volles Haus garantiert und sie damit ein gutes Buffetgeschäft machen. Je unbekannter der Kabarettist, desto weniger vom Ticketpreis bekommt er auf sein Konto. Eh logisch …
Wird die Kontrolle beim Eintritt funktionieren?
Stellen Sie sich einen verregneten Abend vor, alle drängen sich unter das kleine Vordach, ganz vorn in der Reihe sagt einer, er hat den Test nicht mit und beginnt zu debattieren, dass er Stammgast und eh getestet ist. Dann die Streiterei und der Stau am Eingang …Am Ende ist jedem das eigene Hemd näher als die Hose.
Seit zehn Jahren leitet Pichowetz (56) das Gloria Theater in Wien, das unter anderem Komödien auf dem Spielplan hat.
Pichowetz hat in vielen Produktionen nicht nur gespielt sondern auch Regie geführt. Dem Fernsehpublikum ist er vor allem durch seine Rolle des Franzi Mayerhofer ("Fünfer") in der Serie Kaisermühlen Blues bekannt. Mitgewirkt hat er unter anderem auch in Tohuwabohu oder Doce Vita.
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